Analyse: Vor dem großen Übergabereigen

Landeshauptmann Josef Pühringer übergibt die Position des Parteichefs an Thomas Stelzer. Als Landeshauptmann soll Stelzer dann kommende Woche im Landtag gewählt werden. Eine Analyse von Gernot Ecker.

Es ist der Auftakt zum großen Übergabereigen. Viel wird man in den nächsten Tagen hören und lesen von zu großen Schuhen, in die Thomas Stelzer hineinwachsen wird müssen, von Fußstapfen, in die zu treten es für ihn schwierig wird, von einem eigenen Profil, das zu schärfen es gilt. Sätze, die man schon beim Wechsel von Josef Ratzenböck zu Josef Pühringer 1995 gehört und gelesen hat. Nach einigen Monaten formuliert die meist niemand mehr. Und auch dieses Mal wird es nicht viel anders sein. Dennoch sind 1995 und 2017 nicht vergleichbar. Sind die zur Wahl stehenden Personen und ist vor allem die ÖVP von damals und heute nicht vergleichbar.

Weit weg von den Mehrheiten vergangener Jahre

Man darf Thomas Stelzer zur Wahl sicherlich beglückwünschen. Darum beneiden muss man ihn aber keineswegs. Er übernimmt eine ÖVP, die deutlich entfernt ist von den absoluten Mehrheiten der 1980er und 1990er Jahre. Eine ÖVP, die 2009 ihren letzten wirklichen Wahlsieg hatte und spätestens seit 2015 den Atem der FPÖ im Nacken spürt. Eine ÖVP, die auf Bundesebene im Dauerstreit mit dem Koalitionspartner steckt und zielstrebig auf Neuwahlen zusteuert. Eine ÖVP, die in der Bündestruktur feststeckt.

Auch im Vorfeld der heutigen Wahl gab es jene Zwischentöne aus der Partei, die den immer größer werdenden Einfluss des Arbeitsnehmerbundes ÖAAB kritisieren. Die vor allzu linken Forderungen warnen und den Einfluss des Wirtschaftsflügels in der selbst ernannten Unternehmerpartei schwinden sehen. Darum wird es wohl auch eine der entscheidenden Fragen für Stelzer in den nächsten Monaten sein, wie belastbar die Achse zwischen ihm und seinem Stellvertreter Wirtschaftslandesrat Michael Strugl sein wird. Die war nicht immer ohne Bruchstellen, auch wenn man diese dann in medienwirksamen gemeinsamen Auftritten für zusammengeschweißt erklärt hat. Stelzer wird die internen Skeptiker rasch überzeugen und für Ruhe in der Partei sorgen müssen.

Der Umgang mit den Freiheitlichen

Eine weitere wichtige Frage wird wohl auch sein, wie es Stelzer mit der FPÖ, dem derzeitigen Regierungspartner, hält. Man hat sich sechs Jahre zur Zusammenarbeit verpflichtet. Gleichzeitig weiß man aus allen Umfragen der letzten Monate, dass die Freiheitlichen bei den nächsten Landtagswahlen die derzeit aussichtsreichsten Mitbewerber um den Landeshauptmannsessel sein werden - also die schärfsten Konkurrenten der ÖVP. Wie viel Platz wird Stelzer also den Blauen geben, sich thematisch zu profilieren?

Nicht zuletzt spannend wird wohl auch die Frage, ob und wie sich Stelzer im Machtkampf der Bundes-ÖVP zwischen Mitterlehner und Kurz positionieren wird. Und wie viel Gewicht seine Stimme für Oberösterreich nach dem Parteigranden Josef Pühringer in Wien haben wird.

Das alles sind nur ein paar der Baustellen abseits des normalen politischen Alltagsgeschäfts für Stelzer, den neuen starken Mann der ÖVP in Oberösterreich. Dem man heute sicherlich gratulieren darf, den man aber nicht unbedingt beneiden muss.

Gernot Ecker, ooe.ORF.at

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