Dietmar Kerschbaum
TEAM FOTOKERSCHI / KERSCHBAUMMAYR
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Kultur

Brucknerhaus-Intendant freigestellt

Der Künstlerische Leiter der Linzer Brucknerhauses, Dietmar Kerschbaum, ist nach schweren Vorwürfen am Freitag mit sofortiger Wirkung freigestellt worden. Auch der Kaufmännische Vorstand Rainer Stadler wurde freigestellt.

Gegen 13.40 Uhr trat der Aufsichtsratschef der Linzer Veranstaltungsgesellschaft (LIVA) und Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) am Freitag vor die Presse. Luger kündigte an, die LIVA solle einer Compliance-Prüfung unterzogen werden. Daneben gab er die Freistellung von Kerschbaum und Stadler bekannt. „Eine Freistellung ist keine Vorverurteilung, aber es ist die Basis dafür, dass tatsächlich lückenlos aufgeklärt werden kann und es hier keine Vorwürfe geben kann, dass nicht völlige Transparenz stattfindet“, so Luger. Die Beschlüsse seien einstimmig getroffen worden, so Luger weiter.

Dass auch Stadler beurlaubt wurde, begründete Luger damit, dass bei den Geschäften ein Vieraugenprinzip zwischen den beiden Leitern gegolten habe, weshalb der Bürgermeister von einer „Befangenheitssituation“ sprach.

Kerschbaum: „Am Ende des Tages, kommt nichts raus“

Der freigestellte Brucknerhaus-Chef Dietmar Kerschbaum wehrt sich. In einem Exklusivinterview mit dem ORF Oberösterreich bezieht er Stellung: „Von meiner Seite aus war es korrekt, die Vorstände freizustellen. Damit wirklich auch eine Objektivität handelt. Und es ist alles dargelegt worden, ich habe alles geöffnet. Ich glaube, am Ende des Tages kommt nichts raus.“ Vor allem die Beteiligung einer deutschen Künstleragentur, die an der Programmplanung des Brucknerhauses beteiligt gewesen sein soll, wirft beim Aufsichtsrat Fragen auf: „Diese Art und Weise ist Usus, es ist kein Novum. Was ich ganz wichtig finde, ist natürlich, es gibt Vorschläge der Agentur, aber die gesamten Gagenverhandlungen übernimmt das Brucknerhaus mit dem Betriebsbüro.“

Kerschbaum, Luger
ORF OÖ
Dietmar Kerschbaum und Klaus Luger bei einer New-York-Reise anlässlich des Brucknerjahres

Der Fall Kerschbaum

Bereits Freitagvormittag war der LIVA-Aufsichtsrat zusammengetreten, um über den Fall Kerschbaum zu entscheiden. Anfang der Woche waren schwerwiegende Vorwürfe gegen Kerschbaum bekanntgeworden. Laut einem „Falter“-Bericht soll Kerschbaum fragwürdige In-sich-Geschäfte abgeschlossen haben. Der ausgebildete Tenor habe sich für Auftritte im eigenen Haus engagiert und sich dafür anscheinend hohe Gagen genehmigt. So hätten etwa beim musikalischen Adventkalender die Künstler nur eine Aufwandsentschädigung von 200 Euro erhalten, Kerschbaum soll sich 5.000 Euro bewilligt haben.

Zudem habe der Intendant die Programmplanung des Brucknerhauses mit Juni 2023 an eine internationale Künstleragentur ausgelagert. Wie auch schon die „Oberösterreichischen Nachrichten“ im September des Vorjahres berichtet hatten, wurde nach dem Abgang des Dramaturgen des Brucknerhauses ein interimistischer und freiberuflicher Nachfolger eingesetzt. Jener Künstleragent arbeite jedoch nach wie vor für die private Firma weiter und vermittle gleichzeitig Künstlerinnen und Künstler an das Linzer Konzerthaus.

Geschäftstätigkeiten werden durchleuchtet

Diese Geschäftstätigkeiten werden nun durchleuchtet, dazu wurde im Aufsichtsrat der Beschluss getroffen, die LIVA einer Compliance-Prüfung zu unterziehen. Zudem werde das Vertragswerk rund um die Künstleragentur geprüft, das laut Luger „äußert komplex im Hinblick auf Gewährleistung der kommenden Programmierung sei“.

Esterbauer wird Gesicht nach außen

Die Freistellung Kerschbaums fällt mitten in das 50-Jahr-Jubiläum des Brucknerhauses. Kommendes Wochenende stehen die Feiern auf dem Programm. Das Gesicht nach außen werde der neue Geschäftsführer Rene Esterbauer, der bereits einen Monat vor Stadlers Pensionierung den Dienst angetreten hat. Kulturstadträtin Doris Lang-Mayrhofer (ÖVP) meinte nach der Sitzung, dass sie „klare personelle Konsequenzen“ wolle und sprach sich für „einen interimistischen künstlerischen Leiter“ aus.

2017 wurde Kerschbaum nach einem Hearing zum neuen Intendanten gewählt, sein Vertag wurde inzwischen bis 2027 verlängert. Zu den Vorwürfen an seiner Führung kamen gleichzeitig noch Vorhaltungen wegen seiner Bestellung auf. So soll der inzwischen 53-Jährige vor dem Hearing Unterlagen der Kommission erhalten haben. Der gebürtige Burgenländer will diesen Brief anonym erhalten haben. Im November 2023 wurde der Bürgermeister darüber informiert. Daraufhin gab er ein Rechtsgutachten in Auftrag, das er am Freitag im Aufsichtsrat präsentierte. So sei die Vorab-Herausgabe der Info „gesellschaftsrechtlich und arbeitsrechtlich“ nicht relevant, strafrechtlich sehe es eventuell anders aus, hieß es in der Pressekonferenz. Laut dem Gutachten gelte dies aber nur für den Versender der Unterlagen und nicht für den Adressaten, der diese angenommen hat.

Dietmar Kerschbaum
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„Freistellung einzig richtiger Schritt“

Für Georg Redlhammer, Fraktionschef der Linzer NEOS und Vorsitzender des Kontrollausschusses der Stadt, ist die Freistellung „ein erster Schritt in die richtige Richtung“, allerdings müsse jetzt noch „jeder Stein umgedreht“ werden. Er fordert etwa Einblick in die Aufsichtsratsprotokolle, denn: „Der Aufsichtsrat hat versagt und seine Pflichten nicht wahrgenommen. Der Vorsitzende, der Linzer Bürgermeister Klaus Luger, ebenso.“ Bei der stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Lang-Mayrhofer, die erst jetzt die Offenlegung des Vertrages mit Kerschbaum fordere, frage er sich: „Was hat sie bisher getan?“, so Redlhammer.

Die behaupteten Anschuldigungen müssen „vollständig, unbeeinflusst und objektiv aufgeklärt werden“, reagierte der stellvertretende Vorsitzende des Kontrollausschusses, FPÖ Gemeinderat Manuel Danner, in einer ersten Stellungnahme. Es sei wichtig einen „nachhaltigen Schaden an dieser wichtigen Linzer Kultureinrichtung“ abzuwenden. Auch die Grünen sehen in der Freistellung „den einzig richtigen Schritt“. Die lückenlose Aufklärung hätten sich die Linzer sowie die Künstler und „besonders die engagierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“ verdient, unterstrich Gemeinderat Michael Svoboda.

Die im Gemeinderat vertretene KPÖ pocht ebenfalls auf vollständige Aufklärung, auch die Rolle Lugers müsse dabei in den Fokus genommen werden, so Fraktionsvorsitzende Gerlinde Grünn. Sie stößt sich zudem daran, dass die ausgegliederten Gesellschaften der Stadt – wie die LIVA – nicht der direkten Kontrolle durch den Gemeinderat unterliegen würden.