Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, bei der Befreiungsfeier 2020 ohne Besucher – die Zeremonie fand im Internet statt: Mitglieder des Mauthausen Komitees bei der Kranzniederlegung
ORF
ORF
Coronavirus

Befreiungsfeier erstmals im Internet

Seit 1946 wird Anfang Mai der Befreiuung des Konzentrationslagers Mauthausen durch US-Truppen gedacht – auch heuer, doch aufgrund der Gefahr durch das Coronavirus unter anderen Vorzeichen. Die Feier fand am Sonntag nicht in der Gedenkstätte Mauthausen, sondern im Internet statt.

Ehemalige französische Gefangene sind bereits 1946 zu einem ersten Gedenken nach Mauthausen zurückgekehrt. Seither wird immer am zweiten Sonntag im Mai eine Befreiungsfeier abgehalten. Delegationen von ehemaligen Häftlingen aus der ganzen Welt kommen dafür jedes Jahr nach Mauthausen in die KZ Gedenkstätte. Höhepunkt ist das gemeinsame Treffen auf dem früheren Appellplatz – mit Ansprachen und der Verlesung des Mauthausen-Schwurs.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, bei der Befreiungsfeier 2020 ohne Besucher – die Zeremonie fand im Internet statt
ORF
Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, bei der Befreiungsfeier 2020 ohne Besucher – die Zeremonie findet im Internet statt
Kranzniederlegung von Mitgliedern des Mauthausen Komitees für die virtuelle Zeremonie
ORF
Kranzniederlegung von Mitgliedern des Mauthausen Komitees für die virtuelle Zeremonie
Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, bei der Befreiungsfeier 2020 ohne Besucher – die Zeremonie fand im Internet statt
ORF
Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, bei der Befreiungsfeier 2020 ohne Besucher – die Zeremonie findet im Internet statt

Von 1938 bis zur endgültigen Befreiung des KZ am 7. Mai 1945 waren in Mauthausen und seinen 49 Nebenlagern rund 200.000 Menschen interniert, rund die Hälfte von ihnen überlebte die NS-Vernichtungsmaschinerie nicht.

Auch in diesem Jahr war die Verlesung des Schwurs auf dem Appellplatz zu sehen sein, allerdings ist es eine Aufzeichnung von der Gedenkfeier 2019. Diese aufgezeichneten Bilder waren Teil der heurigen virtuellen Gedenkfeier mit Videobotschaften von ehemaligen Häftlingen. Bereits im Vorfeld fixiert waren laut Mauthausen Komitee Beiträge von Aba Lewit, Liliana Segre, Dusan Stefancic, Daniel Chanoch, Shaul Spielmann, Edward Mosberg, Max Garcia, Igor Malitsky und Stanislaw Zalewski.

Die virtuelle Befreiungsfeier 2020
APA/HERBERT PFARRHOFER
Virtuelle Befreiungsfeier 2020

Die virtuelle Befreiungsfeier wurde auf der Website des Mauthausen Komitees übertragen. Seit 2006 tragen die Gedenkfeierlichkeiten jedes Jahr eine spezielle Überschrift – heuer war es „Menschlichkeit ohne Grenzen“.

„Eine virtuelle Befreiungsfeier ist kein Ersatz für eine Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte selbst. Aber es ist die beste Möglichkeit, gemeinsam, international und unter ganz starker Einbindung von Überlebenden zu gedenken“, so Willi Mernyi, der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich, der auch die Veranstaltung eröffnete, auf der Website.

„Der Erfolg der Nationalsozialisten war nur möglich, weil es ihnen gelungen ist, Grenzen zwischen Menschen zu ziehen. Verhaftungen und Deportationen waren die Konsequenz“, betonte er und mahnte, dass durch das Coronavirus aktuell die Debatte „über Grenzen, Zäune und Menschlichkeit“ in den Hintergrund getreten sei.

Statements der Bundesregierung

Für das offizielle Österreich hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen bereits am Dienstag die Gedenkstätte besucht und einen Kranz für die Opfer niedergelegt. „Mauthausen ist nicht vom Himmel gefallen. Der Holocaust war der grausame Endpunkt“, so der Bundespräsident. Am Anfang seien „das Schweigen, das Wegschauen, als Antisemitismus und Rassismus ihre hässliche Fratze zeigten und schleichend von der Gesellschaft Besitz ergriffen“, gestanden.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) betonte: „Wir sind es den Opfern des Holocaust schuldig, die Erinnerung an sie zu bewahren. Wir haben sechs Millionen Gründe zu gedenken.“ Die Zweite Präsidentin Doris Bures (SPÖ) zitierte den Schriftsteller Primo Levi: „Schweigen ist ein Fehler, fast ein Verbrechen.“ Diese Worte würden damals wie heute gelten.

Die virtuelle Befreiungsfeier 2020 wurde von Konstanze Breitebner und Mercedes Echerer moderiert
APA/HERBERT PFARRHOFER
Die virtuelle Befreiungsfeier 2020 wurde von Konstanze Breitebner und Mercedes Echerer moderiert

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht es auch nach 75 Jahren als „unsere Pflicht, sich an die unvorstellbaren Gräueltaten und Verbrechen, die im Nationalsozialismus begangen wurden, zu erinnern. Wir erinnern uns daran, dass Österreicherinnen und Österreicher nicht nur Opfer, sondern auch Täterinnen und Täter waren.“ Nur wer sich erinnere, könne aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, so Kurz. „Das KZ Mauthausen war Teil des von den Nationalsozialisten industriell betriebenen Massenmordes. Nur, wenn wir die Erinnerung hochhalten, schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass wir und kommende Generationen in einer demokratischen und antifaschistischen Welt leben können“, betonte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).

Die virtuelle Befreiungsfeier 2020
APA/HERBERT PFARRHOFER
Virtuelle Befreiungsfeier 2020

Stelzer: mit Vergangenheit auseinandersetzen

„Nur wenn wir unsere Vergangenheit kennen, uns kritisch damit auseinandersetzen und auch die Verantwortung übernehmen, können wir erfolgreich unsere Zukunft gestalten“, zeigte sich der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) überzeugt. „Rassistische, antisemitische und menschenverachtende Entwicklungen haben keinen Platz in einer freien Gesellschaft. Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – die das Fundament für Wohlstand und Frieden bilden – sind keine Selbstverständlichkeit.“ Das führe das „dunkelste Kapitel unseres Landes“ vor Augen.

Lob für Kauf von Gedenkstätte KZ Gusen

Die Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Barbara Glück, lobte indes am Sonntag die Entscheidung der Bundesregierung, die Überreste des ehemals zum Lagerkomplex von Mauthausen gehörenden KZ Gusen zu erwerben, als „Meilenstein für die Gedenkkultur in Österreich und die Aufarbeitung der Geschichte zwischen 1938 und 1945“. Das bestehende Memorial, das auf eine Initiative ehemaliger Häftlinge zurückgeht, müsse zu einer „angemessenen und der historischen Dimension dieses Lagers entsprechende zeitgemäßen Gedenkstätte“ weiterentwickelt werden. Mehr in Republik kauft ehemaliges KZ Gusen (ooe.ORF.at)

Virtuelle Befreiungsfeier 2020
APA/HERBERT PFARRHOFER
Virtuelle Befreiungsfeier 2020

Bei der virtuellen Befreiungsfeier nahmen Zuseher und Zuseherinnen aus 23 Ländern der Welt teil. Gemeinsam gedachten sie der Befreiung des KZ Mauthausen vor 75 Jahren und den Millionen Toten, die das nationalsozialistische Terrorregime gefordert hat.

Gedenkwochen bis 20. Mai

Zusätzlich zur virtuellen Internationalen Befreiungsfeier finden bis 20. Mai 2020 noch die virtuellen Gedenkwochen statt. In dieser Zeit werden erstmalig Originalprotokolle der US-Befreier, Kurzvideos von KZ-Überlebenden und Zeitzeugen, Statements von Opferorganisationen, Botschaftern und lokalen Gedenkinitiativen