Erblindungsgefahr für Diabetiker

Ein Viertel der bis zu 800.000 Diabetiker in Österreich entwickeln binnen 20 Jahren nach Ausbruch der Erkrankung schwere Netzhautschäden mit Erblindungsgefahr. Doch trotz hoch wirksamer Therapien gebe es eklatante Versorgungsmängel, so der Linzer Spezialist Matthias Bolz.

„Wir gehen davon aus, dass wir in Österreich 600.000 bis 800.000 Diabetiker haben. 90 Prozent sind Typ-2-Diabetiker. Diabetes ist keine harmlose Erkrankung. In Österreich haben pro Jahr rund 10.000 Patienten eine Amputation als Folge. Etwa 300 Diabetiker kommen neu zur Dialyse, etwa 200 Patienten erblinden. Diabetiker sterben häufiger am Herzinfarkt, Schlaganfällen und Krebserkrankungen“, sagte der Wiener Diabetologe Bernhard Ludvik (Krankenanstalt Rudolfstiftung) am Dienstag in Wien.

Injektionen können Sehkraft stark verbessern

Zu den gravierendsten Folgeerkrankungen zählen die diabetische Retinopathie und die diabetische Makulapathie. Die Retinopathie entsteht durch irreguläre Gefäßneubildungen in der Netzhaut und Entzündungen, die diabetische Makulapathie ist durch krankhafte Veränderungen am Ort des schärfsten Sehens an der Netzhaut (Makula) mit Schwellungen bedingt. Die regelmäßige Injektion von Biotech-Präparaten zur Hemmung des Gefäßwachstumsfaktors VEGF und neuerdings auch von Cortison kann die Sehkraft der Betroffenen stark verbessern und diese Krankheit unter Kontrolle bringen.

„Patienten in Österreich benachteiligt“

Doch Österreichs Patienten sind durch die Vorgaben der Krankenhäuser und der Krankenkassen gerade in diesem heiklen Bereich im Vergleich zu Ländern wie der Schweiz und Deutschland benachteiligt. „Die Anti-VEGF-Präparate wirken hervorragend. Aber nur vier Wochen. Die Patienten brauchen pro Jahr sieben bis neun Injektionen“, sagte Matthias Bolz, Leiter des Studienzentrums der Augenabteilung des AKH Linz.

Versorgungstechnisch seit Jahren bekannt und ein anhaltendes Defizit: Die Injektionstherapien werden von den Krankenkassen in der niedergelassenen Praxis nicht bezahlt. Sie können deshalb nur an Augenabteilungen der Krankenhäuser erfolgen. Das führt zu für die Patienten und deren Angehörige belastend langen Weg- und Wartezeiten.

„Viele Betroffene werden erst spät behandelt“

Der zweite Effekt: Viele der Betroffenen werden erst sehr spät behandelt. „In Oberösterreich haben wir lange Wartezeiten für einen Termin beim Augenarzt. Dieser weist dann an eine Augenabteilung zu. Das ist wieder eine Wartezeit“, schilderte Bolz. An der Spezialambulanz wird die Diagnose einer diabetischen Retinopathie oder eines Makulaödems dann bestätigt. Dann gibt es eine weitere Wartezeit bis zum Start der Injektionstherapie. Laut dem Linzer Spezialisten erfolgt diese in vielen Fällen dadurch erst sehr spät. Nicht nur in Oberösterreich gibt es lange Wartezeiten auf Augenarzttermine (Kassenärzte). Patienten, die es sich leisten können, weichen zu Wahlärzten auf Privathonorar aus.