Ensemble Bratov Avsenik
wikipedia.org/Dragiša Modrinjak
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Neue und alte Volksmusik aus Slowenien

„Von der Vielfalt slowenischer Folklore – neue und alte Volksmusik südlich der Karawanken“, so lautet das Thema der Sendung „Lust aufs Leben“ am 16. Juni ab 21.03 Uhr, gestaltet von Michael Huemer.

Entlang des Hauptkammes der Karawanken verläuft die Grenze zwischen dem österreichischen Bundesland Kärnten und der Republika Slovenija. Im Westen grenzt der Staat an Italien, unterhalb von Triest gibt es einen Zugang zur Adria, der gerne als Slowenische Riviera bezeichnet wird. Insgesamt 670 Grenzkilometer trennen Slowenien von Kroatien und nur 102 Kilometer im Osten zu Ungarn. Auf meiner Reise durch den alpenländischen Klangkosmos auf der Suche nach der sogenannten „Neuen Volksmusik der Alpen“ habe ich in vierzehntägigen Abständen bereits in der Schweiz, Südtirol und in Bayern Halt gemacht.

Nahtstelle verschiedener Musikkulturen

Am 16. Juni ist es unser südliches Nachbarland, das man durchaus als Nahtstelle verschiedener Musikkulturen verstehen kann: der europäischen im Norden, der pannonischen im Osten, der mediterranen im Westen. Der slowenische Süden verbindet das Land über den Balkan mit der orientalischen Kultur. Entsprechend haben die Volksmusiken Sloweniens diese Einflüsse aufgesogen, umgeformt und wieder weitergegeben. Die Geschichte der slowenischen Musik beginnt im 9. Jahrhundert. Man nimmt an, dass 300 Jahre zuvor slawische Vorfahren ins Gebiet des heutigen Slowenien zogen, aus dem das Fürstentum Karantanien entstand. Durch den Einfall der Magyaren wurden die Slowenen von den übrigen slawischen Stämmen getrennt, sie entwickeln nicht nur eine eigene Kultur sondern auch eine eigene Sprache. Die spätere Fremdherrschaft von Venezianern und Habsburgern hinterließ bleibende Spuren.

Sendungshinweis

„Lust aufs Leben“, 16.6.19

Mit dem Zerfall des Habsburgerreiches 1918 gingen die slowenischen Gebiete im neu gegründeten Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen auf. Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wird 1945 die Sozialistische Demokratische Föderative Volksrepublik Jugoslawien gegründet, Slowenien wird ein Teil davon und kann seine wirtschaftliche und vor allem kulturelle Eigenständigkeit innerhalb dieses Staatenbundes weitgehend aufrecht erhalten. Nach der Machtübernahme der Kommunisten unter Josip Broz Tito war es mit den italienischen und deutschen Einflüssen musikalisch vorerst vorbei. Obwohl die anderen Teilrepubliken wie Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Montenegro im gemeinsamen sozialistischen Vaterland formal gleichberechtigt waren, bestand real aber eine serbo-kroatische Vormachtstellung, die sich natürlich auch kulturell auf die Sprache und die Musik auswirkte.

Ensemble Bratov Avsenik
wikipedia.org/Dragiša Modrinjak
Ensemble Bratov Avsenik, 1961

„Authentische“ Unterhaltungsmusik ersetzt den Jazz

Im Hörfunk werden der Jazz, der als amerikanische Propagandamusik gesehen wird, und auch die italienischen Canzoni und Schlager aus dem Westen aus den Radioprogrammen verbannt. Stattdessen wird eine neue „authentisch slowenische“ Unterhaltungsmusik ins Leben gerufen: „Slovenska Popevka“: ein Festival für slowenische Unterhaltungsmusik, das von 1962 bis 1983 stattfand und 1998 wieder gegründet wurde. Der überwältigende Erfolg ließ die Schlagerindustrie aufleben, deren führende Vertreter die Volksrepublik Jugoslawien mehrmals beim Eurovision Song Contest repräsentieren konnten. Mit echter Volksmusik – wie wir sie verstehen – hatte es aber nichts mehr zu tun. Bestimmend für die staatlich reglementierte Folklore der Nachkriegszeit erlebte parallel ein weiterer Stil einen beispiellosen Siegeszug. Bratov Avsenik, die Brüder Slavko und Vilko Avsenik aus Vigaun, entwickeln eine neue Interpretationsform für Polka, Walzer und Marsch durch eine neuartige Instrumentalbesetzung: der Oberkrainer-Stil.

Besonders traditionsbewusstes Land

Slowenien wird nachgesagt, ein besonders traditionsbewusstes Land zu sein. Die Einwohner sind mehrheitlich der Ansicht, dass ein beträchtlicher Teil des slowenischen Kulturerbes erhalten geblieben ist. In vielen Dörfern und Ortschaften werden Traditionen, die mündlich überliefert wurden, gepflegt und als wichtiges Gut angesehen. 2003 trat beim internationalen Musikfestival „Glatt & Verkehrt“ in Krems erstmalig eine slowenische Band auf, die sich „Brina & String.si“ nennt. Die junge Slowenin Brina Vogelnik ist sich ihrer Wurzeln bewusst und lebt für die alten Balladen ihrer Heimat. Sie stammt aus einer bekannten Künstlerfamilie aus Laibach. Schon ihre Mutter hat sich intensiv mit der slowenischen Volksmusik auseinandergesetzt und deren Unterschied zu den aus anderen Alpengegenden stammenden Melodien und Rhythmen herausgearbeitet.

Brina Vogelnik
Brina Vogelnik

Viele Nichtslowenen behaupten und meinen, dass die slowenische Volksmusik melancholisch sei. Die zum Teil hartnäckige Verschlossenheit des Landes durch seine Lage ergibt sich vom steten Gefühl der Bedrohung des kleinen Volkes. Im bergigen Norden und Nordwesten, wo die Klima- und Lebensbedingungen am härtesten sind, hat sich in den Menschen großes Misstrauen eingenistet und könnte die Ursache sein, dass sie ihre wahre Seele nicht so leicht jemanden offenbaren. Im Gewand der Volksweisen entfaltet sich jedoch ihre lyrische Sanftheit. Die Robans besitzen eine Bergbauernwirtschaft in der Logarska dolina hoch unter den Bergen der Karawanken nicht weit von der Grenze zu Kärnten. Franc und Barbara Roban sind Geschwister und wohnen in Robanov Kot, ihr Vater hat ihnen das Zitherspiel gelehrt.

Streit um Grenzverlauf bis heute nicht beigelegt

Die mediterranen Städte Piran, Izola und Koper im Westen locken den Touristen mit ihren malerischen mittelalterlichen Stadtkernen. Die sagenumwobene Gegend war nach dem Krieg verwüstet und verarmt. Südlich davon liegt die Halbinsel Istrien, die großteils zu Kroatien gehört. Der Streit um den exakten Grenzverlauf an einigen wenigen Stellen, vor allem um die Seegrenze im Golf von Triest ist bis heute nicht endgültig beigelegt. Tolovaj Mataj interpretiert in der Sendung daher ein Hochzeitslied aus Istrien. Er spielt auf traditionellen Instrumenten, deren musikalisches Repertoire er bei den Bauern auf dem Feld lernte sowie in Musikarchiven studierte.

Die Tamburizza – Langhalslaute

Im slowenischen Süden vermischen sich in der Volksmusik europäische und balkanische und somit orientalische Elemente. Mit den Türken kam im 14. Jahrhundert die Tamburizza in die Region. Es handelt sich um eine Langhalslaute mit meist bauchigem, kleinem Resonanzkörper, einem langen Hals mit Bünden und einen fast immer doppelchörigen Bezug von zwei bis acht Stahlsaiten. Das Instrument wird mit den Fingern oder mit einem Plektrum gezupft.

Tamburizza
Tamburizza

Aus diesem Grund cremen sich die Musiker vor dem Spiel ausgiebig die Hände ein, sowie den Hals ihrer Saiteninstrumente, damit die Finger besser flutschen. Das Plektrum muss ein harter Kunststoff sein, dabei eignen sich Bierkisten am besten. Die Tamburizza wird als einzelnes Instrument zur Gesangsbegleitung benutzt. Häufiger aber stellt man aus verschieden großen Instrumenten ein ganzes Tamburizza-Orchester zusammen, das dann Tänze bei Festen und Feiern untermalt. Gewöhnlich musizieren Vater, Söhne, Freunde und Nachbarn gemeinsam. Das nächste Ensemble besteht insgesamt aus sechs Musikern aus Sodevci bei Stari Trg in der Bela Krajina.

Maja Osojnik – Alte, neue und experimentelle Musik

Maja Osojnik, 1976 in Kranj geboren, ist eine slowenische Musikern, die seit Mitte der 1990er-Jahre in Wien lebt. Sie hat sich sehr schnell einen Namen als Blockflötistin, Sängerin, Komponistin und Elektronikerin in verschiedensten Projekten mit alter, neuer als auch experimenteller Musik gemacht.

Maja Osojnik
Maja Osojnik, 2018 in Wien

Sie leitet ihr eigenes Quartett und die Maja Osojnik Band, sie liebt Herausforderungen egal ob Jazz oder Klassik, Elektroakustik oder Elektronik, Komposition oder Improvisation, slawische Volkslieder oder Chanson.

Im Osten Sloweniens liegt das Land der weiten Felder und weichen Hügel, der Störche, Klapotetze und schwimmenden Mühlen, der heilenden Gewässer und Kraftorte. Wir sind in der Nähe Ungarns und damit im pannonischen Slowenien, musikalisch in einer Gegend, die sich Prekmurje nennt.

Weinbau-Hügeldorf Križevci in der slowenischen Prekmurje
wikimedia.org/Sporti
Weinbau-Hügeldorf Križevci in der slowenischen Prekmurje

Es heißt, seine Musik sei lyrisch und träumerisch. Das lässt sich sehr gut nachvollziehen, wenn Misko Baranja das Zimbal spielt. Er selbst sagt, dass er wie ein Vogel über die Saiten flöge. Sein Solostück heißt übersetzt „Alle Kränze sind verwelkt“.

Hier können Sie die Sendung nachhören:

Michael Huemer; ooe.ORF.at