Wirtschaft

Borealis-Düngemittel-Verkauf: Chance für Chemiepark Linz?

Der geplante Verkauf der Linzer Borealis Düngemittelsparte an den tschechischen Chemiekonzern Agrofert spaltet weiterhin die Meinungen. Eine Übernahme könnte auch als Chance gesehen werden, so die Einschätzung eines Kenners der Branche.

Nachdem der Niederösterreichische Bauernbund eine für Kartellrechtsverfahren bekannte Kanzlei involviert und eine Prüfung durch Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) im Rahmen des Investitionsschutzgesetzes gefordert hatte, kann eine Übernahme auch als Chance gesehen werden, wie das Gespräch mit einem Insider zeigt.

Zeitweise Stilllegung unwahrscheinlich

Die Sorge, dass das Werk in Linz periodisch stillgelegt werden könnte, sieht ein Geschäftsführer eines Chemiepark-Unternehmens, der namentlich nicht genannt werden will, im Gespräch mit der APA nicht begründet. Bei einem kolportierten Kaufpreis von 810 Mio. Euro sei es unwahrscheinlich, dass das Werk einfach abgeschaltet werde. Außerdem gebe es vielfältige vertragliche Verpflichtungen, denen die Käufer nachzukommen hätten, um nicht für Schadenersatz aufkommen zu müssen. Auch vom technischen Aspekt her sei es wirtschaftlich nicht sinnvoll, ein Werk dieser Größe wiederholt auszuschalten und wieder hochzufahren.

Wieder mehr Investitionen möglich

Weil Borealis auch schon länger die Linzer Düngemittelsparte verkaufen will, seien an dem Standort manche Investitionen ausgeblieben, was sich unter neuen Besitzern wohl ändern würde, vermutet der Unternehmenschef. Für den Chemiepark als Industriestandort könnten durch den Verkauf sogar Vorteile entstehen. Aktuell gebe es keine zentrale Verwaltung, weshalb Einzelabsprachen mit fast allen ansässigen Unternehmen notwendig seien. Ein etwaiger Verkauf könne aber den Weg für ein zentralisiertes Verwaltungsorgan oder ein Unternehmen ebnen, welches sich hauptsächlich diesen administrativen Aufgaben widmet.

Anderer Branchenkenner spricht von „Desaster“

Ralph Rosenhain, pensionierter technischer Einkaufsleiter der ehemaligen Agrolinz, heute „Borealis Agrolinz Melamine“, sieht den Verkauf hingegen als „Desaster“, die oberösterreichische Industriepolitik als enttäuschend. Gerade in diesen Zeiten könne man nicht ernsthaft darüber nachdenken, noch mehr Grundstoffproduktionen auszulagern oder ins Ausland zu veräußern. Seiner Meinung nach würde Agrofert in Linz nur investieren, wenn sich die Düngemittel- und Melaninpreise auf einem nachhaltig hohen Niveau befinden.

Diese Märkte seien aber extrem volatil und könnten innerhalb nur weniger Wochen komplett einbrechen. Auch mit dem Agrofert-Eigentümer, Tschechiens Ex-Ministerpräsident Andrej Babis, hat er Erfahrung. So habe er zugesehen, wie dessen Manager ein großes Chemiewerk in Deutschland dezimiert und kleingespart hätten, sagt er. Den Verkauf kritisiert er aufs Schärfste, unter anderem weil dadurch die Zusammenarbeit und viele Arbeitsabläufe nachhaltig gestört werden könnten. Das Fortbestehen des Firmenverbunds würde von einem in Managerkreisen nicht für seine Zuverlässigkeit bekannten Besitzer abhängig gemacht, befürchtet Rosenhain.

Keine detaillierten Angaben zu Verkaufsbedingungen

Andere im Chemiepark ansässige Firmen haben keine offiziellen Aussagen zur Verfügung gestellt. Von Borealis selbst wurde zwar der Wert des Angebots der Agrofert bestätigt, darüber hinaus wollte man aber keine detaillierten Angaben zu den geplanten Verkaufsbedingungen machen.