Nur etwa jedes zweite Kind hat im Kindergarten eine Betreuung, die den Eltern eine Vollzeit-Berufstätigkeit ermöglicht. Das geht aus dem am Dienstag präsentierten ersten Monitoring-Bericht der Statistik Austria zur elementaren Bildung hervor. Dabei gibt es große Unterschiede nach dem Alter der Kinder bzw. nach Bundesländern. Mit Abstand am höchsten ist die sogenannte VIF-Konformität der Plätze in Wien, am geringsten in Ober- und Niederösterreich.
Damit Eltern auch Vollzeit arbeiten können, sollen laut dem Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf (VIF) Einrichtungen wöchentlich mindestens 45 Stunden, werktags von Montag bis Freitag sowie an vier Tagen davon zumindest 9,5 Stunden geöffnet haben. Ganzjährig sollen sie mindestens an 47 Wochen geöffnet haben, die Kinder müssen außerdem mit einem Mittagessen versorgt sein.
Raab: „Hat sich viel getan, aber noch nicht genug“
Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) sagt am Dienstagvormittag bei der Präsentation der ersten bundesweiten Erhebung im Bereich des Kinderbetreuungsangebots, es habe sich in den vergangenen Jahren viel getan in Österreich, das sei aber nicht genug. Der Ausbau müsse schneller gehen, damit Eltern eine „echte Wahlfreiheit“ haben, die jetzt noch nicht gegeben sei. Gemeint ist die Wahlfreiheit für Eltern, ob sie wieder Vollzeit arbeiten gehen oder nicht. Und die ist besonders in Oberösterreich nicht gegeben, wie aus den Zahlen hervorgeht.
Neu sind diese Zahlen grundsätzlich nicht – sie wurden schon bisher in der Kindertagesheimstatistik der Statistik Austria ausgewiesen. Mit dem neuen Monitoring werden aber die Daten bis auf die Bezirksebene sowie auch Zeitverläufe dargestellt. Außerdem werden die Zahlen nicht nur nach Altersgruppen aggregiert, sondern für jedes Alter auch gesondert ausgewiesen, so Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.
Raab verwies auf die von der Regierung zur Verfügung gestellten 4,5 Mrd. Euro bis 2030 für den Ausbau bzw. die Verbesserung der Kinderbetreuung.Diese sei von der Kompetenz her aber Länder- bzw. Gemeindesache. Bereits in den vergangenen Jahren habe sich hier viel getan – als Beispiel nannte sie Oberösterreich, das zuletzt die Gehälter für das Kindergartenpersonal erhöht habe.
Konkret sind in Wien 91 Prozent der Plätze für Drei- bis Fünfjährige VIF-konform. Im Burgenland sind es 73 Prozent, in Salzburg 48 Prozent, in der Steiermark 47 Prozent, in Tirol 46 Prozent, in Vorarlberg 45 Prozent, in Kärnten 39 Prozent, in Oberösterreich 28 Prozent und in Niederösterreich 26 Prozent.
Krabbelstuben: Öffnungszeiten erlauben kaum Vollzeitjob
Oberösterreich ist demnach bei allen Aspekten der Kinderbetreuung auf den hinteren Rängen zu finden. In keinem anderen Bundesland war das Angebot in Krabbelstuben und Kindergärten zuletzt noch so schlecht ausgebaut. Obwohl die Nachfrage offenbar da ist: Rund 45 Prozent der Zweijährigen waren im vergangenen Jahr betreut, etwa in einer Krabbelstube – Tendenz steigend. Die Öffnungszeiten und vor allem die Ferienöffnung seien aber so schlecht, dass ein Vollzeitjob kaum möglich ist. Hier hat Oberösterreich in den vergangenen Jahren auch keinerlei Verbesserungen erzielen können.
Ähnliche Situation auch in Kindergärten gegeben
Ähnlich sei auch die Situation in den Kindergärten. Nicht einmal 28 Prozent der Fünfjährigen besuchen einen Kindergarten, bei dem die Eltern Vollzeit arbeiten könnten. Zum Vergleich: Im Burgenland sind es 73 Prozent.
Vor allem am Land lassen die Öffnungszeiten zu wünschen übrig. Während in Linz und Wels 70 Prozent der Kindergartenplätze einen Vollzeitjob möglich machen, sind es in den Bezirken Braunau, Vöcklabruck und Grieskirchen nicht einmal sieben Prozent.
Haberlander: „Altdaten zeigen Notwendigkeit des Pakts“
Die zuständige Landeshauptmannstellvertreterin Christine Haberlander schreibt in einer Reaktion, dass diese Daten „die Situation vor dem ‚Pakt für das Kinderland‘ reflektieren“ würden und zeigen würden wichtig dieser sei. Zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung seien bereits umgesetzt worden, so Haberlander, ein weiterer Schritt folge im September, mit der kostenlosen Vormittagsbetreuung auch für unter Dreijährige.
Forderungen von SPÖ, Grüne und NEOS
Mit 83 Millionen Euro aus dem Finanzausgleich für Elementarpädagogik sei Oberösterreich verpflichtet die Betreuungsquote der Unter-Drei-Jährigen bis inklusive 2028 um fünf Prozent zu heben oder die Zielquote von 38 Prozent zu erreichen, so die SPÖ. Der Landesparteivorsitzende Michael Lindner schreibt, dass man mit dieser Minimalvorgabe weiter am Tabellenende bleiben würde, der Anspruch müsse jedoch eine tatsächliche Trendwende sein.
Die Grünen unterstreichen in einer Reaktion den „großen Aufholbedarf“, den es den Daten nach, im ländlichen Regionen gebe. Um Eltern Vollzeittätigkeit zu ermöglichen, müssen VIF-konforme Einrichtungen forciert werden, so Bildungssprecher Reinhard Ammer, und kritisiert die schwarz-blaue Landesregierung, die sich auf die Halbtagsbetreuung konzentriere.
Kritik kommt auch von NEOS. Das System müsse für Eltern – insbesondere Frauen – „aktiv Unterstützung bieten und echte Wahlfreiheit ermöglichen“, so Bildungssprecherin Julia Bammer. Sie fordert etwa eine Bedarfserhebung gleich nach der Geburt.
Dieser Beitrag begleitet die Sendung „Radio OÖ Mittagsjournal“, ORF Radio OÖ, 23.4.24