Rechtsstreit um Deutsch in Schulen

Zwei Gutachten – zwei Meinungen: Die von ÖVP und FPÖ geplante Deutschpflicht auch in den Schulpausen wird zum Rechts- und Meinungsstreit in der Landespolitik. Und die Gutachten bzw. Stellungnahmen lassen jede Menge Interpretationsspielraum offen.

Die Grünen sind verärgert, weil ein von ihnen beim Verfassungsdienst des Landes in Auftrag gegebenes Gutachten darüber zuerst an die ÖVP weitergegeben und in weiterer Folge den Medien zugespielt worden ist, bevor es die Auftraggeber selbst bekommen haben. Und die Gutachten beziehungsweise Stellungnahmen lassen jede Menge Interpretationsspielraum offen. Während ÖVP und FPÖ darin ein Ja zur Deutschpflicht herauslesen, lesen die Grünen etwas ganz anderes.

Gutachten könnten unterschiedlicher nicht sein

Man könnte meinen, die beiden jetzt vorliegenden Gutachten zur Deutschpflicht in den Schulpausen könnten unterschiedlicher gar nicht sein. Da gibt es eines vom Landesschulrat, verfasst Mitte Jänner. Da liest man: „Das Festlegen von Deutsch als einzige außerhalb der Schule zulässige Sprache beziehungsweise das Verbot einer bestimmten oder mehrerer Sprachen im Rahmen von Hausordnungen oder Verhaltensvereinbarungen stehe im Widerspruch zur Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und sei daher unzulässig.“ Klingt eindeutig, sollte man meinen.

Artikel 8 der Menschenrechtskonvention

Aber dann ist da das Gutachten, das die Grünen beim Verfassungsdienst des Landes in Auftrag gegeben haben und das zuerst einmal an die Medien weitergespielt worden ist. Darin liest man, dass genau dieser Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, also das mit dem Privat- und Familienleben, eben genau in der Schule nicht gilt. In diesem Gutachten steht: "Dass eine Maßnahme ‚Prinzip Schulsprache Deutsch‘ beziehungsweise die Verwendung irgendeiner Sprache in der Schule nicht dem Schutzbereich Privatleben des Artikel 8 zugeordnet werden kann.“ Soweit die Fakten, vereinfacht und in Kurzform.

Ein Gebot - aber kein Verbot

Jetzt könnte man meinen: ein Gutachterstreit. Zwar ist es schon irgendwie eigenartig, dass sich eine schwarz-blaue Landesregierungskoalition, die eigentlich ohnehin keine Koalition sein will, vom eigenen Landesverfassungsdienst ihre Vorhaben absegnen lässt. Da pardoniert das Land sich quasi selbst. Aber lassen wir das einmal. Sagen wir: Zwei Gutachten, zwei Meinungen. Nur ganz so ist es nicht. Denn, was beide Gutachten bestätigten ist folgendes: Solange das Ganze als Gebot formuliert wird, als Bemühen, wie es der Landesschulrat ausgedrückt hat, und solange es keine tiefgreifenden Sanktionen gibt, wenn man sich nicht daran hält - solange ist alles in Ordnung.

Da kann man die Absicht, dass in einer Schule Deutsch auch in den Pausen gesprochen werden soll, vom Schulgemeinschaftsausschuss jederzeit in die Hausordnung schreiben lassen. Ein Gebot - aber kein Verbot. Das sagen beide Gutachten, auch wenn das manche Politiker nicht akzeptieren wollen. Von Deutschpflicht - wie es ÖVP und FPÖ formuliert haben - also keine Rede. Wollen oder sollen - ja. Müssen - nein. Und wer sich nicht daran hält, darf auch nicht der Schule verwiesen werden. Auch das steht in den Gutachten.

Die Hintertürchen der Gutachten

Das wirklich Spannende aber kommt zum Schluss. Denn wie es Gutachten oft so an sich haben, lassen sie sich ein Hintertürchen offen, durch das man sich mehr oder weniger elegant juristisch wie auch politisch aus der Sache davonstehlen kann. Im Gutachten des Landes steht nämlich: „Einer Deutschpflicht in den Pausen steht verfassungsrechtlich und grundrechtlich nicht von vorneherein und generell etwas entgegen.“ Aber dann kommt das Hintertürchen: „Die letztgültige Beurteilung einer solchen Anordnung kommt im Einzelfall den Höchstgerichten einschließlich dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu und ist daher aus derzeitiger Sicht eine politische Entscheidung.“

„Entscheidet, und wartet ab, ob jemand klagt“

Was heißt das? Das Gutachten sagt ganz offen: Liebe Politiker, entscheidet das jetzt einfach einmal. Führt die Deutschpflicht ein. Und wartet dann einmal ab, ob jemand dagegen klagt - möglicherweise durch alle Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschrechte. Eine durchaus brisante Meinung, die dem Politikum den Vorzug gegenüber dem Rechtsstaat gibt. Nicht anders ist diese Aussage zu interpretieren.

Gernot Ecker; ooe.ORF.at