Angeklagter bei Mordprozess: „Bin ein anderer“

Der Prozess um einen Mord an einer Marktfrau vor 16 Jahren in Sibirien ist am Freitag im Landesgericht Wels auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Der Angeklagte behauptet, jemand anderer zu sein und vermutet eine russische Intrige.

Im Jahr 2000 wurde in der sibirischen Stadt Raduzhny eine Marktfrau ausgeraubt und ermordet. Sie hatte Geld für die Hochzeit ihrer Tochter gespart. Dass sie dieses in ihrem Strumpfgürtel verwahrte, war in ihrem Umfeld ein offenes Geheimnis. Drei Männer, einer davon ihr Neffe, besuchten sie in ihrer Wohnung. Zuerst wurde geredet und getrunken. Dann töteten sie ihr Opfer durch Schläge mit einer Krimsekt-Flasche und Messerstiche. Anschließend flüchteten sie mit dem Ersparten der Frau - rund 100.000 Rubel und 4.000 Dollar.

Zwei Täter in Russland verurteilt

Zwei Täter sind bereits in Russland verurteilt worden. Der dritte soll laut russischen Ermittlern ein heute 43-jähriger Tschetschene sein, der sich nach Österreich abgesetzt hat. Der Mann, der subsidiären Schutz hat, wurde anhand seiner Fingerabdrücke identifiziert. Er trägt allerdings einen anderen Namen als von den Russen übermittelt.

Die Staatsanwaltschaft erklärt sich das mit einer Alias-Identität. Der Angeklagte hingegen beteuert, nie einen anderen Namen verwendet zu haben, nie in Sibirien gewesen zu sein und auch mit dem Verbrechen nichts zu tun zu haben. Er vermutet, dass man ihn mit einer falschen Anschuldigung hinter Gitter bringen wolle, damit er nach Russland ausgeliefert wird. Denn er sei im tschetschenischen Widerstand und im engeren Kreis um den tschetschenischen Präsidenten gewesen. Geflüchtete Tschetschenen würden von Russland oft willkürlich eines Verbrechens beschuldigt, um sie wieder zurückzubekommen, betonte auch sein Verteidiger.

Aussage eines Komplizen als Basis

Die Anklage stützt sich zudem auf die Aussage eines der Mittäter. Der Verteidiger wies darauf hin, dass sich dieser bei der Schilderung des Tatablaufs in Widersprüche verwickelt habe. „Er tischt Geschichten auf, die so nicht gewesen sein können.“ Die Geschworenen konnten sich aber kein eigenes Bild machen, weil es am Freitag nicht gelang, die von der Untersuchungsrichterin via Skype durchgeführte Einvernahme abzuspielen. Zudem fehlte eine Zeugin, die erkrankt war.

Gericht muss Identität klären

Das Gericht will nun weitere Dokumente und Akten anfordern sowie zusätzliche Zeugen ausfindig machen, um die Identität des Angeklagten zu klären. Dazu vertagte Vorsitzender Hans-Jörg Reichl auf unbestimmte Zeit. Der Angeklagte ist derzeit auf freiem Fuß, weil er bereits sehr lange in Auslieferungs- und Untersuchungshaft war. Im Zuge des Auslieferungsverfahrens hatte das Oberlandesgericht Linz entschieden, dass ihm als Tschetschene in Russland kein faires Verfahren garantiert werden könne und in Österreich verhandelt werden muss.