Debatte über Sparpläne bei Prothesen

Die Oberösterreichische Gesundheits- und SpitalsAG (GESPAG) hat laut einer internen Vorgabe die Devise ausgegeben, bei den Hüftprothesen zu sparen. Nach einem Papier soll es die langlebigsten Hüftprothesen nur noch für höchstens fünf Prozent der Patienten geben. Die GESPAG weist das so zurück.

Ein entsprechendes Protokoll darüber, wann die teureren und langlebigeren Keramikimplantate vergeben werden sollen, liegt der Redaktion des Ö1-Morgenjournal des ORF vor. Mehr dazu in Sparen beim Patienten statt im Vorstand.

Eine künstliche Hüfte soll gut vertragen werden und möglichst so lange halten, dass man nur einmal eine braucht. Beides sehen die meisten Ärzte am ehesten erfüllbar, wenn im Körper Keramikköpfe auf Keramikpfannen treffen - vor allem bei jüngeren Patienten.

Nur noch für wenige Patienten

Doch in Oberösterreichs Landesspitälern soll es genau diese Kombination - übrigens die teuerste - nur noch für ganz wenige Patienten geben.

Frage des Abriebs

Welche Materialien in einer künstlichen Hüfte aufeinandertreffen, ist ausschlaggebend für Verträglichkeit und Haltbarkeit. Und ein Keramikkopf in einer Keramikpfanne gilt wegen des geringen Abriebs vor allem für jüngere Patienten als goldener Standard.

In einem internen Protokoll des Spitalsbetreibers GESPAG soll es heißen: „Maximal fünf Prozent aller Patienten werden mit Keramik-Keramik-Paarungen versorgt“. Die Ärzte empört diese Vorgabe. Der Bedarf, so sagen sie aus Angst um ihre Jobs hinter vorgehaltener Hand, der sei viel größer.

Eine Einschätzung, die auch der Wiener Primarius Martin Dominkus vom orthopädischen Spital Speising teilt. „Ich würde schätzen, dass wahrscheinlich 20 bis 25 Prozent eine realistischere Zahl wären“, sagt er.

GESPAG dementiert

GESPAG-Vorstand Harald Geck weist das alles zurück, man habe eben mit internen und externen Experten anderes erhoben und selbstverständlich dafür gesorgt, dass jeder Patient und jede Patientin bekommt, was er oder sie braucht. Gleichzeitig bestätigt der GESPA-Manager aber, bei künstlichen Gelenken insgesamt 700.500 Euro einsparen zu wollen.

Schreiben gespag Hüftprothesen

ORF

Das Protokoll der GESPAG

Die Einsparungspläne stimmen nur bedingt, sagt auch GESPAG-Vorstand Karl Lehner. Fakt sei, dass man den elf Orthopädieprimarärzten in den GESPAG-Spitälern die Frage gestellt habe, wie man bei höchster Qualität in diesem Bereich dennoch sparen könne.

Und eben diese elf Abteilungsleiter hätten sich bei den Keramikprothesen die Vorgabe fünf Prozent auferlegt. Allerdings nicht bindend, sondern mit dem Zusatz, dass man in einem Evaluierungsprozess schauen werde, ob man diese Zahl auch tatsächlich bei gleichbleibender Qualität für den Patienten erreichen kann. Die Letztentscheidung, welche Prothese implantiert werde, die liege immer beim operierenden Arzt, sagt Lehner.

Karl Lehner im Gespräch mit ORF-Redakteur Klaus Obereder:

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Auersperg: Patienten werden richtig versorgt

„Ich muss festhalten, dass wir nicht gesagt haben, dass eine Quote von fünf Prozent einzuhalten ist, sondern dass wir ein Ziel haben, Patienten so zu versorgen, dass sie in ihren Lebensumständen richtig versorgt sind“, sagte der Leiter der GESPAG-Arbeitsgruppe, der Steyrer Orthopädieprimar Vinzenz Auersperg, im Gespräch mit ORF-Redakteur Gernot Ecker.

Man habe sich sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und habe festhalten können, dass die Prothesen, die jetzt eingebaut werden, nicht schlechter sind. „Die Patienten werden so versorgt, wie es entschieden gehört, das liegt in der Entscheidung der Ärzte“, so Auersperg. Er bestätigte die genannten Sparziele in Höhe von 700.500 Euro, die zunächst durch Produktharmonisierungen - d. h. ein Produkt für alle - hätten verwirklicht werden sollen. Letztlich wurde erreicht, dass nicht alle auf andere Produkte umsteigen müssen.

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Primar der Barmherzigen Schwestern skeptisch

Skeptisch zeigt sich der Orthopädieprimar der Barmherzigen Schwestern, Josef Hochreiter. „Ich traue diesem Frieden nur bedingt“, sagte er im Gespräch mit dem ORF. „Natürlich kommen diese Zahlen von den Ärzten, aber unter Vorgabe des Trägers. Das heißt, die Ärzte bekommen die Vorgabe, einen bestimmten Betrag einzusparen und müssen dann in ihrem Wirkungsbereich nach diesen Möglichkeiten suchen. Es muss letztendlich die Verantwortung nur beim Arzt liegen.“

„Es dürfen keine Abhängigkeiten entstehen“

Wie auch immer - sehr oft kommt das Argument, man könne auch sparen, weil Ärzte daran verdienen würden, wenn sie teurere Prothesen einsetzen. Dazu sagt der Generalsekretär der orthopädischen Gesellschaft in Österreich, Alexander Giurea, von der Uniklinik in Wien: „Das ist ein ganz prekäres Thema, es dürfen keine Abhängigkeiten da entstehen. Es dürfen keine Abhängigkeiten der Ärzte von den herstellenden Firmen bestehen, aber genauso ist es nicht zu tolerieren, dass eine Abhängigkeit eines Arztes von einer Verwaltungsbehörde besteht, so dass der Arzt in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt ist und Implantate einsetzen muss, die ihm vorgelegt werden.“

Giurea glaubt übrigens nicht, dass fünf Prozent bei den Keramikprothesen in Oberösterreich erfüllt werden können, also genügen. Und er betont, dass die Entscheidungshoheit, welches Implantat man verwendet, immer beim operierenden Arzt liegen müsse.

Seniorenrat gegen Zweiklassenmedizin

Der Seniorenrat lehnt altersbezogene Kostenschranken im Gesundheitsbereich ab. „Wir haben uns immer gegen eine Zweiklassenmedizin ausgesprochen“, betonte Präsident Andreas Khol (ÖVP) am Donnerstag zum ORF-Bericht, wonach beim oberösterreichischen Spitalsbetreiber GESPAG die langlebigsten Hüftprothesen kontingentiert wurden. Einschränkungen nach Alter oder Geldbörse dürfe es nie geben, sagte auch Kopräsident Karl Blecha (SPÖ).

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Politische Reaktionen

Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) weist den Vorwurf einer Zweiklassenmedizin bezüglich der Ergebnisse eines ärztlichen Arbeitskreises der GESPAG zur Endoprothetik sowie einen Zusammenhang mit der oberösterreichischen Spitalsreform scharf zurück. Es bleibe selbstverständlich ausschließlich eine individuelle Entscheidung des behandelnden Arztes, welche die bestgeeignete Prothese für den jeweiligen Patienten sei, so der Gesundheitsreferent in einer Presseaussendung. Die Erhaltung der hohen Qualität der Gesundheitsversorgung sei ihm ein ganz besonderes Anliegen.

SPÖ-Gesundheitssprecherin Julia Röper-Kelmayr zeigt sich besorgt. Sollte es tatsächlich solche Quoten geben, dann wäre das eine Zweiklassenmedizin, die die SPÖ entschieden ablehne, sagt die Medizinerin. Es könne nicht sein, dass aufgrund von Rationalisierungsinteressen willkürliche Prozentgrenzen festgelegt werden, wer welche Indikation bekomme. Diese medizinische Indikation habe schließlich der behandelnde Arzt festzustellen, so Röper.

„Das Wohl der Patienten muss immer an erster Stelle stehen. Das gilt für den gesamten medizinischen Bereich, und danach haben sich auch alle entsprechenden Maßnahmen und Entscheidungen zu richten“, so die stv. grüne Landes- und Gesundheitssprecherin Ulrike Schwarz. Jeder Patient müsse die für seine Genesung optimale Hüftprothese bekommen. Sie mahnte aber auch zu Sachlichkeit: „Personalfragen mit medizinischen Sachfragen zu verbinden und gegeneinander auszuspielen ist kontraproduktiv.“ Kostendämpfung dürfe niemals auf Kosten der Patienten gehen.

FPÖ-Klubobmann Günther Steinkellner verweist darauf, dass im Rahmen der Spitalsreform ausgemacht worden sei, dass es zu keinerlei Verschlechterungen für die Patienten kommen werde. Steinkellner fordert Gesundheitsreferent und Landeshauptmann Pühringer auf, die Fakten auf den Tisch zu legen.

Das BZÖ sieht die medizinische Qualität in Oberösterreich wörtlich „vor dem Abgrund“.