Sendungshinweis:
"Österreich-Bild: Kein schöner Land – Mit Ziviltechnikern gegen Landschaftsfraß in OÖ“, 21.8.22, 18.25 Uhr, ORF 2
In Kleinzell im Mühlkreis hat sich die Bevölkerung in einer Befragung klar für einen Nahversorger im Ortszentrum ausgesprochen. Dass sich die Gemeinde nach einem Bürgerbeteiligungsverfahren tatsächlich dazu entschieden hat, einen Architektenwettbewerb auszuloben, dürfte nach der Umsetzung des Projekts wohl niemand bereuen. Dort, wo einst das alte Feuerwehrhaus stand, hat der Linzer Architekt Gerald Anton Steiner mit seinem Büro flächensparend einen zurückhaltenden Holzbau mit origineller Formgebung errichtet. Sowohl Mitarbeiter als auch Kunden freuen sich über das neue Leben, das mit dem Nahversorger und seinem integrierten Café ins Ortszentrum gezogen ist. Als Betreiber agierten die ARTEGRA-Werkstätten, die dort geschützte Arbeitsplätze für beeinträchtigte Menschen eingerichtet haben und damit das Verkaufsteam bereichern.
In Reichenau im Mühlkreis beklagen Bewohnerinnen und Bewohner und die letzten im Ortskern verbliebenen Geschäftsleute, dass sich ihr Ort zur Schlafstätte verwandelt habe. „Ein Beispiel, das sich zigmal in Österreich wiederholt“, sagt die Linzer Architektin Birgit Kornmüller und nennt es, „Donut-Prinzip“ – mit einem leeren Kern in der Mitte, umgeben von einem fetten Rand, an dem sich Supermarktketten oder Fachmarktzentren ansiedeln, die nur mit dem Auto erreicht werden. Dennoch finden sich in Reichenau architektonische Perlen, wie eine nachhaltig sanierte Schule und ein kürzlich saniertes Pfarrzentrum, beide von einem Linzer Architekturbüro geplant. „Damit lässt sich zeigen, dass sich Altbauten sehr wohl wirtschaftlich und nachhaltig sanieren lassen und mit moderner Ästhetik neue Impulse setzen“, meint Architekt Andreas Henter.
Österreich ist Europameister im Flächenfraß
Architekt Albert Böhm nennt erschreckende Zahlen zum unstillbaren Landschaftsfraß: „Österreich ist mit 1,7 Quadratmeter verbauter Einkaufsfläche pro Einwohner Europameister. Allein Oberösterreich versiegelt täglich eine Fläche, die zweimal so groß ist wie der Linzer Hauptplatz.“ „Dabei wäre der Bedarf an Gebäuden längst gedeckt“, sagt der Welser Architekt Heinz Plöderl. Nicht zuletzt die Niedrigzinsphase und die damit steigende Immobilien-Nachfrage als Wertanlage hätten den Leerstand forciert, der inzwischen der Gebäudefläche der Stadt Wien entspricht. Dafür hätte Österreich nicht einmal mehr ausreichend Ackerflächen, um sich selbst zu ernähren.
Durch Bürgerbeteiligungen startete in Ottensheim schon vor zwei Jahrzehnten ein politischer Diskurs, aus dem unter anderem der beliebte Freitagsmarkt entstanden ist. Dieser Wochenmarkt wurde zum Frequenzbringer, der sogar Geschäfte ins Zentrum geholt hat. Auch wenn damit der Kampf gegen den Leerstand noch nicht gewonnen ist, zeigt ein Altbau-Sanierungs-Beispiel am Marktplatz, wie mit einem sensiblen Umbau nicht nur Gebäudesubstanz erhalten bleibt: Haben vorher sieben Menschen hier gewohnt und gearbeitet, so sind es nach der Renovierung 25 Menschen.
Ziviltechniker werden selten eingebunden
„Obwohl Ziviltechniker/innen – unabhängig – in rund 80 technischen und gestalterischen Berufen ihr Fachwissen, etwa in der Raumplanung und Architektur, zur Verfügung stellen, werden sie nur selten dazu befragt“, sagt die Präsidentin der Ziviltechnikerkammer für Oberösterreich und Salzburg Cora Stöger. „Dabei könnten Architekturwettbewerbe Kommunalpolitiker vor Interessenskonflikten schützen“, meint der aus Zell am See stammende Architekt Andreas Volker. Bürgermeister müssten oft zwischen Einzelinteressen potenter Bürger/innen oder Unternehmen und Allgemeininteressen abwägen. Gestaltungsbeiräte können Kommunen aber gerade bei besonders heiklen Fragen unterstützen – bei Bedarf sogar als „fliegende Gestaltungsbeiräte“, wie sie zurzeit in der Traunsee- und Attersee-Region eingesetzt sind. Mit klugen Lösungen ließe sich so Flächenfraß eindämmen.
Sendetermin am Sonntag, 21. August 2022
„Kein schöner Land – Mit Ziviltechnikern gegen Landschaftsfraß in OÖ“. Das ÖSTERREICH-BILD ist am Sonntag, 22. August 2022 um 18.25 Uhr in ORF 2 zu sehen.
Eine Produktion des Landesstudio Oberösterreich.
Gestaltung/Schnitt: Wolfgang Marecek
Kamera: Claus Muhr
Drohnenkamera, Ton: Andreas Teufelauer