Der Angeklagte von hinten im Gericht
FOTOKERSCHI/WOLFANG HOFER
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Gericht

Teilgeständnis bei Prozess zu Amokfahrt

Ein 42-Jähriger Iraker, der vor einem Jahr in Linz auf seine Frau eingestochen und dann auf der Flucht vor der Polizei zwei Beamte schwer verletzt und mehrere Autos geraubt haben soll, steht jetzt vor Gericht. Bei seiner Befragung zeigte sich der Mann nur teilweise geständig.

Die Staatsanwaltschaft Linz beantragte zu Beginn der Verhandlung die Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum, da der Mann wegen einer psychischen Erkrankung nicht zurechnungsfähig, aber gefährlich sei.

Anklage wegen versuchten Mordes in drei Fällen

„Am 9. Jänner 2023 hatten einige Personen im Umland von Linz großes Glück“, begann der Staatsanwalt seinen Anklagevortrag und relativierte: „Glück im Unglück, dass es keine Toten gegeben hat“, denn durch den Amoklauf wurden mehrere Menschen teils lebensbedrohlich verletzt. Wäre der Iraker zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, müsste er sich wegen versuchten Mordes in drei Fällen, gefährlicher Drohung, versuchten und vollendeten schweren Raubs sowie wegen des Vergehens nach dem Waffengesetz verantworten.

© TEAM FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR

LINZ. Derzeit läuft in Linz eine Alarmfahndung nach einem Mann, der in der Früh seine Frau schwer verletzt haben soll.

Laut ersten Informationen soll der Mann gegen sieben Uhr in einer Wohnung in der Wiener Straße mit einem Messer auf seine 42-jährige Lebensgefährtin eingestochen haben. Der Mann flüchtete, das Opfer konnte noch selbstständig die Polizei verständigen. Die Frau wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. „Der Täter ist bekannt und befindet sich derzeit auf der Flucht“, heißt es seitens der Polizei. Das Paar hat eine Tochter. Ob sich diese zum Tatzeitpunkt ebenfalls in der Wohnung befand, ist noch nicht bekannt.  Laut Nachbarn kam es zwischen dem Täter und der Frau in den vergangenen Jahren immer wieder zu heftigen Streitigkeiten. Quelle: nachrichten.at
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Die Amokfahrt des Irakers hatte einen Großeinsatz der Polizei zwischen Linz und Leonding ausgelöst.

Am Tattag wollte die Noch-Ehefrau des Mannes zur Polizei gehen, um ihn nach einem häuslichen Vorfall wenige Tage zuvor anzuzeigen. Als die Frau und deren Tochter die Wohnung verlassen wollten, stand er plötzlich vor der Tür. Er soll das elfjährige Mädchen mit einem Messer bedroht und die Frau damit attackiert haben. Er habe ihr drei lebensbedrohliche Stichwunden zugefügt und dann versucht sie mit einem selbst gebastelten Strangulationswerkzeug zu erwürgen, schilderte der Staatsanwalt. „Es wäre ihm auch gelungen, wenn die Tochter nicht so beherzt eingegriffen hätte.“ Dem Mädchen gelang es, mit der Hand zwischen den Hals der Mutter und die Schnur zu kommen und rettet der Frau so vermutlich das Leben. Der Angreifer flüchtete daraufhin.

Polizisten angefahren und Sturmgewehr abgenommen

Nach der Attacke am frühen Morgen machte sich der Iraker auf den Weg zu einem Arbeitskollegen seiner Frau, den er als Nebenbuhler ansah. „Ich bringe dich um“, ließ er diesen wissen und deutete an, er habe eine Pistole. In Wirklichkeit hatte er – noch – keine Schusswaffe, aber zwei Messer dabei. Es blieb hier aber bei der Drohung. Im Umland von Linz waren zu diesem Zeitpunkt bereits zahlreiche Polizisten in schwerer Schutzausrüstung positioniert. Auf seiner Flucht soll der 42-Jährige auf einen Kontrollposten zugerast sein. Eine Polizistin konnte noch zur Seite springen, wurde aber schwer am Fuß verletzt. Ihr Kollege wurde frontal vom Wagen des Amokläufers erfasst und lebensgefährlich verletzt. Dem bewusstlosen Beamten habe der Mann dann sein Sturmgewehr abgenommen, schilderte der Staatsanwalt, wie sich die Situation weiter zuspitzte.

Unfall mit geraubtem Fahrzeug

Mit der Polizeiwaffe soll der Mann einem anderen Verkehrsteilnehmer das Auto geraubt haben. Dies gelang erst beim vierten Versuch, denn eine Lenkerin weigerte sich, zwei weitere Autos konnte der Iraker nicht starten, mit dem vierten setzte er seine Flucht fort – allerdings nur wenige hundert Meter. Dann baute er einen Unfall. Er habe dann neuerlich versucht ein Auto zu rauben. Als sich der Lenker weigerte, habe er das Sturmgewehr repetiert, dank einer Ladehemmung habe er aber keinen Schuss abgeben können, so der Staatsanwalt. Da mittlerweile ein Großaufgebot an Einsatzkräften um den neuen Tatort Aufstellung genommen hatte, gelang es aber schließlich, ihn festzunehmen – gut fünf Stunden nach der Attacke auf seine Frau.

Angeklagter: „Wollte Frau von Scheidung abbringen“

Der Betroffene war nur in wenigen Punkten geständig. Er habe seine Frau von ihren Scheidungsplänen abbringen wollen und drei Messer mitgehabt – eines um sich selbst zu töten und zwei zur Verteidigung, falls in der Wohnung ein Mann gewesen wäre, gegen den er sich hätte verteidigen müssen. Er habe die Frau nicht umbringen wollen, beteuerte er, gab aber zu, sie mit dem Messer attackiert zu haben. „Ich wusste nicht, ob ich sie wirklich gestochen habe“, behauptete er. Die Stiche gingen laut Gerichtsmedizin in Brust, Bauch und Oberarm und waren teils lebensgefährlich. Er bestritt auch, seiner Stieftochter das Messer an den Hals gehalten – „es ist unmöglich, dass ich so etwas mache“ – und seine Frau gewürgt zu haben. Die Schnur, von der der Staatsanwalt gesprochen habe, sei ein Katzenspielzeug gewesen, das in der Wohnung lag.

Mann verwies auf Erinnerungslücken

Auf die Polizisten sei er zugefahren, weil er gedacht habe: „sie erschießen mich“, auch das Sturmgewehr habe er nur genommen, um sich selbst das Leben zu nehmen, behauptete er. Außerdem habe er vor der Tat getrunken – „eine Flasche Wein und fünf Bier“ zwischen 4.00 und 6.30 Uhr früh. Immer wieder – vor allem wenn er auf Widersprüche in seinen Aussagen und zu Zeugenaussagen aufmerksam gemacht wurde – sagte er: „Ich bin psychisch krank“ und verwies auf Erinnerungslücken.

Aussage der Frau wurde per Video eingespielt

Seine Noch-Ehefrau war im Vorfeld kontradiktorisch einvernommen worden. Ihre Aussagen wurden via Video vorgespielt, um ihr ein Erscheinen vor Gericht zu ersparen. Sie schilderte ihn als sehr eifersüchtig. Er sei auch immer wieder beleidigend, teils auch gewalttätig gewesen, sie war deswegen in Kontakt mit dem Gewaltschutzzentrum. Nach der Trennung sei er immer wieder in ihrer Nähe aufgetaucht, habe sich etwa auf dem Dachboden versteckt und sei im Stiegenhaus plötzlich hinter ihr gestanden, und er habe sie auch „non-stop“ mit wechselnden Telefonnummern angerufen.

Tochter kam Mutter zu Hilfe

Am Tattag wollte sie mit ihrer Tochter zur Polizei gehen und ihn anzeigen, weil er sie nicht in Ruhe ließ. An die Tat selbst könne sie sich nur bruchstückhaft erinnern. Sie wisse aber noch, dass er sie mit dem Messer gestochen und danach auf einem Bett gewürgt habe. Ihre Tochter habe „irgendwas gemacht und ich war wieder frei“. Am Bett sei das Messer gelegen, das sie außer Reichweite geworfen habe, und ein Handy, mit dem sie den Notruf wählte. Daraufhin sei ihr Mann geflüchtet.

Der Prozess ist wegen vieler Gutachten für zwei weitere Tage anberaumt. Er wird am 30. Jänner und 1. Februar fortgesetzt.