Die meisten Infektionen seit Mittwoch der vergangenen Woche wurden im Umfeld des Clusters mit der „Gemeinde Gottes – Pfingstkirche“ (nicht wie zuvor berichtet, mit der „Freien Christengemeinde“) bekannt. „Wir hoffen, dass wir diesen Cluster eindämmen können“, so Stelzer. Dass man zu spät gehandelt habe, da ja die AGES bereits am vergangenen Freitag einen Zusammenhang mit den steigenden Infektionszahlen und der rumänisch-sprachigen Christengemeinschaft hergestellt habe, ließ Stelzer nicht gelten. Man habe die Infektionen „ganz genau verfolgt“ und sei den Fällen bis in die Schulen und Kindergärten nachgegangen. Die Mitarbeiter des Landes sein „von Beginn weg“ jedem einzelnen Fall „konsequent“ nachgegangen.
Dass Schulen, Kindergärten sowie Betreuungseinrichtungen in fünf Bezirken – Linz Stadt, Linz-Land, Wels Stadt, Wels-Land und Urfahr-Umgebung – erst ab Freitag gesperrt werden, begründete Stelzer damit, dass man den Menschen „organisatorisch“ die Chance geben will, „sich auf diese Situation einzustellen“. Stelzer appellierte, in geschlossenen Räumen weiter Masken zu tragen. Veranstaltungen sollen in den fünf Bezirken bis auf Weiteres unterbleiben. Das Landestheater Linz hat noch am Mittwoch in einer Aussendung bekanntgegeben, dass „man in seiner Vorbildfunktion als Landeseinrichtung nachkommt und die kommenden Veranstaltungen ab sofort und bis zum Spielzeitende abgesagt sind“.
1.383 Personen in Quarantäne
1.383 Personen waren laut Krisenstab des Landes Oberösterreich am Donnerstag (8.00 Uhr) in Quarantäne, 231 an Covid-19 erkrankt. Dass in Oberösterreich zu wenig getestet worden sei, ließ Stelzer nicht gelten: Es sei „in jedem Fall“ eine Testung erfolgt, „wo Symptome aufgetreten sind“. Zudem sei die oberösterreichische Teststrategie mit dem Bund abgestimmt, so der Landeschef: „Wir setzen um, was uns das Gesundheitsministerium vorgibt.“ Stelzer kündigte an, dass nun noch einmal in allen Pflege- und Altenheimen ein Test-Durchlauf gestartet werden soll.
Lungenspezialist: „Lage sehr ernst zu nehmen“
Auch der Linzer Lungenspezialist Bernd Lamprecht bezeichnete den neuerlichen Covid-19-Ausbruch als „Schuss vor den Bug“. Es zeige sich, wie rasch Fallzahlen beim Nicht-Einhalten von Präventionsmaßnahmen wieder steigen können. Die Lage sei „zumindest sehr ernst zu nehmen“, so Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Linzer Universitätsklinikum.
Sorge über Grenzöffnungen
Die Bekämpfung von Covid-19 sei kein 100-Meter-Lauf, sondern ein Marathon, so Lamprecht. Neben den gestiegenen Fällen in Oberösterreich bereitet ihm auch die Grenzöffnung Sorgen. „Die Grenzöffnung wird es uns wesentlich schwieriger machen, Kontakte bis zu ihrem exakten Ursprung nachzuverfolgen“, so Lamprecht.
Abstand und Maske
Umso wichtiger sei, weiterhin einfache Regeln einzuhalten: neben dem Abstand in der Größe des schon bekannten Babyelefanten vor allem, einen Mund-Nasenschutz zu tragen, der nicht nur andere, sondern sehr wohl auch den Träger selbst schütze. „Weil eben die Berührung an diesen Stellen wegfällt und weil Tröpfchen eben nicht direkt auf Mund oder Nase treffen können, bieten sie absolut auch für den Träger einen Schutz“, so Lamprecht.
Impfstoff erst im kommenden Jahr
Einen wirksamen Impfstoff werde es wohl erst im kommenden Jahr geben. „Circa 150 Impfstoffe sind parallel in Entwicklung, dennoch ist es nicht seriös, zu sagen, dass wir in diesem Jahr noch einen Impfstoff haben werden.“ Daher müsse man die Bevölkerung darauf vorbereiten, ohne Impfstoff über den Winter und zusätzlich durch die nächste Grippewelle zu kommen. Gegen die Grippe gebe es jedoch eine Impfung, von der man auch Gebrauch machen solle, so Lamprecht.
Enge, geschlossene Räume als Gefahr
Nach den Lockerungen habe man Anfang Juni noch vom gewissenhaften Einhalten der Maßnahmen zur sozialen Distanzierung in den Wochen davor profitiert. Wenn sich Menschen weniger daran halten und vor allem längere Veranstaltungen mit vielen Leuten in engen, geschlossenen Räumen abgehalten werden, sei der Verbreitung Tür und Tor geöffnet, wenn sogenannte „Superspreader“ anwesend seien. Neben dem Schutz für andere und in gewissem Ausmaß für einen selbst wirke das Tragen von Masken auch als Erinnerung zum Einhalten der Maßnahmen. Diese psychologische Komponente „täte uns zur Zeit gut“, so der Mediziner.
“Durchaus gute“ Chancen für Erfolg der neuen Maßnahmen
Die Chancen, dass man mit den nun in Oberösterreich gesetzten Maßnahmen der Situation wieder Herr wird, bezeichnete Lamprecht als „durchaus gut“. Es müsse gelingen, hier nun „rechtzeitig Tempo herauszunehmen“, um auch eine „Vollbremsung“ im Sinne eines erneuten, umfassenderen Lockdowns zu vermeiden. Meide man weiter größere Veranstaltungen und halte die Präventionsmaßnahmen ein „kommen wir auch sicher über den Sommer“, so Lamprecht.
“Zu locker genommen“
Für den Rektor der Uni Linz, Meinhard Lukas, ist die nunmehrige Fall-Häufung im oberösterreichischen Zentralraum auch ein Anzeichen dafür, dass viele Menschen die Situation in letzter Zeit „locker genommen“ hätten. Nun gelte es, „rasch konsequent zu reagieren“, um dann auch wieder rasch lockern zu können. Man müsse auch vielfach den Hausverstand wieder einschalten, denn die Verbreitungswege des Virus seien hinlänglich bekannt.
Präsenzprüfungen werden eingeschränkt
An der Uni Linz reagiert man auf die geänderten Umstände nun, indem man den in Ausnahmefällen wieder anfahrenden Präsenzprüfungsbetrieb wieder einschränkt, wie Vizerektor Stefan Koch erklärte. Man werde vereinzelt auch Prüfungen verschieben müssen und sei diesbezüglich mit den Studentenvertretern in Kontakt.
NEOS: Schließung von Schulen inakzeptabel
NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger kritisierte am Donnerstagvormittag das oberösterreichische Krisenmanagement und forderte eine ordentliche Teststrategie und Transparenz. „Wir wissen, dass Kinder nicht die Hauptüberträger dieser Krankheit sind“, sagte Meinl-Reisinger. Doch obwohl Gottesdienste, Chorproben und Bars als „Superspreader-Events“ bekannt seien, habe Oberösterreich die Schulen geschlossen, für Indoor-Veranstaltungen die Absage aber nur empfohlen. „Ich finde es inakzeptabel, wie diskussions- und kritiklos Kinderbetreuung und Bildung ins Private verschoben werden. Ohne Evidenz, ohne Grund und mit der vollen Belastung der Frauen“, kritisierte Meinl-Reisinger.
Gerade in Bildungseinrichtungen müssten die Ergebnisse rasch vorliegen. Außerdem verwies Meinl-Reisinger darauf, dass die Regierung ihr selbst erklärtes Ziel von 15.000 Tests pro Tag nicht erreicht hat. „Da ist viel versprochen, aber nicht gehalten worden“, so Meinl-Reisinger. Und: „Ich sehe überhaupt nicht ein, dass es möglich ist, die Formel 1-Mitarbeiter alle drei Tage zu testen, aber Kinder, Eltern und Lehrer warten tagelang auf den Test.“
Bundesweite Zahlen des Ministeriums
Die aktuellen bundesweiten Zahlen zu den gesamten positiven Testungen auf das Coronavirus können jederzeit unter dem folgenden Link auf der Website des Sozial- und Gesundheitsministeriums abgerufen werden:
- Amtliches Dashboard COVID19 (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz)