Budgetlandtagssitzung 2019
ORF
ORF
Politik

Modell für Parteienfinanzierung festgelegt

Oberösterreich bekommt ein neues Parteienfinanzierungsgesetz, das auch Grenzen bei den Wahlkampfkosten festlegt. Ein Entwurf sieht ein Limit von sechs Millionen Euro pro Partei vor. Er wurde am Mittwoch im Unterausschuss des Landtags diskutiert und mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ beschlossen.

Heftige Kritik kam von SPÖ und Grünen sowie vom Parteienfinanzierungsexperten und Politikwissenschaftler Hubert Sickinger. Der Grund: ÖVP und FPÖ wollen zumindest sechs Millionen Euro pro Partei für den Landtagswahlkampf im nächsten Jahr ausgeben können.

Oberösterreich mit höchster Obergrenze bundesweit

Mit der Obergrenze von sechs Millionen alleine für die Landtagswahl genehmige sich Oberösterreich die höchsten Wahlkampfausgaben aller Bundesländer, sagte Sickinger. Das stehe in keiner Relation, weil jene sieben Millionen Euro, die auf Bundesebene im vergangenen Jahr gegolten hätten, pro Wahlberechtigten Ausgaben von knapp 1,10 Euro bedeuteten. Lege man das auf Oberösterreich um, so würde das bei einer Obergrenze von sechs Millionen Euro Ausgaben von fast 5,50 Euro pro Wahlberechtigten ergeben.

Bei Landeswahlen mehr Geld als im Bund

„Da sieht man schon: Die oberösterreichischen Parteien können viel mehr Geld ausgeben, gemessen an der Wählerschaft, als die bundesweiten Parteien. Und man sieht daran, dass die Parteien – und vor allem eine Partei, nämlich die ÖVP in Oberösterreich, auf deren Bedürfnisse das jetzt zugeschnitten ist – sich keinerlei Begrenzungen auferlegen lassen wollten“, so Sickinger im Interview mit dem ORF OÖ.

Kontrolle durch Transparenzsenat

Für die Gemeinderats- oder Bürgermeisterwahlen sei gar keine Grenze vorgesehen, sagte Sickinger. Kontrollieren soll die Einhaltung der Wahlkampfkosten übrigens ein eigens dafür einzurichtender Transparenzsenat.

Kritik an möglicher Kostenverlagerung

Sickinger kritisierte weiters, dass im Gesetzesentwurf ausdrücklich stehe, dass Wahlveranstaltungen, die nicht nur der Landtagswahl dienen, nur anteilig der Landespartei zuzurechnen seien, auch wenn die Landespartei sie alleine bezahlt habe.

In Oberösterreich gibt es Landtagswahlen und Gemeinderatswahlen am selben Tag. Sickinger hinterfragte deshalb, was Parteien mit so einem Gesetz wohl sinnvollerweise machen werden, etwa bei lokalen Veranstaltungen, an denen sowohl Wahlwerber für die Landtagswahl als auch die Gemeinderatskandidaten und Bürgermeisterkandidaten teilnehmen. Eine Partei werde das natürlich teilweise den Wahlwerbungskosten auf Gemeindeebene, die ja nicht begrenzt sind, zuschlagen und nur zum Teil den Wahlkampfkosten der Landesparteien.

Gesetzesentwurf ermöglicht Schlupfloch

Sickinger: „Da kann man, wenn man sich vor Augen führt, dass die ÖVP 2015 die damaligen sieben Millionen deutlich überschritten hat, sich natürlich denken, was für ein Motiv dahintersteht. Dass man diesmal systematisch bestimmte Wahlwerbungskosten der Landespartei nach unten verlagern könnte. Und das steht ja ausdrücklich im Gesetz drinnen, dass man das machen kann.“

Maximal 200.000 Euro Spenden

Am Mittwoch wurde im zuständigen Ausschuss ein Modell beschlossen, das neben der Obergrenze, über die ein Transparenzsenat wachen soll, auch eine jährliche Spendenannahmebegrenzung in der Höhe von 200.000 Euro vorsieht. Mit den sechs Millionen orientiere man sich am größenmäßig vergleichbaren Niederösterreich, bei den Spenden liege man schärfer als das Bundesgesetz, lobten ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer und FPÖ-Klubchef Herwig Mahr den Entwurf.

Zudem „gibt es ein klares Bekenntnis zur Unabhängigkeit“ des Transparenzsenats. Dieser solle bei Überschreitungen unter zehn Prozent Strafen von 15 Prozent des Überschreitungsbetrags verhängen dürfen, bei zehn bis 15 Prozent bis zu ein Viertel, bei 25 bis 50 Prozent bis zu 100 Prozent und bei Überschreitungen, die größer als 50 Prozent sind, bis zu 150 Prozent des Mehrbetrags. Der Landtag dürfte die Regelung am 30. Jänner absegnen.

Hohe Pro-Kopf-Grenzen auch in Wien, Salzburg und NÖ

Wenn das Gesetz in Oberösterreich so beschlossen wird, dann haben Oberösterreich, Niederösterreich und Wien künftig jeweils sechs Millionen Euro Obergrenze bei den Wahlkampfkosten. In der Steiermark gibt es seit 2019 einen Wahlkampfkostendeckel von einer Million Euro, in Kärnten sind es 590.000 Euro. Pro Kopf ergibt das für Oberösterreich mit 5,48 Euro im Vergleich die höchste Deckelung (Wien 5,25 Euro, Salzburg 4,60 Euro, Niederösterreich 4,33 Euro, Steiermark rund ein Euro).

Reiche Parteien im Vorteil

Angesichts dieser Zahlen sagte Sickinger: „Man braucht nicht die sechs Millionen, aber in Oberösterreich haben offensichtlich manche Parteien so viel Geld, dass sie eine hohe Obergrenze wollen. Dasselbe ist in Niederösterreich und in Wien der Fall. Man muss immer die Perspektive der Partei, die die Landespolitik dominiert, ansehen. Wie viel Geld hat die? Wie viel Geld haben die anderen Parteien?“ So könne man sich, meint der Experte, einen Wahlkampfvorteil verschaffen.

SPÖ wittert „Mogelpackung“

Die SPÖ sieht eine drohende Mogelpackung bei der Wahlkampfkostenobergrenze. Für SPÖ-Klubvorsitzenden Christian Makor ist der Entwurf „löchrig wie Schweizer Käse“. Als größte Lücke sieht er, dass die Kosten für Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen nicht erfasst seien – „es darf also auf Gemeindeebene und für die Bürgermeisterwahlen beliebig viel Steuergeld ohne Obergrenze ausgegeben werden“. Zudem erhöhe eine Freigrenze von 15.000 Euro pro Mandatar auf der Parteiliste die Obergrenze für den Landeswahlkampf „de facto noch einmal um eine Million Euro“.

Die SPÖ hatte ein eigenes Modell vorgeschlagen, das für alle drei Wahlen – Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl finden in Oberösterreich zum selben Termin statt – eine Obergrenze von insgesamt rund 3,8 Mio. Euro vorgesehen hätte. Makor: „Einmal mehr missbrauchen ÖVP und FPÖ ihre Zweidrittelmehrheit im Landtag.“

Grüne fürchten Steuergeldverschwendung

Die Grünen befürchten 2021 eine „Materialschlacht“. Das neue Parteienfinanzierungsgesetz beschere Oberösterreich „die teuersten Wahlkämpfe der Republik“. Der stellvertretende Landessprecher Severin Mayr rechnete vor, dass pro Wahlberechtigten fast das Fünffache ausgegeben werden könne wie bei der Nationalratswahl – nämlich 5,43 Euro pro Kopf (im Vergleich zu 1,12 Euro bei der Nationalratswahl, Anm.).

NEOS spricht von „Farce“

Für das bisher nicht im Landtag vertretene NEOS ist die oberösterreichische Wahlkampfkostengrenze von sechs Millionen Euro eine Farce. Landessprecher Felix Eypeltauer forderte den Landtag auf, die „absurden Materialschlachten und das Verheizen von Millionenbeträgen" zu beenden.