Verschwiegene Familiengeschichten
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Chronik

Neues Buch über verschwiegene Familiengeschichten

Der Umgang mit der NS-Vergangenheit ist für viele Opfer- und Täterfamilien gleichermaßen schwierig und oft eine Riesenherausforderung. In vielen Familien ist nach 1945 jahrzehntelang darüber geschwiegen worden, wie ein neu erschienenes Buch zeigt.

ORF-Redakteur Johannes Reitter, selbst Historiker, hat nun 20 Familiengeschichten in seinem Buch „Ein Mantel des Schweigens“, das im Böhlau Verlag erschienen ist, beleuchtet.

Oft jahrelange Suche nach Informationen

In einer zerfledderten Handtasche hat Herbert Kaar nach dem Tod seiner nichtjüdischen Mutter 1986 einen Zeitungsbericht aus 1941 gefunden. Damit hat für den Linzer eine jahrelange Suche nach Informationen über seinen Vater begonnen. Der jüdische Schneider Hermann Charasch war 1941 nach einer Denunziation in Harbach festgenommen, wegen seiner Beziehung zu einer Nichtjüdin zu fünf Jahren Haft verurteilt und 1942 in einem Lager in Niedersachsen ermordet worden, so Kaar: „Mein Vater wurde eigentlich völlig ausgeklammert. Nur wenn die Mama nervlich unter Stress kam, hat sie zu weinen begonnen und gesagt: ‚Wenn das der Hermann miterlebt hätte.‘“

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Spurensuche im In- und Ausland

Johannes Reitter ist in Archiven im In- und Ausland auf Spurensuche gegangen und hat etwa dank eines engagierten Archivars Polizeifotos des jüdischen Schneiders sowie Akten über den prominenten Nationalsozialisten gefunden. Auch Dokumente aus dem Besitz der Familien hat er ausgewertet: „Wenn Nachkommen erstmals Dokumente ihrer Vorfahren gesehen haben, war das oft sehr berührend. Viele Dokumente sind unter anderem bei Bombenangriffen zerstört worden, erstaunlich viel ist aber dennoch in den Archiven noch vorhanden. Deshalb lohnt es sich immer, nachzuforschen.“

20 verschwiegene Familiengeschichten

20 verschwiegene Familiengeschichten enthält sein soeben erschienenes Buch: zehn von Opfern und zehn von Tätern, Täterinnen oder Mitläufern des nationalsozialistischen Terrorregimes: „Viele haben niemanden mehr, den sie fragen könnten, egal ob auf Opfer- oder Täterseite. Das ist für viele schon sehr schwierig“, so Reitter.

NS-Familiengeschichten: „Ein Mantel des Schweigens“

Der Umgang mit der NS-Vergangenheit ist für viele Opfer- und Täterfamilien gleichermaßen schwierig und oft eine Riesenherausforderung. In vielen Familien ist nach 1945 jahrzehntelang darüber geschwiegen worden. Historiker Johannes Reitter (ORF) hat 20 Familiengeschichten in seinem Buch „Ein Mantel des Schweigens“, das im Böhlau Verlag erschienen ist, beleuchtet.

Nach oft jahrzehntelangem Schweigen haben Nachfahren wie Herbert Kaar nun Gewissheit, in welche Geschehnisse ihre Vorfahren während der Zeit des Nationalsozialismus involviert gewesen sind.