Mindestsicherung: Debatte über Kürzungspläne

Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat die Kürzungspläne des Landes OÖ für die Mindestsicherung kritisiert. Sie wären nicht vereinbar mit internationalem und österreichischem Recht. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hält die Vorgangsweise Oberösterreichs für derzeit in Ordnung.

Schwarz-Blau in Oberösterreich hatte am Dienstag ein Modell für die Mindestsicherung präsentiert, wonach Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte nur noch 365 Euro plus einen an Auflagen gebundenen Integrationsbonus von 155 - also in Summe 520 - statt bisher 914 Euro Mindestsicherung bekommen sollen - mehr dazu in Neues Modell der Mindestsicherung (ooe.ORF.at; 29.3.16).

„Statusrichtlinie der EU“

Stöger sieht sich nun durch das Papier des Sozialrechtlers Robert Rebhahn bestätigt: Die Statusrichtlinie der EU verlange in Bezug auf Sozialhilfe und medizinische Versorgung bei Flüchtlingen die Gleichbehandlung im Verhältnis zu Staatsbürgern, in Bezug auf den Zugang zu Wohnraum und die Freizügigkeit im Aufnahmeland nur jene im Verhältnis zu Drittstaatsangehörigen, so die Passage, auf die das Sozialministerium besonders hinweist. Bezüglich der Mindestsicherung ist für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte die Gewährung von Sachleistungen wie für Staatsbürger zulässig; bei der Unterkunft auch dann, wenn dies bei Staatsbürgern nur ausnahmsweise erfolgt.

Kürzungen bei „beharrlichem Verweigern“ erlaubt

Auch Kürzungen bei „beharrlichem Verweigern“ von „Erwerbs- und Integrationsbemühungen“ sind laut Gutachten erlaubt, aber nur in jenem Ausmaß, wie das bezüglich Erwerbs- und Ausbildungsbemühungen für Staatsangehörige gilt. Zur Residenzpflicht heißt es, diese sei „bei Vorhandensein eines migrationspolitischen Interesses“ zulässig, insbesondere nach einem verhältnismäßig großen Zustrom innerhalb kurzer Zeit. Als Sanktion ist eine Kürzung der Mindestsicherung erlaubt.

„Vorgangsweise zum jetzigen Zeitpunkt in Ordnung“

Die Vorgangsweise der oberösterreichischen Landesregierung sei zum jetzigen Zeitpunkt in Ordnung, erklärte hingegen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) mit Verweis auf die Sonderlage durch die hohen Flüchtlingszahlen. Diese Sonderlage könne aber nicht auf Dauer als Argument herangezogen werden, so Mitterlehner im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Die künftige Vorgangsweise müsse sachlich begründet sein. So könnte beispielsweise als Voraussetzung für den Anspruch auf die Mindestsicherung eine zehnjährige Versicherungsdauer sowohl für Inländer als auch für Ausländer gelten.

Lopatka: „Falschinterpretation des Gutachtens“

ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka warf Stöger eine „Falschinterpretation“ des Gutachtens vor und sah die Vorgangsweise in Oberösterreich ebenfalls „rechtlich gedeckt“. „Österreich kann seine Leistungen an Flüchtlinge und Migranten absenken“, so Lopatka. Dies gelte für künftige Anträge und soweit dies erforderlich sei, um einer Zunahme der ungleichgewichtigen Verteilung entgegenzuwirken. Das bedeute, dass die rechtliche Argumentation einer möglichen generellen Senkung des Leistungsniveaus für Flüchtlinge aufgrund der besonderen Belastung - eben der Sonderlage - nun festgestellt worden sei, meinte Lopatka.

Aus dem Sozialministerium hieß es dazu umgehend, dass Gutachter Rebhahn das Vorliegen einer Sondersituation verneint. Zudem müsste ein „Massenzustrom“ vom Rat beschlossen werden und eine Absenkung des Leistungsniveaus wäre wenn überhaupt nur für neue Antragsteller denkbar.

Bundeskanzler will Gespräche abwarten

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) will die Gespräche Stögers mit den Bundesländern abwarten. Er zeigte sich überzeugt, dass jeder aus dem Gutachten Positives für sich herausliest. Alles Weitere werden dann die Gespräche bringen. Die politische Verantwortung für die Mindestsicherung liege bei den Bundesländern, so Faymann. Er verwies auch darauf, dass man klargestellt habe, dass Sachleistungen vor Geldleistungen stehen. Er liest aus dem Gutachten heraus, dass die Gespräche mit den Ländern in eine gemeinsame Richtung zu führen sind.

Kritik der Opposition

Kritik an der Regierungspolitik kam von der Opposition. Aus Sicht der Grünen bestätigt das Gutachten den „Rechtsbruch“ durch Schwarz-Blau in Oberösterreich. Sie befürchten außerdem, dass der „soziale Kahlschlag“ bei den Flüchtlingen nur der Anfang ist. Die Freiheitlichen forderten in einer Aussendung einen „Schutzzaun rund um Österreichs Sozialsystem“ und die NEOS drängen auf eine umfassende Mindestsicherungs-Reform anstelle des „rechtlich bedenklichen Stückwerks“.

ÖGB für Vereinheitlichung der Mindestsicherung

Der ÖGB-Bundesvorstand sprach sich am Mittwoch in einer Resolution für eine Vereinheitlichung der Mindestsicherung über eine Bundeskompetenz aus. Die von der ÖVP geforderte Deckelung oder Kürzung der Mindestsicherung lehnt der Gewerkschaftsbund ab. Die Christgewerkschafter enthielten sich der Stimme, weil sie eine Wartezeit von drei Jahren für Asylwerber wollen.