Analyse und Bewertung der Wahl

Vieles ist nach der Wahl in Oberösterreich noch offen, spannende Zeiten stehen bevor. Wie aber ist es zu diesem Wahlergebnis gekommen, und wie ist es zu bewerten? Eine Analyse von ORF-Redakteur Gernot Ecker.

Es ist schlichtweg falsch, zu behaupten, das sei keine Landtagswahl gewesen, sondern eine Abrechnung mit der Bundes- und EU-Politik angesichts der Flüchtlingsströme. Es ist schlichtweg falsch, sich darauf zu reduzieren, so wie es ÖVP-Chef Josef Pühringer und SPÖ-Chef Reinhold Entholzer noch Sonntagabend getan haben. Auch wenn es politisch und menschlich angesichts der zum Teil dramatischen Verluste verständlich war. Das Thema Asyl hat eine gewichtige Rolle bei der Entscheidung der Wähler gespielt - aber es war bei Weitem nicht das einzige Kriterium.

Daten zur Wahl

Hintergründe und Daten zur Wahl im ORF.at-Wahlschwerpunkt Wahl ’15.

Die Wahl-App von ORF.at präsentiert Ergebnisse und Analysen auch mobil, aktuell und übersichtlich.

Verdrängen der Tatsachen

Und es ist ein Verdrängen der Tatsachen, wenn ÖVP und SPÖ im Asylthema die einzige Erklärung für dieses Ergebnis suchen. Diese Wahl hat eines in Zahlen deutlich gemacht: das Unbehagen der Menschen im Land, das klare Gefühl, vor allem bei den Jungen, dass die besten Zeiten hinter uns liegen. Das ist fatal für eine Gesellschaft, die an ihrer Zukunft arbeiten sollte.

Dieser Unmut, diese Unsicherheit, dieses Unbehagen kommen nicht von ungefähr. Natürlich auch durch die aktuelle Flüchtlingsproblematik. Aber es sind nicht die Flüchtlinge selbst, die dieses Wahlergebnis sozusagen verursacht haben. Es war die monatelange Hilflosigkeit der Bundes- wie auch der Landespolitik in dieser Frage. In einer Zeit, als es noch nicht Tausende täglich, sondern 300 pro Woche waren.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Schon damals, im Frühling, sah man das Unvermögen von Politik und Verwaltung, mit dieser Entwicklung ordentlich umzugehen, ordentliche Lösungen zu präsentieren. Oberösterreich erfüllte monatelang seine Quote bei der Unterbringung nicht, regelrechte Zeltdörfer waren die sichtbare Bankrotterklärung der Politik, man schob sich gegenseitig die Schuld zu, ging vor allem in der Bundesregierung reihenweise auf Tauchstation, ließ die Bürgermeister mit ihrer Bevölkerung allein und setzte ihnen zu guter Letzt noch ein von oben diktiertes Durchgriffsrecht vor die Nase.

Wut auf Landes- und Bundespolitik

Der Unmut gegenüber der Bundes- und Landespolitik bekam am Sonntag einen Zahlenwert. Und man muss hier sehr genau differenzieren - denn eines zeigen die Ergebnisse auch: Es war die Wut auf Landes- und Bundespolitik, denn in den Gemeinden, bei den Gemeinderatswahlen, verlieren ÖVP und SPÖ deutlich weniger stark als beim Landtagswahlergebnis. Die Wähler haben da sehr genau unterschieden, sie haben die Landespolitik von Schwarz und Rot abgestraft.

Überbordende und wirtschaftsfeindliche Bürokratie

Die besten Zeiten liegen hinter uns - die Arbeitslosenzahlen steigen seit Monaten, und meist im Vergleich am stärksten in Oberösterreich. Was hilft da die Selbstberuhigung der Landespolitiker, „eh noch besser“ zu sein als der Bundesschnitt? Kleine und mittlere Unternehmen klagen seit Jahren über die überbordende, wirtschaftsfeindliche Bürokratie. Den ÖVP-Schnellschuss kurz vor der Wahl mit dem klingenden Namen „Sunset Legislation“, um die Verwaltung zu vereinfachen, fand so gut wie keinen Glauben bei den Wählern. Verständlich, wenn ein Landeshauptmann nach 20 Jahren im Amt wenige Wochen vor der Wahl plötzlich den Schlüssel zu einer seit Jahren fälligen Reform gefunden zu haben glaubt.

Sorge, Zukunftsangst und Politikerverdrossenheit

Andere, wirklich umgesetzte Reformen, trafen hingegen die Menschen dort, wo sie sehr, sehr sensibel sind: in ihrem persönlichsten Lebensumfeld. Die Spitalsreform vermittelte eben auch das Gefühl, dass das Beste im Gesundheitssystem hinter uns liegt. Und so könnte man die Liste fortführen. Sie zeigt: An den Flüchtlingen allein sind ÖVP und SPÖ nicht gescheitert. Und nicht nur alle anderen sind schuld am Ergebnis. Es ist die Grundstimmung bei vielen im Land: Sorge, Zukunftsangst, Politikerverdrossenheit, nicht Politikverdrossenheit - das hat man am Sonntag eindeutig gesehen. Das Gefühl, dass es in absehbarer Zeit nicht einfacher wird. Die besten Zeiten liegen eben hinter uns, glauben viele. Die besten Zeiten auch bei ÖVP und SPÖ. Und sicherlich auch bei ihren Spitzenvertretern.

Gernot Ecker, ooe.ORF.at

Links: