Sujetbild Pflege: Seniorin mit Krücken geht mit Pflegerin durch Gang
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Rechnungshof warnt vor Pflegekräftemangel

Ein besdüsteres orgniserregendes Bild der Pflegesituation in Oberösterreich zeichnet der Landesrechnungshof (LRH). Bis 2030 müssen knapp 10.000 neue Pflegekräfte gefunden werden, viele würden ihre Ausbildung in diesem Bereich aber vorzeitig abbrechen.

In den vergangenen Jahren fanden sich laut Bericht des Landesrechnungshofs kaum Interessierte für den Pflegeberuf.
Die Zahl der Pflegekräfte im Bereich der Altenpflege stieg zwischen 2017 und 2020 um rund 200 auf rund 7.200 Vollzeitäquivalente. Vor allem die Ausbildung zur Pflegefachassistenz werde schlecht angenommen. Zudem seien die Drop-Out Quoten hoch. Jeder oder jede Vierte bricht eine Pflegeausbildung vorzeitig ab. „Neben den bestehenden flexibleren Ausbildungsmodellen sollte im Bereich der Altenpflege auch eine zentrale Stelle für die gesamte bedarfsbasierte Ausbildung eingerichtet werden“, empfiehlt der Direktor des Landesrechnungshofs, Friedrich Pammer.

10.000 Pflegekräfte werden in acht Jahren fehlen

Für den LRH wird damit deutlich, „dass der Pflegekräftemangel kein Problem fehlender Ausbildungskapazitäten, sondern fehlender Interessentinnen bzw. Interessenten für den Pflegeberuf ist.“ Besonders dramatisch ist diese Entwicklung vor dem Hintergrund, dass bis zum Jahr 2040 die Zahl der Pflegebedürftigen von derzeit 76.000 auf 107.000 ansteigen soll, Allein bis zum Jahr 2030 werde man fast 10.000 Personen für Pflegeberufe gewinnen müssen, errechnet der LRH, was bedeute, dass der Entwicklungsplan des Landes, der von 1.500 Vollzeitäquivalenten ausgeht, „zu hinterfragen“ sei.

Pflegekräfte gegenseitig abgeworben

Dabei herrsche schon jetzt ein eklatanter Mangel an Pflegekräften. Zum Jahreswechsel waren 871 Betten in Pflegeheimen wegen Personalmangels leer. 350 Pflegekräfte wären notwendig, um die Lücken zu schließen. Besonders dramatisch entwickelt hat sich die Lage laut Prüfbericht im Bezirk Gmunden, wo sich die Zahl der nicht belegten Betten binnen eines Jahres verdreifacht hat. Das liege aber auch daran, so der Rechnungshof, dass sich Betreuungseinrichtungen gegenseitig das Personal abwerben. Der LRH plädiert für einheitliche Rahmenbedingungen, um das zu verhindern.

LRH-Direktor Friedrich Pammer

„Altern in Würde“ nicht definiert

Der LRH kritisiert in seiner Initiativprüfung auch, dass es vielfach an Daten mangle. Es kann etwa nicht genau gesagt werden, wie die Lage in der mobilen Pflege ist. Es fehle ein Gesamtüberblick über Wartelisten und Personalengpässe. Zudem kritisiert der Rechnungshof, dass die Landespolitik ein „Altern in Würde“ verspricht, ohne zu definieren, wie das genau aussehen wird und welche Leistungen sich die Bevölkerung künftig in der Pflege erwarten kann.

Hattmannsdorfer sieht sich bestätigt

Sozial-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) sieht sich in seiner Arbeit durch den Prüfbericht des Landes bestätigt. Es gehe jetzt darum, den Pflegeberuf und die Ausbildungen zu attraktivieren, so Hattmannsdorfer im Interview mit dem ORF Oberösterreich: „Das werden wir in Oberösterreich jetzt machen – mit der Einführung des Pflegestipendiums mit 600 Euro pro Monat, dem Zulassen neuer Berufsgruppen, aber auch mit der großen Frage, wie wir die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbessern können.“

Sozial-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP)

FPÖ: Kein Ruhmesblatt für die SPÖ

„Der Bericht bestätigt ganz klar unsere Kritik an der SPÖ-Verantwortung im Sozialressort“, kommentierte FPÖ-Klubobmann Herwig Mahr am Dienstag in einer Aussendung. Als die ehemalige SPÖ-Landesrätin im Jahr 2016 den Pflegebereich übernommen habe, konnten alle Pflegebetten in Oberösterreich betrieben werden. Als sie allerdings 2021 das Sozialressorts abgegeben habe, seien 871 Plätze wegen Personalmangels gesperrt gewesen.

SPÖ fordert attraktivere Berufsbilder

SPÖ-Pflegesprecherin Gabriele Knauseder sieht die Forderungen ihrer Partei im Pflegebereich durch den Bericht des Landesrechnungshofs bestätigt. Der LRH bescheinigt ihrer Meinung nach dem Pflegeressort unter sozialdemokratischer Führung während des Prüfungszeitraumes 2017-2020 eine gute Arbeit. Vorstöße für Ausbildungsstipendien seien damals leider von der ÖVP aus rein machttaktischen Gründen abgebrochen worden. Sozial-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) werde jetzt nicht um eine deutlich spürbare Aufwertung und Attraktivierung der Berufsbilder Pflege und Altenarbeit – auch in finanzieller Hinsicht – umhin können.

Grüne wollen bessere Entlohnung und Arbeitsbedingungen

Die Grüne Pflegesprecherin Ulrike Schwarz stellt fest, dass nur denn mehr Pflegekräfte geben wird. wenn Entlohnung und Arbeitsbedingungen besser werden. Für Schwarz ist auch klar, dass alle Maßnahmen, Strategien und Ziele laufend überprüft werden müssen, wie es der Landesrechnungshof einfordert. Zudem müsse es in der Pflegedebatte Ehrlichkeit geben. Wenn das Land von „Altern in der Würde“ spricht, müsse es klarstellen, welche Leistungen es dafür anbieten will und kann.

NEOS: Pflegesystem zerbröckelt

NEOS-Klubobfrau Julia Bammer kritisiert, dass der steigende Bedarf an Pflegekräften politisch viel zu lange nicht wahrgenommen worden sei. Jetzt bleibe abzuwarten, ob die Bestrebungen von Landesrat Hattmannsdorfer wirklich umgesetzt und den enormen Bedarf decken werden können.