Landesgericht Ried
ORF.at/Dominique Hammer
APA/KERSTIN SCHELLER
Chronik

Mordversuch: Frau beschuldigte Kind

In Ried im Innkreis muss sich seit Freitag eine 32-Jährige wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. Die Frau aus dem Bezirk Schärding soll ihren schlafenden Ehemann mit einem Messer schwerst verletzt haben. Beim Prozess beschuldigte sie ihr Kind.

Die heute 14-jährige Tochter des Paares hatte damals in der Nacht eine Auseinandersetzung ihrer Eltern gehört. Als sie später ihren verletzten Vater sah, holte die Jugendliche die Rettung. So stand es in der Ermittlungsakte. Am Freitag sagte die Mutter und beschuldigte Ehefrau vor Gericht aus. Dabei leugnete sie den Mordversuch und beschuldigte plötzlich die jugendliche Tochter.

Der Verteidiger strich hervor, dass seine Mandantin bei den Einvernahmen gesagt habe, sie könne sich nicht erinnern, aber sie denke nicht, dass sie töten wollte, weil „ich niemandem wehtue“. Daher gehe sie davon aus, „es nicht gewesen zu sein“. Die 32-Jährige erklärte sich daher für nicht schuldig. Der Verteidiger plädierte für einen Freispruch, seine Mandantin sei unschuldig, vielmehr wolle sie ihre Tochter als Täterin schützen.

Zweifel an Ermittlungsakte

Der Verteidiger meinte, dass „im Akt Sachen übersehen wurden“, und verwies auf unterschiedliche Wahrnehmungen von Polizisten am Tatort. Ein Beamter meinte, die Frau habe beeinträchtigt und sehr müde gewirkt. Einmal habe sie von zwei Stichen am Hals gesprochen. Tatsächlich habe es sich aber um einen oberflächlichen Schnitt gehandelt, so der Verteidiger.

Ihre „Larifari-Aussagen“ seien für ihren Rechtsvertreter kein „eindeutiges Geständnis“: „Der schnellste ist nicht immer der richtige Weg“, hielt er fest. Er vermute sogar einen „Irrweg“, denn er habe den Eindruck, dass die Frau eine Familienangehörige schützen wolle – und dafür ihr eigenes Leben aufgebe. Die damals noch 13-jährige Tochter habe jedenfalls ihren Vater „gehasst“, sagte die Angeklagte unter Tränen. Die Tochter sei es gewesen.

Vater sagte selbst aus

Erst kurz bevor es in den Zeugenstand trat, erfuhr das Opfer, dass seine Frau nun offenbar das gemeinsame Kind der Tat bezichtigt, und meinte darauf: Bisher sei die Angeklagte mit ihren „Lügengeschichten“ – etwa über unzählige lebensbedrohlichen Krankheiten – immer durchgekommen. „Verantwortung hat sie noch nie übernommen“, sagte er vor Gericht. Nun schiebe sie diese der Tochter zu, die zum Zeitpunkt der Tat noch nicht strafmündig war. Damit habe die inzwischen 14-Jährige nichts für ihr künftiges Leben zu befürchten.

Wer ihm in der Tatnacht „die Kehle durchgeschnitten hat“, konnte der Zeuge nicht sagen. Als er den Schnitt bemerkte, habe er im Dunklen nur eine Gestalt „weghuschen gesehen und schnaufen gehört“, erinnerte er sich. Als der Verletzte auf dem Weg ins Wohnzimmer seine Frau fragte, warum sie das gemacht habe, soll sie mit „nassen Augen“ gesagt haben: „Ich war es nicht, ich will nicht, dass du stirbst.“ Die Tatwaffe, wohl ein Cuttermesser, wurde bisher nicht gefunden.

Der behandelnde Arzt aus dem Klinikum Passau, in das der Schwerverletzte in der Nacht eingeliefert wurde, sprach zwar von keinen lebensgefährlichen Verletzungen. Aber wäre der Schnitt „einen Millimeter tiefer“ gegangen, wäre die Hauptschlagader getroffen worden. Letztlich sei die Wunde noch in der Nacht „unter Vollnarkose versorgt worden“.

Medikamente im Gulasch

Laut Anklage wurde der Mann mit Antidepressiva müde gemacht und dem Schlafenden wurde anschließend mit einem Cuttermesser ein Schnitt in den Hals zugefügt. Nur durch Zufall habe das Opfer überlebt. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte die Ehefrau am Freitag, die Tat lange geplant zu haben. Den Angaben zufolge habe die gebürtige Tschechin schon einige Wochen vor der Tat ihre Medikamente, die sie wegen depressiver Verstimmungen einnehme, ihrem Mann ins Essen gemengt, um die sedierende Wirkung zu testen.

Am Tatabend soll sie laut Staatsanwältin die Medizin ins Gulasch gegeben haben, worauf der Mann nach dem Essen erst auf der Couch einschlief und später ins Bett ging. Auch in der Blutprobe des späteren Opfers wurden Spuren der Medikamente festgestellt, hielt die Anklagebehörde fest.

Anfängliches Geständnis

Beim Eintreffen der Polizei in der Tatnacht vergangenen August leistete die Mutter noch Erste Hilfe. Sie gestand in der Folge gegenüber den Beamten die Tat und wurde festgenommen. Als Motiv gab die 32-Jährige bei den Ermittlungen an, dass aufgestaute Wut und Zorn aufgrund langjähriger Beziehungsprobleme zu dem Angriff geführt hätten. Vor Gericht stellten sie und ihr Verteidiger am Freitag die Geschehnisse anders dar.

In der kontradiktorischen Einvernahme, deren Videoaufzeichnung vor Gericht gezeigt wurde, berichtete die Tochter von einem normalen Verhältnis zu beiden Elternteilen. Am Tatabend hätte man gemeinsam zu Abend gegessen, später sei der Vater „nach unten“ ins Schlafzimmer gegangen. Sie hätte mit dem Handy gespielt, ihre Mutter sei später aus dem Raum gegangen. Dann sei „es eh passiert“, sagte sie.

Tochter rief Rettung

Sie habe „den Papa schreien gehört“, danach sah sie, wie die Mutter den Vater, der auf der Stiege zum Erdgeschoss war, zurück ins Bett gelegt habe. Als das Mädchen nach unten ging, sei ihr „vom vielen Blut schlecht geworden“. Daher sei sie in den ersten Stock zu ihren schlafenden Geschwistern gegangen. Davor habe sie noch die Rettung gerufen, „weil es die Mama gesagt hat“.

Laut einer Gerichtssprecherin sollen beim Prozess ein medizinisches sowie ein psychiatrisches Gutachten gehört werden, eine Einweisung oder Unzurechnungsfähigkeit der angeklagten Ehefrau und Mutter stünden aber nicht im Raum. Ein Urteil wird für den zweiten Verhandlungstag am kommenden Dienstag erwartet.