Gabriel Felbermayr und Johannes Jetschgo
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Wirtschaft

Felbermayr: Krise macht Gesellschaft ärmer

„Wir werden alle den Gürtel enger schnallen müssen“ nach der Coronavirus-Krise, sagt der aus Oberösterreich stammende Wirtschaftswissenschafter und Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr im Gespräch mit dem ORF Oberösterreich.

Die derzeitige wirtschaftliche Lage sei ernster als im Jahr 2009, weil es sich um eine flächendeckende Krise handle, von der alle großen Regionen der Welt betroffen sind. Soweit man bisher weiß gehe auch die Rezession tiefer als vor elf Jahren, so der Experte im Gespräch mit dem Chefredakteur des ORF Oberösterreich, Johannes Jetschgo.

Dauer entscheidet alles

Entscheidend sei aber vor allem, wie lange die Wirtschaft stillsteht. Durch eine lange tiefe Rezession würden nicht nur an der Substanz und der Tragfähigkeit der System große Schäden entstehen. Das betreffe auch die medizinische Versorgung, deren Standard in solchen Perioden schwierig aufrecht zu erhalten sein kann. Wie lange solche Stillstandszeiten dauern dürfen, hänge auch davon ab, was eine Gesellschaft ertragen will, so Felbermayr.

Das ausführliche Gespräch mit Gabriel Felbermayr

„Acht Wochen ist ein gutes Maß, aber wenn wir eine neue Infektionswellen sehen würden – ein plötzliches Ansteigen der Fälle – dann würde man vermutlich auch längere Quarantänemaßnahmen in der Bevölkerung durchsetzen können. Zum jetzigen Zeitpunkt, an dem die Fallzahlen in vielen Ländern wieder zurückgehen, ist es in der Tat so, dass man über ein phasenweises und graduelles Aussteigen aus den Maßnahmen nachdenken kann.“ Es sei aber schwierig zu sagen ‚Wir machen das acht Wochen und keine Woche länger‘. Das müsse von der gesundheitlichen Entwicklung abhängig sein, so der Experte.

Unwiederbringliche Umsatzverluste und Nachholeffekte

Weil es nicht so leicht möglich sei, wegen der globalen Vernetzung der Produktion in Deutschland die Autoindustrie, den Maschinenbau oder den Flugzeugbau schnellstens wieder hochzufahren, werde die österreichische Exportwirtschaft ein schwieriges zweites und auch drittes Quartal haben, so Felbermayr. Ein Teil der Nachfrage werde sich nicht in allen Branchen nachholen lassen. Restaurants oder Kinos könnten die versäumten Umsätze nicht wieder einholen, auch beim Tourismus würde kaum jemand den Osterurlaub nachholen, aber bei eher nachhaltigen Kaufentscheidungen wie der Anschaffung eines Küchengerätes oder eines Autos werde es sicherlich Nachholeffekte geben.

Gabriel Felbermayr
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„Die Gefahr ist, dass in Italien Populisten die Überhand gewinnen, die dann so etwas wie einen ITALEXIT heraufbeschwören.“

Wie andere Experten rechnet auch Felbermayr nach dem Wirtschaftstief des Jahres 2020 im nächsten Jahr wieder mit einem Wachstum der Wirtschaft. Wenn die Unsicherheit aus dem Markt geht, würden wieder Konsumgüter gekauft werden und die Unternehmen auch wieder investieren. Wie schnell das kommt, hänge aber stark mit den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zusammen: „Eine klare Kommunikation, damit sich die Wirtschaft auf die Wiederbelebung einstellen kann und vor allem Maßnahmen, die sicherstellen, dass Unternehmen ihre Eigenkapitalbasis behalten können. Nur Unternehmen, die diese Krise überleben, können dann auch den Anstieg ertragen.“

„Werden als Gesellschaft durch diese Krise ärmer“

„Diese Wirtschaftskrise kostet Geld. Sie kostet sehr viel Geld. Eine Woche halber Stillstand in Österreich kostet etwa vier Milliarden Euro und diese Einbußen können auch durch eine V-artige Entwicklung nicht kompensiert werden. Wir werden als Gesellschaft durch diese Krise ärmer.“ Der Staat könne sich stärker verschulden und durch Überweisungen an Unternehmen und Einzelpersonen den Eindruck erwecken, diese Krise finde am Konto gar nicht statt, aber Realwirtschaftlich ist sie nicht zu leugnen

„Das bedeutet, dass wir den nächsten Jahren den Gürtel etwas enger schnallen müssen werden.“ Auch das Verhalten der Menschen werden sich ändern. So sei zum Beispiel fraglich, ob sie auch nach der Coronavirus-Krise weiterhin so gerne auf Reisen gehen, wie bisher. Es sei auch fraglich, ob die Globalisierung so weitergeht. „All diese Veränderungen drücken halt aufs Wachstum.“

Ringen um die Euro-Zone

Spannend werden auch die Entwicklungen in der Euro-Zone, nachdem große Länder wie Italien und Spanien schwerstens von den Coronavirus-Ansteckungen und den wirtschaftlichen Folgen betroffen sind. „Solange die Europäische Zentralbank an dem ‚Whatver it takes‘ des Herren Draghi festhält, wird der Euro auch Bestand haben können“, ist dazu die Aussage des Wirtschaftsforschers. Mit 750 Milliarden Euro habe die Zentralbank den Zugang der Italiener zum Kapitalmarkt sicherzustellen. Daher bestehe auch keine immanente Gefahr für den Euro, die hohe Verschuldungsquote, mit der Italien aus dieser Krise gehen wird, werde es aber Effekte langfristiger Art geben.

Keinesfalls Almosen für Italien sondern echte Hilfe

„Die Gefahr ist, dass in Italien Populisten die Überhand gewinnen, die dann so etwas wie einen ITALEXIT heraufbeschwören.“ Wegen der engen wirtschaftlichen Verbindungen von Österreich und Deutschland zu Italien könnte das aber eine zusätzliche Belastung darstellen. Felbermayr fordert daher mehr Solidarität für Südeuropa: „Das hat gar nichts mit Nächstenliebe zu tun, sondern sehr viel mit Eigenliebe.“ Italien sei für uns ein sehr wichtiger Markt, nicht nur weil viele Norditalienische Betriebe Vorprodukte für deutsche und österreichische Unternehmen herstellen, sondern auch, weil Norditalien ein wichtiger Absatzmarkt sei.

Um Italien möglichst schnell wieder auf die Füße zu helfen, brauche es mehr als solidarische Symbole, sondern konkrete Hilfe: Wichtig ist, dass es nicht als Almosen daherkommt, denn die Italiener erinnern sich natürlich and die Troika und die Auflagen die mit der Hilfe für Griechenland verbunden waren und diese Hilfe ist eine, die in Italien sehr stark vorbelastet ist.“

Wirtschaftsforscher aus Pfarrkirchen

Gabriel Felbermayr stammt aus Pfarrkirchen (Bezirk Steyr-Land) und gilt als einer der renommiertesten Wirtschaftswissenschafter im deutschen Sprachraum. Der 43-Jährige lehrte an verschiedenen Universitäten und arbeitet seit 2010 am Ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Seit einem Jahr ist der Präsident des angesehenen Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW).