Hitlers Geburtshaus in Braunau
APA/Manfred Fesl
APA/Manfred Fesl
Chronik

Erneut Debatte über Hitlers Geburtshaus

Der Dokumentarfilmer Günter Schwaiger will mit seiner neuen Arbeit „Wer hat Angst vor Braunau?“ die Debatte über die Nachnutzung von Hitlers Geburtshaus neu aufleben lassen. Grund ist ein Archivfund, der belegen soll, dass Hitler selbst eine administrative Nutzung gewünscht habe.

Mit der Entscheidung, im Haus eine Polizeistation unterzubringen, komme das Innenministerium dem nun quasi nach, resümiert der Regisseur. „Absurd“, meint Zeithistoriker Oliver Rathkolb.

„Hitler wollte Kanzleien im Geburtshaus“

Als Beleg nannte Schwaiger im Film, der mit Anfang September in den heimischen Kinos anläuft, sowie auch auf einer Pressekonferenz am Montag eine Meldung vom 10. Mai 1939, die in der Wochenzeitung „Neue Warte am Inn“ erschienen ist. Dort ist zu lesen, dass der „Führer“ sein Geburtshaus der Kreisleitung Braunau zur Verfügung gestellt habe und es sein Wunsch sei, es zu Kanzleien derselben umzubauen.

„Hier muss ein Umdenken stattfinden“

Die nun geplante Polizeidienststelle, in der u. a. Menschenrechtsschulungen stattfinden sollen, werde laut Schwaiger somit „immer im Verdacht stehen, dass es eigentlich Hitlers Wunsch war“. Auch im Falle eines Finanzamts oder anderer administrativer Einrichtungen wäre das so, findet der Regisseur. „Hier muss ein Umdenken stattfinden“, forderte er in Richtung Innenministerium: „Man kann Fehler machen, aber man muss sie sich eingestehen.“

„Schlussfolgerungen absurd“

Der Historiker Rathkolb, der auch Mitglied jener vom Ministerium eingesetzten Expertenkommission zur Nachnutzung des Gebäudes war, nennt Schwaigers Schlussfolgerungen gegenüber der APA absurd. „Es handelt sich um kein Dokument, sondern um das Aufbauschen einer Zeitungsmeldung, die nicht die Authentizität hat, dass ihr Inhalt wirklich von Hitler gekommen ist. Also Quellenkritik null“, geht er mit Schwaiger hart ins Gericht. „Und die Gleichsetzung einer NSDAP-Kreisleitung mit einer Einrichtung des Innenministeriums, mit einer Polizeistelle zu vergleichen, macht mich sprachlos“, zeigt sich Rathkolb empört.

„Dass es sich bei einem Artikel aus einer Zeit, in der die NSDAP bereits alles kontrollierte und in dem der Name Hitler vorkommt, um das Produkt eines Schriftleiters handelt, kann ich nicht glauben“, argumentierte indes der Historiker Florian Kotanko, der das Archiv der Stadt Braunau leitet, im Film prominent vorkommt und am Podium am Montag vertreten war. Auch für Schwaiger klingt das „unwahrscheinlich“. Beide machten in der Pressekonferenz mehrmals klar, dass man Kreisleitung und Polizei keinesfalls gleichsetzen wolle.

„Archivfund nur ein Puzzlestein“

Für Schwaiger ist der Archivfund sowieso nur ein Puzzlestein. Der Umgang mit dem Haus, das man verschließe und nicht – zum Beispiel mit einer sozial-karitativen Nachnutzung – öffne, reihe sich ein in einen Geschichtsumgang, der seit 70 Jahren gepflegt werde. Die Entscheidung für eine Polizeistation, im November 2019 vom damaligen Übergangsinnenminister Wolfgang Peschorn verkündet, und die Nichteinbindung der Bevölkerung im Vorfeld komme einer Bevormundung im Umgang mit der eigenen Vergangenheit gleich.

Immerhin seien die meisten von uns Nachkommen von Tätern, Mitläuferinnen und Sympathisanten – und nicht von Opfern, unterstrich der Filmemacher. Braunau als „braune Stadt“ zu verunglimpfen, wo die Nazis und das Böse herkämen, sei bequem, findet der Dokufilmer. Dahinter stehe die Angst vor der Wahrheit, sich mit der eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen.

„Was ist los in diesem Land?“

Ursprünglich hatte der Regisseur mit seinem Braunau-Projekt eine andere Intention. Als er mit den Arbeiten 2017 begonnen habe, sei noch der Wiedereinzug der Lebenshilfe OÖ, die beeinträchtigte Menschen betreut und 2011 wegen nicht möglicher Umbauarbeiten ausziehen musste, im Gespräch gewesen. „Ich wollte mit dem Film zeigen, dass sich das Land endlich nach vorne bewegt und es einen offeneren Zugang bezüglich Aufarbeitung gibt“, erinnerte sich der Filmemacher.

Dann platzte die Polizeientscheidung in die Dreharbeiten, es musste umgeplant werden. Nun sei es sein Anliegen gewesen zu dokumentieren, wie der Einzug der Exekutive und damit der Umgang des Innenministeriums mit einem derart historisch belasteten Gebäude erfolgen werde. Aus der angekündigten Fertigstellung 2022 wurde nichts. Das Projekt soll aus jetziger Sicht 2026 fertig sein, die Kosten haben sich vervielfacht. „Das war der Moment, in dem ich mich gefragt habe: Was ist los in diesem Land?“