Alexander Van der Bellen in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen
APA/BUNDESHEER/PETER LECHNER
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Chronik

Mauthausen „offene Wunde in der Geschichte“

Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen spricht Bundespräsident Alexander Van der Bellen von einer „offenen Wunde in der Geschichte Österreichs“. Am Dienstagvormittag legte er in der menschenleeren Gendenkstätte einen Kranz nieder.

„Fassungslos – auch heute noch – und voll Scham verneigen wir uns vor den Opfern von damals“, so der Bundespräsident in seiner Videobotschaft: „Voll Demut bekennen wir ein, dass wir das Geschehene nicht ungeschehen machen können. Und auch wenn die Nachgeborenen keine Schuld trifft – Verantwortung müssen wir dennoch übernehmen.“

Alexander Van der Bellen in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen
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Die Videobotschaft war notwendig geworden, weil die traditionelle Mauthausen-Befreiungsfeier heuer zwar wie immer am 10. Mai stattfand, wegen der aktuellen Pandemie aber nur online auf der Website des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ). In der beinahe menschenleeren KZ-Gedenkstätte legte der Bundespräsident am Dienstagvormittag einen Kranz nieder.

Kranz des Bundespräsidenten in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen
fotokerschi.at/kerschbaummayr

Am Anfang sei das Schweigen und das Wegschauen angesichts von Antisemitismus und Rassismus gestanden. „Mauthausen ist nicht vom Himmel gefallen. Der Holocaust war der grausame Endpunkt“, sagt Van der Bellen in seiner Videobotschaft.

„Mauthausen ist eine Mahnung“

„Viele Österreicher waren Täter. Österreich bekennt sich zu seiner Mitschuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus“, betonte der Bundespräsident. Für die Verfolgten und Ermordeten sei Mauthausen ein Symbol ihrer Leiden. „Mauthausen ist eine Mahnung. Mauthausen ist das steingewordene ‚Niemals wieder!‘.“ Heute bedeute dies, dass es keine Toleranz gegenüber Rassismus und Antisemitismus geben dürfe. „Die Menschenwürde ist unteilbar“, so Van der Bellen.

Von 1938 bis zur endgültigen Befreiung des KZ am 7. Mai 1945 durch die 11. Panzerdivision der Dritten US-Armee kamen nach Mauthausen 200.000 Gefangenen, die Hälfte von ihnen überlebte die NS-Vernichtungsmaschinerie nicht.

KZ-Gedenkstätte Mauthausen
fotokerschi.at/kerschbaummayr

Kurz: „Verantwortung der Geschichte stellen“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erinnerte an die historische Verantwortung Österreichs „für die dunkelsten Seiten der Geschichte“. „Mauthausen steht wie kein zweiter Ort in unserem Land für die Schrecken des NS-Terrorregimes. Umso wichtiger ist es, sich auch heute der Verantwortung der Geschichte zu stellen. Wir erinnern uns daran, dass Österreicherinnen und Österreicher nicht nur Opfer, sondern auch Täterinnen und Täter waren“, bekräftigte der Kanzler. „Unsere Verantwortung gilt den 100.000 Menschen, großteils jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Mauthausen zum Opfer fielen. Menschen mit Behinderung, Roma und Sinti, Homosexuelle, Widerstandskämpfer und Menschen mit anderen Meinungen verloren an diesem Schicksalsort für Österreich ihr Leben. Ihnen allen sind wir in der Pflicht“, sagte Kurz abschließend.

Stelzer: Keinerlei Toleranz gegenüber Ausgrenzung

Das Konzentrationslager Mauthausen stehe für unvorstellbares Leid, unsäglichen Hass und sei das Ergebnis einer menschenverachtenden Politik gewesen, sagte Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) am Dienstag: „Es liegt in unserer Verantwortung, die Erinnerungen daran wachzuhalten und die Worte der Überlebenden tief in unserem Bewusstsein zu verankern, damit sich solch grausame Taten niemals wiederholen.“ Das Konzentrationslager Mauthausen sei nicht über Nacht gekommen. „Am Anfang standen Ausgrenzung, Rassismus und Ablehnung politisch Andersdenkender“, so Stelzer. Deshalb gebe es für ihn „keinerlei Toleranz gegenüber solchen Tendenzen in einer Gesellschaft. Solchen Entwicklungen gelte es immer den Nährboden zu entziehen und dagegen mit aller Kraft anzukämpfen“.

Grüne für Kasernenumbenennung in Kärnten

Die die gedenkpolitische Sprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, schlug am Dienstag vor, der Windisch-Kaserne in Klagenfurt (bisher benannt nach Ritterkreuzträger Alois Windisch) den Namen des kürzlich verstorbenen Wehrmachtsdeserteurs Richard Wadani zu geben. Wadani, der maßgeblich an der Anerkennung der Verfolgten der NS-Justiz in den 1990er-Jahren beteiligt war, zählte als Mitglied der Tschechoslowakischen Exilarmee in Großbritannien zu den tatsächlichen Befreiern, argumentierte Blimlinger in einer schriftlichen Stellungnahme: „Im Sinne eines zukunftsbezogenen Geschichtsbewusstseins würde ich mich sehr freuen, wenn eine österreichische Kaserne nach einem Deserteur aus der deutschen Wehrmacht benannt werden würde.“

Buchmayr: „Warnung vor unsagbaren Gedankengut“

Für die Grüne Rechtsextremismussprecherin Maria Buchmayr ist der Befreiungstag „einmal mehr auch Mahnung und Warnung vor einem unsagbaren Gedankengut, das eine Vernichtungsstätte wie das KZ Mauthausen hervorgebracht hat“.

Rendi-Wagner: „Menschlichkeit ist unsere Pflicht“

„‘Niemals vergessen‘ bleibt stets unser Auftrag. Vergessen wir nicht, dass der Nationalsozialismus in vielen kleinen Schritten kam – am Anfang standen Ausgrenzung und Diffamierung, Entmenschlichung war die Folge. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass es die Verantwortung von uns allen ist, dass sich die schlimmsten Gräueltaten in unserer Geschichte nicht wiederholen. Menschlichkeit ist unsere Pflicht. Niemals vergessen, heißt Menschlichkeit bewahren“, so SPÖ-Bundesparteivorsitzende, Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. Das Gedenken an die Mauthausen-Befreiung zeige auch, dass eine offene und solidarische Gesellschaft nichts Selbstverständliches ist.

Hofer: Keinen Nährboden für Extremismus bieten

FPÖ-Parteichef Norbert Hofer bezeichnete die Mauthausen-Befreiung durch Soldaten der Alliierten als Warnung. „Vor 75 Jahren wurde ein Schreckensregime in die Knie gezwungen“, betonte der Dritte Präsident des Nationalrates. „Wir alle müssen daran arbeiten, dass sich dieses dunkle Kapitel der Geschichte nicht mehr wiederholen kann.“ Wer heutzutage in der Politik tätig ist, trage „die große Verantwortung und Verpflichtung, immer darauf zu achten, dass Respekt im Mittelpunkt der politischen Arbeit stehen“. Die Politik müsse jene Rahmenbedingungen schaffen, die Extremismus und Verführungen keinen Nährboden bieten.

Meinl-Reisinger: Gegen jede Art von Ausgrenzung eintreten

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger stellte neben das Gedenken an die Opfer des NS-Regimes einen Vergleich mit der Gegenwart. „Mauthausen konnte passieren, weil sich Österreicherinnen und Österreicher gegen ihre eigenen Nachbarinnen und Nachbarn sowie Freundinnen und Freunde gewandt haben“, erklärte sie. Es gelte, „jeden Tag überzeugt gegen jede Art von Ausgrenzung, Einschränkung von Rechtstaatlichkeit und Menschenrechten einzutreten – ganz besonders in schwierigen Zeiten, in denen es leicht ist, in alte Muster zu verfallen und Sündenböcke zu suchen“.