Landesgericht Ried
ORF.at/Dominique Hammer
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Gericht

Mordversuchsprozess in Ried vertagt

Der Mordversuchsprozess gegen eine 32-Jährige in Ried ist Freitagmittag auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Sie soll im Sommer des Vorjahres ihrem schlafenden Ehemann eine Schnittwunde am Hals zugefügt haben.

Die angeklagte Frau leugnet die Tat und beschuldigte ihre zum Tatzeitpunkt 13-jährige Tochter. Diese sagte zu den Vorwürfen ihrer Mutter: „Was soll ich dazu sagen? Ich war’s nicht.“ Die Mutter war wegen der Tat im Frühling bereits einmal vor Gericht gestanden. Nur zwei der acht Geschworenen hielten sie damals für schuldig im Sinne der Anklage, was die Berufsrichter als „Irrtum“ werteten. Sie setzten den Wahrspruch aus. Daher wurde der Prozess neu aufgerollt.

Tatwaffe bis heute nicht eindeutig

Die Staatsanwältin hielt der Angeklagten auch diesmal vor, im Sommer 2022 ihrem 40-jährigen Ehemann, mit dem sie vier gemeinsame Kinder hat, im Schlaf mit einem Stanleymesser oder einer Rasierklinge den Hals aufgeritzt zu haben. Die Tatwaffe steht bis heute nicht eindeutig fest. Dem Opfer soll sie zuvor Medikamente, die sie wegen einer depressiven Phase eingenommen habe, in das Gulasch gemischt haben. Darauf wurde der Mann müde, legte sich nieder und wurde attackiert. Er überlebte dank einer Notoperation.

Tat zuerst gestanden dann Tochter beschuldigt

Die Angeklagte hatte bei der Polizei zunächst die Tat zugegeben und mit Notwehr gerechtfertigt, später stritt sie den Angriff ab und sagte, sie wisse nicht, wer es war – sie jedenfalls nicht. Im ersten Prozess beschuldigte sie dann überraschend ihre strafunmündige Tochter. Diese wiederum hatte am Tatabend gegenüber einer Polizistin von einem Täter von außen gesprochen, dies dann aber mit der Begründung zurückgezogen, ihre Mutter habe ihr zu verstehen gegeben, sie solle das sagen.

Am Freitag wurde das Mädchen durch die Richterin in einem gesonderten Raum befragt, das Gespräch wurde via Video in den Schwurgerichtssaal übertragen. Die Jugendliche erzählte, dass die Mutter oft mit Tellern geworfen oder Handys demoliert habe. Das Mädchen hatte laut eigenen Schilderungen viele Aufgaben im Haushalt und bei der Betreuung der drei kleinen Geschwistern innegehabt, während die Mutter „saufen“ oder bei ihrem Freund gewesen sei. Das Verhältnis zum Vater sei „normal“, meinte sie.

Gutachten: „Emotional instabile Störung“

Die psychische Gutachterin Adelheid Kastner attestierte der Angeklagten eine „emotional instabile Störung“. Zudem leide sie an einer „histrionischen Störung“, was bedeute, sie wolle immer im Mittelpunkt des Interesses stehen – als Beispiel nannte sie, dass die Frau – offensichtlich fälschlicherweise – behauptet hatte, an einer Reihe schwerer Krankheiten zu leiden. Ihre Kindheit sei durchaus schwierig gewesen, es habe in ihrem Elternhaus auch bereits ein „flexibler Umgang mit der Wahrheit“ geherrscht.

„Sie weiß, was richtig und was falsch ist“

Kastner sieht aber „keinen Hinweis auf eine schwere psychische Erkrankung“ oder eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung und es liege auch keine Minderbegabung vor. „Sie weiß, was richtig und was falsch ist.“ Die Angeklagte werde „über kurz oder lang mit jedem, mit dem sie zusammenlebt, in Konflikte geraten“. Sie werde wohl auch weiterhin „munter irgendwelche Geschichten erfinden“, tätliche Angriffe auf Menschen seien aber nicht zu erwarten, sieht sie keine Voraussetzung einer Einweisung.

26.07.2023, RIED, AUT, Unterwegs in Oberösterreich, PROZESS MORDVERSUCH IM INNVIERTEL, Bild DIE ANGEKLAGTE BEIM BETRETEN DES SCHWURGERICHTSAALES, Pressefoto Scharinger © 2023, PhotoCredit SCHARINGER/DANIEL SCHARINGER
Daniel Scharinger

Medizinische Gründe für von der Angeklagten behauptete Erinnerungslücken sieht die Gutachterin nicht. Erörtert wurde auch die Frage, ob die Tat im Affekt verübt worden sein könnte. Einen Schlafenden zu attackieren, wie es in der Anklage steht, wäre allerdings sehr untypisch für eine Affekttat, so Kastner, denn diese habe eine Vorlaufzeit, in der der spätere Täter immer der Unterlegene ist, bevor ein – oft banaler – Auslöser das Fass zum Überlaufen bringe.

Weiterer Zeuge und Vertagung

Auf Antrag der Verteidigung soll noch ein weiterer Zeuge – der sich allerdings im ersten Rechtsgang entschlagen hatte – einvernommen werden und ein Gutachten zu einer im Umfeld des Hauses gefundenen Rasierklinge in Auftrag gegeben werden. Der Prozess wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.