Politik

Suizid: Richterentscheid gehe sehr weit

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat am Freitag das Verbot der „Hilfeleistung zum Selbstmord“ aufgehoben. Und der Spruch gehe sehr weit, so Alois Birklbauer, Professor für Strafrecht an der Johannes Kepler Universität, am Samstag im Interview mit dem ORF OÖ.

Wer bisher einem Sterbenskranken geholfen hat Suizid zu begehen, hat sich strafbar gemacht. Ab 1. Jänner 2022 sei mit dem jüngsten Entscheid der Verfassungsrichte jede Handlung, die den Suizid des Sterbewilligen fördert erlaubt, so Alois Birklbauer: „Das geht sehr weit, vom Organisieren einer Reise in die Schweiz angefangen bis zum Besorgen einer Waffe, bis zum Besorgen von Medikamenten – bis zum Herrichten eines Medikamentencocktails, den der andere dann trinken will“.

Recht auf freie Selbstbestimmung

Das Recht auf freie Selbstbestimmung umfasse auch das Recht auf menschenwürdiges Sterben, hieß es von den Verfassungsrichtern. Es sei verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten, befand der VfGH. Weiterhin strafbar bleibt aber die „Tötung auf Verlangen“.

Gefahr, dass Patienten unter Druck geraten

Zwiespältig wird diese Entscheidung von der Katholischen Kirche aufgenommen. Der Wert der Selbstbestimmung sei zu achten, sagt etwa Rolf Sauer vom Katholischen Familienverband Oberösterreich. Es bestehe aber die Gefahr, dass Menschen in eine Lage kommen, in der sie sich unter Druck sehen, „doch jetzt irgendwann einmal abzutreten“. Er erlebe das immer wieder, etwa in der Krankenhausseelsorge. „Besonders bei leistungsorientierten Menschen, die nach einem Unfall zum Beispiel sagen ‚jetzt kann ich nicht mehr, jetzt fall ich nur noch zur Last‘“. Sauer befürchtet durch diese Entscheidung des VfGH, dass besonders ältere Menschen unter Druck geraten, „dass sie dann sagen ‚gescheiter wärs halt, wenn ich zugunsten der nächsten Generation abtreten würde‘“.

Ähnlich die Befürchtungen in der Palliativmedizin, die Menschen ein schmerzfreies Lebensende ermöglichen will. „Was man sehr kritisch sehen muss bei solchen Sterbehilfe-Erlaubnissen ist aus meiner Sicht ein großes Problem, dass hier Menschen, die vielleicht eine nicht suffiziente („ausreichende“, Anm.) Schmerz- oder andere Therapie haben – oder auch, die niemandem zur Last fallen wollen, dann sich genötigt fühlen, diese Möglichkeit in Anspruch zu nehmen“, so David Fuchs, Palliativ-Mediziner am Ordensklinikum Linz.

Gesetzgeber am Zug

Bis Ende nächsten Jahres hat der Gesetzgeber jetzt Zeit, das Gesetz auszuarbeiten und auch Maßnahmen gegen Missbrauch zu treffen. In welchem Ausmaß Beihilfe zum Selbstmord dann letztlich erlaubt sein wird ist noch völlig offen. Mehr in VfGH kippt Verbot von Beihilfe zum Suizid (news.ORF.at).