Junge Frau liegt auf rosa Grund und hat Musikkopfhörer auf
pixabay/whoalice-moore
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Lust aufs Leben

Auf Entdeckungsreise in der Musik

Für die Sendung „Lust aufs Leben“ am Sonntag hat Michael Huemer eine akustische Entdeckungsreise über das Verborgene, Vergessene und Verschwundene in der Musik vorbereitet. Wir wünschen viel Vergnügen!

Sendungshinweis:

„Lust aufs Leben – Kultur aus allen Richtungen“, 22.9.19, 21.04 Uhr

Man kann es sich überhaupt nicht vorstellen, dass das Speichern von Wort und Musik jahrhundertelang ein unerfüllbarer Traum war. Beginnend mit den ersten Tonaufnahmen mit dem Phonographen über die Präsentation eines Tonbandgerätes 1935 auf der Berliner Funkausstellung, das seinen Einzug in die privaten Haushalte als Kassettenrekorder fand, war die Erfindung der Vinyl-Schallplatte ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Tonträger. 1948 stellte Columbia die erste Kunststoffplatte mit Mikrorille und 33-ein-Drittel Umdrehungen pro Minute vor. Diese hatte einen Durchmesser von 30 Zentimetern und wurde als long playing record oder in der deutschen Übersetzung als Langspielplatte mit der Abkürzung LP bezeichnet. Ein Jahr später folgte die Markteinführung der Single-Platte mit einem Durchmesser von 17,5 Zentimetern bei 45 Umdrehungen pro Minute.

Verschiedene Tonträger auf einem Tisch: Langspielplatte, Singleplatte und eine Musikkassette
ORF
Die Jüngsten kennen diese Tonträger gar nicht mehr: LP, Single, Kassette

Nach der analogen Zeit begann die digitale Ära der Schallspeicherung mit dem Digital Audio Tape, der DAT, das zum Unterschied zur Musikkassette ein Magnet verwendete. Damit erfolgte die Aufnahme der Schallsignale in digitalisierter Form.

Compact Disc kommt 1983

Ab 1983 eroberte die Compact Disc, kurz CD, die Wohnstuben. Mit den schillernden Silberlingen verbreitete sich eine ganz neue Technologie, da auf ihr die Musik in Form von digitalen Daten gespeichert ist. Im Gegensatz zur Schallplatte, deren Rillenstruktur verrät, wo ein Song beginnt oder endet, gibt die spiegelnde Oberfläche einer CD keinerlei Auskunft mehr über die eingeschriebenen Audio-Daten. 1991 wird die beschreibbare CD, die Compact Disc Recordable eingeführt, mit der man mit einem CD-Brenner eigene CDs herstellen konnte. Einen weiteren revolutionären Schritt bedeutete die MP3-Technik, mit der Audiodaten nahezu ohne hörbaren Qualitätsverlust vervielfältigt und kopiert werden können. Ab der Jahrtausendwende ist es damit möglich, die Musik schnell über das Internet zu verschicken und mit Hilfe von Computern, Smartphones und MP3-Playern zu tauschen und anzuhören.

Junge Frau liegt auf rosa Grund und hat Musikkopfhörer auf
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Liebhaber vermissen das Knistern

Der anfänglich illegale Download, der später durch zahlreiche legale kostenpflichtige Streaming-Plattformen im world wide web ergänzt wird, veränderte dramatisch den Musikmarkt. Es sind also mehr als 100 Jahre Tonträgergeschichte vergangen, bevor MP3-Downloads im Internet verfügbar waren. Die jungen Leute von heute können sich daher kaum vorstellen, was es heißt, wenn Musikliebhaber ein Album aus der eigenen Sammlung aussuchen, die Platte vorsichtig aus der Hülle ziehen – wobei die Finger nur den äußersten Rand berühren – und die schwarze Scheibe auf den Plattenteller legen. Wenn die Nadel des Plattenspielers langsam herabsinkt und sich mit einem sanften Knistern in die feinen Rillen gräbt ist das ein durch und durch sinnlicher Akt.

Dazu kommt das Cover, also die Schallplattenhülle, auf der man noch etwas erkennen und lesen kann. Es handelt sich dabei oft um aufwendig gestaltete Kunstwerke, zum Aufklappen oder mit Postern, mit Fotos, Stories und manchmal auch mit Stickern. Das ist beim Abspielen von CDs bei weitem nicht mehr so, obwohl bequemerweise das Umdrehen und Wechseln einer Schallplatte entfällt. Überdies gibt es ein paar technische Raffinessen, die manchen gar nicht bekannt sind.

Natalie Cole überrascht 1992 die Musikwelt mit einer über alle Maßen erfolgreichen Hommage an ihren Vater. Das Album „Unforgettable … with love“ sorgte vor allem durch ein virtuelles Duett mit dem verstorbenen Nat King Cole für Schlagzeilen. Dieser hat den Song 1951 also 42 Jahre vorher auf Band eingespielt.

Mikrophon auf langer Halterung
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Ab und zu wird bei einer Erst- und Neuauflage eines Musikalbums zusätzlich zur normalen Titelliste ein Bonustrack hinzugefügt. Gerade bei der Einführung der Compact Disc wurden viele mit derartigen Zusatztracks angereichert, vor allem bei den CDs, die bereits als Langspielplatte auf dem Markt waren. Der Besitzer der analogen LP sollte zum erneuten Kauf desselben Albums in digitaler CD-Technik animiert werden. 1969 passierte Folgendes. Die Beatles waren angeblich die ersten, die sogenannte „Hidden tracks“ – also versteckte Tracks verwendeten. Das sind Stücke, die Künstler auf ihren Alben heimlich unterbringen. Diese Songs werden auf der Plattenhülle oder im Booklet nicht genannt und überraschen die Fans zumeist am Ende einer LP oder einer CD. Die Beatles saßen gemeinsam am 30. Juli 1969 im Studio, um „Abbey Road“ zu produzieren. Paul McCartney war mit dem Ergebnis durchaus zufrieden, nur einen Song ließ er herausschneiden, weil er ihm nicht gefiel. „Her Majesty“ hieß das Lied, das der Toningenieur John Kurlander allerdings nicht wie von Sir Paul verlangt in den Müll warf, sondern aufbewahrte.

Der erste hidden track

Auf die Schnelle wusste er nicht, was er mit dem kurzen 22-sekündigen Schnipsel machen sollte und klebte ihn hinten auf die Tonbandspule. Am nächsten Tag hörte McCartney sich die Spule an samt dem vergessenen „Her Majesty“. Alle waren überrascht und überdies angetan und so entstand der erste Hidden Track in der Musikgeschichte. Nach dem letzten offiziellen Stück, das bezeichnenderweise „The End“ heißt, herrscht 14 Sekunden Stille, dann folgt „Her Majesty“, was ursprünglich nicht vorgesehen war und nicht auf der LP-Hülle auftauchte. Es sei „typical Beatles – an accident“ gewesen, erklärte McCartney später.

Virtuelle Songs sind posthum produzierte Aufnahmen. Natalie Cole überrascht 1992 die Musikwelt mit einer über alle Maßen erfolgreichen Hommage an ihren Vater. Das Album „Unforgettable … with love“ sorgte vor allem durch ein virtuelles Duett mit dem verstorbenen Nat King Cole für Schlagzeilen. Dieser hat den Song 1951 also 42 Jahre vorher auf Band eingespielt.

Lisa Marie Presley und ihr Vater Elvis hatten nur wenige gemeinsame Jahre. Er starb, als sie selbst noch ein kleines Kind war. Lisa Marie selbst gibt an, dass sie zeitlebens nie mit ihrem Daddy gesungen habe. 2007 veröffentlicht sie anlässlich des 30. Todestages ihres Vaters eine Neuaufnahme von „In the Ghetto“. Ihre Stimme wird zu der Originalversion aus dem Jahr 1969 hinzugemischt.

Mischpult
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Neben versteckten Titeln, den Ghosttracks und den nachträglich zusammengefügten Musikstücken, auf denen lebende Künstler mit einer bereits verstorbenen Größe zu hören sind, gibt es ein drittes Phänomen, das vor allem in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren für einige Aufregung sorgte. Es begann eigentlich mit dem toten Paul McCartney. Eine kleine Studentenzeitung hatte 1969 im Scherz behauptet, dass der Sänger und Gitarrist der Beatles bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei und seitdem von einem Doppelgänger bloss gespielt würde, um den kommerziellen Erfolg der Gruppe nicht zu gefährden.

Geheime Botschaft auf dem „Weißen Album“

Am 27. Oktober 1969 rief ein Hörer bei einem Radiosender in Detroit an, er habe auf dem „White Album“ – dem berühmten „Weißen Album“ – eine geheime Botschaft entdeckt. Der Anrufer, der sich als Tom vorstellte, forderte den Moderator Russell Gibb auf, den Titel „Revolution 9“ zu spielen und zwar rückwärts. Dieser geht darauf ein und legt das Stück auf, an dessen Anfang sich die Worte „Number nine“ mehrfach wiederholen. Dann lässt er die Schallplatte gegen die Spielrichtung laufen und konnte nicht glauben, was er da hörte.

Die Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Welt und wird bis heute weiter gesponnen. Gleichgültig ob Witzbolde wie leidenschaftliche Verschwörungstheoretiker, gleichgültig ob bewusstseinserweiternde Drogen oder überambitionierte Musikkenner eine Rolle spielten, man war sich sicher, dass es eine geheime Todesnachricht sei, die zu hören war. Dasselbe meinte man beim Titel „I’m so tired“ zu hören. Am Ende des Songs verstanden viele eindeutig beim Zurückspielen die Worte „Paul is dead, man, miss him, miss him“.

Langspielplatte auf Plattenteller
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Woran handelsübliche Player scheitern

In der Musikwelt spricht man von Rückwärtsbotschaften, auch als „Backward Masking“ oder „Backmasking“ in der Fachsprache bezeichnet. Gemeint sind tatsächlich beabsichtigte oder vermeintliche Sprachbotschaften auf Tonträgern wie Vinyl-Schallplatten, Tonbänder und Audio-CDs. Sie sind auf diesen in rückwärtiger Richtung gespeichert und ergeben beim Abspielen in der üblichen Richtung keinen Sinn. Rückwärtsbotschaften lassen sich erst dann erkennen, wenn man den Tonträger entgegen der vorgesehenen Richtung abspielt. Bei den analogen Schallplatten muss lediglich der Teller des Plattenspielers in umgekehrter Richtung gedreht werden während der Tonabnehmer aufgelegt ist, das können handelsübliche Player nicht. Für das Rückwärts-Abspielen von Audio-CDs wird ein spezieller CD-Player benötigt. Bei digitalen Tonformaten braucht man eine eigene Software für Musikbearbeitung und Musikwiedergabe.

Hier können Sie die Sendung nachhören:

Michael Huemer