Millionenklagen ehemaliger Heimkinder

Nach der Millionenklage eines ehemaligen Heimkindes gegen das Land Oberösterreich ist es nun zu einer weiteren Klage gekommen. Großes Aufsehen gibt es aber auch im Fall der ersten Klage um einen angeblich verschwundenen Akt.

Mit zwölf Jahren kam der heute 44-jährige Mann 1979 in das Kinderheim Leonstein im Bezirk Kirchdorf. Seine Mutter war mit der Erziehung von fünf Kindern überfordert. Vier Jahre musste er im Heim verbringen: vier Jahre mit Prügeln durch den Heimleiter, sexuellem Missbrauch durch Erzieherinnen und zu wenig Essen, berichtet der 44-Jährige. Ganz Wochenenden sei er eingesperrt worden. Lange Zeit habe er geschwiegen und sich dann bei der Opferschutzkommission des Landes gemeldet. Diese sprach ihm 20.000 Euro zu.

Land weist Vorwürfe zurück

Diese Summe empfindet der Mann als zu wenig für sein Leid und klagt das Land Oberösterreich auf 1,1 Millionen Euro. Die Summe setzt sich aus Verdienstentgang, entgangenen Pensionsansprüchen und Schmerzensgeld zusammen. „Das Geld ist relativ, ich bin mit einem Butterbrot genauso glücklich“, erklärte er im Gespräch mit Journalisten. Es sei aber eine Genugtuung, dass es 30 Jahre nach den angeblichen Vorfällen zu einer Verhandlung gekommen ist.

Das Land weist die Vorwürfe zurück und spricht von Verjährung, sagte die Anwältin des 44-Jährigen. Zu einem Vergleich ist das Land Oberösterreich nicht bereit, wie dessen Rechtsvertreter Thomas Langer vor Gericht erklärte. Die Sache liege sehr lange zurück, es sei bereits viel gezahlt worden. „Für die Klage sehe ich keine große Chance, das ist längst verjährt.“ Langer glaubt auch nicht, dass der Ischler zu einem früheren Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen wäre zu klagen.

Julia Andras, die Anwältin des Mannes, will hingegen ein Gutachten zum Beweis, dass ihr Mandant wegen seiner schweren Traumatisierung vorher nicht in der Lage gewesen sei, seine Ansprüche geltend zu machen. Die Verjährung würde dadurch gehemmt.

Erster Termin am Landesgericht

Freitagmittag gab es einen ersten vorbereitenden Tagsatzungstermin vor dem Landesgericht Linz. Nach Ansicht des Gerichts müsse die Klage noch abgeändert werden, außerdem müsse das Land Oberösterreich Zeugen ausfindig machen. Eine Frau, die später in dem Heim untergebracht war, soll die Abläufe in der Einrichtung schildern. Zudem sollen beschuldigte Mitarbeiter des Heimes als Zeugen aussagen. Diese müssen nun ausfindig gemacht werden.

Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt, auch eine Entscheidung über Verfahrenshilfe für den Kläger ist noch nicht gefallen.

Verschwundene Akten

Die Anwälte von Jenö Molnar, dem Kläger im ersten Verfahren gegen das Land Oberösterreich, der in seiner Kindheit fälschlich als Waise geführt wurde und so Kindheit und Jugend in Heimen verbringen musste, forderten und fordern nach wie vor Einsichtnahme in Akten, die als Beweismittel dienen, darunter auch ein Gerichtsakt zu einem Strafverfahren im Jahr 1965, in dem Molnar zu Kerker verurteilt wurde - nach einem Paragrafen, der längst abgeschafft wurde. Unter anderem kämpft Molnar auch um seine Rehabilitierung in dieser Sache, der Akt ist also Beweismittel in einem laufenden Prozess.

Monatelang hieß es seitens des Landesgerichtes Linz und des Landesarchivs, der Akt sei „nicht oder nicht mehr“ vorhanden, zuletzt auch am 9. Jänner 2012. Jetzt brachte ein Zufall einen Teil des Akts wieder ans Tageslicht. Er war in einem Aktenstoß, den das Landesgericht Linz dem Landesarchiv zur Vernichtung im März 2012 übergeben hatte. Ein Beamter des Landesarchivs fand eine Kopie des Urteils, die im Jahr 1972 erstellt wurde, und rettete dieses Papier vor der Vernichtung.

Strafanzeige gegen unbekannt

Warum das Schriftstück nicht schon früher zu finden war und warum das Beweismittel in einem laufenden Verfahren auf dringende Urgenz seitens des Landesgerichts Linz zur Vernichtung übergeben wurde, ist nicht bekannt. Fest steht jedenfalls, dass Molnar und seine Anwälte ohne jegliches Beweismittel die Rehabilitierung nur erschwert vorantreiben hätten können. Molnar hat nun eine Strafanzeige gegen unbekannt unter anderem wegen Urkundenunterdrückung und versuchter Beweismittelvernichtung eingebracht.

Gericht weist Vorwürfe zurück

Das Gericht weist die Vorwürfe zurück. Der gewünschte Akt aus dem Jahr 1965 existiere nicht mehr. Er sei bereits 1999 zur Skartierung (Vernichtung) an das Landesarchiv abgegeben worden, sagt der Mediensprecher des Landesgerichts Linz, Rainer Nimmervoll. Dafür gebe es auch Nachweise. Die „dringende Urgenz“ habe der Platznot gegolten: „Das Landesarchiv wurde daher wiederholt ersucht, die Akten abzuholen. Nur darum ist es gegangen. Hier eine Verbindung mit dem Akt aus dem Jahr 1965 herzustellen, ist aus der Luft gegriffen.“

Rainer Nimmervoll im Gespräch mit ORF-Redakteurin Wiltrud Hackl:

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Bei der Urteilskopie handle es sich nur um wenige Seiten, die im Zuge eines anderen Verfahrens von einem deutschen Gericht 1972 angefordert worden seien, so Nimmervoll.

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