Landesgericht Staatsanwaltschaft WEls
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Chronik

Baby starb nach Geburt: Prozess vertagt

Der Prozess in Wels gegen einen Gynäkologen, der sich nach dem Tod eines Neugeborenen im Vöcklabrucker Spital vor zwei Jahren wegen grob fahrlässiger Tötung und grob fahrlässiger Körperverletzung verantworten muss, ist am Abend vertagt worden. Es sollen noch neue Zeugen gehört werden.

Am 27. Februar wird die Verhandlung fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 64-Jährigen vor, ein für die Risikopatientin gefährliches Medikament zur Geburtseinleitung verwendet zu haben.

Riss der Gebärmutter bei Entbindung

Bei der Entbindung im Dezember 2021 kam es zu einem Riss der Gebärmutter, der eine Notoperation notwendig machte. Das Baby starb wenige Tage nach der Geburt aufgrund der dabei erlittenen Gehirnschäden. Bei der Mutter kam es zu großem Blutverlust. Der Staatsanwalt führte aus, dass die Patientin als Risikopatientin galt, weil bei ihrer ersten Entbindung im Jahr 2019 ein Notkaiserschnitt durchgeführt werden musste.

Ursprünglich war auch für die zweite Entbindung ein Kaiserschnitt vorgesehen, die Patientin habe sich jedoch für eine natürliche Geburt entschieden, während des Geburtsvorgangs aber wieder eine Sectio verlangt. Der Angeklagte, seit 1994 Facharzt der Gynäkologie, sagte aus, dass er das nicht mitgeteilt bekommen habe. „Wenn die Patientin um 18.00 Uhr zu mir gesagt hätte, sie will einen Kaiserschnitt, dann hätte ich das organisiert“, betonte der Mediziner, die Patientin habe ihn aber selbst nie darum gebeten.

Patientin laut Anklage mangelhaft aufgeklärt

Die Anklagebehörde warf ihm vor, dass die Patientin mangelhaft aufgeklärt wurde und ein Medikament erhalten habe, das bei Risikopatientinnen mit einer Kaiserschnittnarbe die Gefahr einer Uterus-Ruptur erhöhe. „Wichtigster Punkt: Der Angeklagte hat die dem Geburtsrisiko adäquate fachärztliche Betreuung unterlassen.“ Der Mediziner gab an, dass er sich am Stationsstützpunkt regelmäßig über den Zustand informiert habe und telefonisch mit der Hebamme in Kontakt gewesen sei.

Der Angeklagte führte aus, dass er mit dem betreffenden Medikament die Wehentätigkeit der Patientin „anschubsen“ wollte. Das habe er sich aufgrund der Aufzeichnungen aus der ersten Entbindung der Patientin getraut. Er „habe den Usus des Hauses übernommen“, eine halbe Tablette der Arznei anzuordnen. Er bezweifelte, dass die Wirksamkeit des Medikaments, das er um 10.00 Uhr am Vormittag gegeben hätte, zum Zeitpunkt der Uterus-Ruptur am Abend noch vorhanden gewesen sei. Die Wehentätigkeit hätte er dann in regelmäßigen Abständen überwacht.

„Kann mich inhaltlich nicht mehr erinnern“

Bei Voruntersuchungen habe er sich auf erfahrene Hebammen verlassen, die er gut kenne. Er habe „ausführlich mit der Patientin gesprochen, kann mich aber inhaltlich nicht mehr erinnern“. Er sei an diesem Montag aber auch für die Station und Aufnahmen zuständig gewesen, außer der Risikopatientin seien drei weitere Gebärende auf der Station gewesen. Bei der Patientin wurde eine Vakuum-Geburt begonnen, die dann in einem Notkaiserschnitt endete. „Ex post gesehen“ hätte er früher eine Sectio gemacht, „weil man nachher immer gescheiter ist“, räumte er auf die Frage des Privatbeteiligtenvertreters ein.

Dass die Patientin über das erhöhte Risiko einer Uterus-Ruptur bei der Gabe des Medikaments nach einer Sectio aufgeklärt worden sei, „ergibt sich aus den Aufklärungsbögen und aus Gesprächen mit Kollegen“. Ein Aufklärungsbogen über geburtseinleitende Maßnahmen konnte vom Staatsanwalt in der Krankengeschichte nicht gefunden werden. „Das ist jetzt Usus, damals war es das nicht“, so der Angeklagte.

Verteidiger: „Jahrelang gewissenhafter Geburtshelfer“

Der Verteidiger berief sich für seinen Mandanten auf den Vertrauensgrundsatz zwischen den mit der Behandlung betrauten Personen, er sei „jahrelang gewissenhafter Geburtshelfer, den man holte, wenn es brenzlig wurde“. Ein Gebärmutter-Riss sei selten, er habe bei 350 bis 400 Geburten, die er pro Jahr begleite, bisher vier gesehen. Bei der Patientin habe sich eine Uterus-Ruptur nicht abgezeichnet. Das Geschehene habe er „intensiv nachbereitet“ mit einem Gedächtnisprotokoll und Gesprächen. „Ich will was lernen draus, bin furchtbar betroffen von dem Ausgang, bin am Boden zerstört. Mir tut das unfassbar leid“, sagte der 64-Jährige.

Zeugin: „Frau nicht ausdrücklich informiert worden“

Hebammen, die als Zeuginnen geladen waren, berichteten, dass die werdende Mutter nicht ausdrücklich auf einen Kaiserschnitt gedrängt habe. Nach der nächtlichen Aufnahme im Spital hätte sich die Hochschwangere in der Früh enttäuscht gezeigt, dass doch keine Wehen einsetzten. Daraufhin habe sie um eine Geburtseinleitung gebeten, gab eine Hebamme an. Die Frau habe dann besagte halbe Tablette erhalten. Allerdings sei sie nicht ausdrücklich informiert worden, dass dieses Medikament nach einer früheren Sectio nicht eingenommen werden dürfe, räumte die Zeugin auf Nachfrage des Staatsanwaltes ein. Zwei Stunden später setzten jedenfalls die Wehen ein und die Frau kam in den Kreißsaal, „entschlossen, vaginal zu entbinden“. Danach habe eine andere Hebamme die Betreuung übernommen.

Vertagung wegen aktueller Schwangerschaft

Die Verteidigung beantragte nach den Zeugenaussagen noch die Ladung einer Ärztin, die belegen könne, dass die Hochschwangere über die Risiken „ausführlich“ informiert worden sei, sowie der betroffenen Frau. Deren Erscheinen vor Gericht ist fraglich, da sie derzeit erneut schwanger ist, und laut einer Psychologin stelle dies eine Gefährdung für Mutter und Kind dar. Darauf wurde vertagt.