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Wirtschaft

Lenzing: Tiefrote Zahlen, aber zuversichtlich

Der börsennotierte Textilfaserhersteller Lenzing hat heuer im ersten Halbjahr in einem herausfordernden Umfeld tiefrote Zahlen geschrieben. Unter dem Strich blieb ein Verlust in Höhe von 65,8 Mio. Euro, wie der Konzern am Mittwoch bekanntgab. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres hatte das Unternehmen noch einen Gewinn von 72,3 Mio. Euro erzielt. Ein weiterer Personalabbau steht vorerst nicht an.

Lenzing selbst sieht sich nach Einsparungen und Kapitalmaßnahmen gut unterwegs. „Wir sind vorsichtig optimistisch“, betonte CEO Stephan Sielaff in einer Pressekonferenz. Nach einem durchaus schwierigen Jahr 2022 befinde sich das Unternehmen „auf einem deutlichen Erholungskurs“. Das erste Halbjahr 2022, das als Vergleich für die heurigen Zahlen herangezogen wird, sei für den Konzern noch „unter normalen positiven Aspekten“ umsetzbar gewesen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der im Februar des Vorjahres begann, die darauf folgende Energiekrise und die hohe Inflation hätten erst in der zweiten Jahreshälfte durchgeschlagen, berichtete Finanzchef Nico Reiner.

Der Vergleich des heurigen zweiten Quartals zum ersten Jahresviertel zeige, dass sich Lenzing auf dem richtigen Weg befinde, so Sielaff. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) habe heuer im zweiten Quartal 107 Mio. Euro betragen, nach nur 30 Mio. Euro im Vorquartal, und sich „damit deutlich verbessert“, bekräftigte Reiner.

Im gesamten ersten Halbjahr 2023 sank das EBITDA gegenüber der Vergleichsperiode des – den Angaben zufolge noch normalen – Vorjahres von 188,9 auf 136,5 Mio. Euro. Das Ergebnis je Aktie (EPS) verschlechterte sich von plus 2,36 auf minus 3,92 Euro.

Personalabbau kann nicht ausgeschlossen werden

Aktuell laufen in dem Betrieb eine Umstrukturierung und ein Sparprogramm. „Unser Ziel war, die Personalkosten zu reduzieren“, sagte Sielaff. „Insofern haben wir dieses Programm abgeschlossen.“ Der damit einhergehende Stellenabbau habe „in Summe weltweit circa 400, in Österreich circa 100 Mitarbeiter betroffen“.

Doch völlige Ruhe dürfte damit noch nicht eingekehrt sein. Betreffend des Standorts in Oberösterreich (Lenzing) meinte der Konzernchef: Das Programm, das im vierten Quartal 2022 startete, sei abgeschlossen, doch er „kann nicht ausschließen, dass es einen weiteren Personalabbau gibt“. Vorerst sieht die Lage aber gut aus: „Wir machen weiter wie bisher. Wir sehen eine gute Performance am Standort – dieser Standort ist für die Lenzing nach wie vor wichtig“, betonte Sielaff.

In Heiligenkreuz im Südburgenland habe sich der Konzern durch den Erwerb eines Biomassekraftwerks betreffend Energiekosten „strategisch besser aufgestellt“. Zur Sicherheit der Jobs an einzelnen Standorten wollte sich Sielaff nicht konkret äußern, nur soviel: „Wir werden die Personalsituation immer der Nachfragesituation und der Anlagenauslastung anpassen.“ Das gelte für jeden Standort.

Neues Werk in Indonesien

Österreich sei „die Heimat der Lenzing und die müssen wir verteidigen“. Aber es gebe „natürlich auch ökonomische Zwänge“. Neben dem konzerneigenen Sparprogramm werde auch „die Unterstützung der Politik“ gebraucht. „Wir sind im Austausch.“ Es gehe um eine wettbewerbsfähige Kostensituation bei Energie. Konkreter wollte Sielaff auf Nachfrage von Journalistenseite nicht werden. „Die Energiekosten als Basiskosten für die Produktion von chemischen Vorprodukten in Europa und Österreich sind besorgniserregend“, strich der Lenzing-Chef als „Standortnachteil“ hervor.

Der Konzern ist auch in Thailand, Brasilien, China und Indonesien aktiv. Die Modal-Produktion in China sei heuer im zweiten Quartal „erfolgreich hochgefahren“ worden. Nun gehe man dort von einer „Phase der Investition in eine Phase der Kommerzialisierung“. In Indonesien soll bald – mit ein paar Wochen Verspätung – ein neues Werk in Betrieb gehen.

Umstrukturierung, um zukunftsfit zu werden

Lenzing sei mit der Umsetzung des Programmes zur Reorganisation und Kostensenkung voll im Plan, so das Management. „Diese und weitere Maßnahmen haben das Ziel, Lenzing für die erwartete Markterholung bestmöglich zu positionieren“.

Durch die jüngste Kapitalerhöhung seien dem Unternehmen 392 Mio. Euro zugeflossen. Parallel dazu hat Lenzing den Angaben zufolge Kreditlaufzeiten verlängert „und damit die Fälligkeiten aus dem Jahr 2024 in die Zukunft verschieben können“, so Reiner. Damit habe man ausreichend Liquidität für die Umsetzung der Wachstumsstrategie generiert. Insgesamt sei die Nettoverschuldung von 1,9 auf 2 Mrd. Euro „leicht gestiegen“.

Das Ergebnisziel für das Gesamtjahr 2023 wurde bei der Vorlage der Halbjahreszahlen bestätigt. „Wir gehen davon aus, dass die bessere operative Performance die Entwicklung des EBITDA auch im zweiten Halbjahr 2023 unterstützen wird“, sagte Sielaff. Der Wert soll zwischen 320 und 420 Mio. Euro erreichen, „immer vorausgesetzt, dass wir eine weitere Markterholung erleben“, räumte er ein. Im abgelaufenen Jahr war das EBITDA noch um ein Drittel auf 241,9 Mio. Euro eingebrochen. Der CEO geht für heuer davon aus, „dass die Rohstoffkosten auch im zweiten Halbjahr weiter sinken werden“. Die Kosten für Rohstoffe und Energie hätten sich zwar bereits wieder „deutlich erholt“, lägen aber immer noch „über dem Niveau vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs“. Derzeit seien „die Faserpreise nach wie vor unter Druck“, hielt Reiner fest.

Steigender Bedarf in Textil- und Hygienebranche

Wann es unter dem Strich wieder Gewinne für das Textilunternehmen geben wird, ist nicht absehbar. „Die Visibilität ist extrem gering“, so Sielaff. „Wir hoffen, dass wir das Schwierigste hinter uns haben und blicken mit Zuversicht in die Zukunft der Lenzing.“

Strukturell geht der Konzern laut Eigenangaben unverändert von einem steigenden Bedarf an umweltverträglichen Fasern für die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie die Hygiene- und Medizinbranche aus. Lenzing plane, sowohl das Wachstum mit Spezialfasern als auch ihre Nachhaltigkeitsziele einschließlich der Transformation von einem linearen zu einem Modell der Kreislaufwirtschaft weiter voranzutreiben.

Die Umsetzung der Schlüsselprojekte in Thailand und Brasilien sowie die Investitionsprojekte in China und Indonesien würden die Positionierung der Lenzing dahingehend weiter stärken.