Vorwurf: Scheinexekutionen in Kremsmünster

Eine Zivilklage, die ein Missbrauchsopfer gegen das Stift Kremsmünster eingebracht hat, enthält schwere Anschuldigungen gegen den angeklagten 79-jährigen Ex-Pater, aber auch gegen Lehrer und Erzieher. Es ist die Rede von Gruppenvergewaltigungen und Scheinexekutionen.

Bereits Ende 2012 brachten zwei ehemalige Klosterschüler eine Feststellungsklage gegen das Stift ein, in der es um die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle bzw. ein Eingeständnis der Mitwisserschaft geht. Ein Urteil ist noch ausständig.

Vorläufig 30.000 Euro verlangt

Nun entschloss sich ein weiteres Opfer, vor Gericht zu ziehen. Am Dienstag war der erste Verhandlungstag im Landesgericht Steyr. Der Mann, der unter dem Namen Roland H. auftritt, verlangt vorläufig einen Teilbetrag von 30.000 Euro, behält sich aber eine Ausdehnung der Forderung vor. Der Betroffene habe es nie geschafft, wieder völlig auf die Beine zu kommen, so sein Anwalt Johannes Öhlböck. Er sei nicht mehr arbeitsfähig und lebe heute unter der Armutsgrenze, heißt es in der Klagsschrift. Alleine der Verdienstentgang wird mit 450.000 Euro beziffert.

„Kosten soll Verantwortlicher übernehmen“

„Meinem Mandanten geht es nach den vielen Jahren, die vergangen sind, darum, dass er ein bisschen von dem zurückbekommt, was ihm genommen wurde. Es geht ihm auch darum, für die Zukunft Sicherheit zu haben, dass die Kosten für die Therapie von dem getragen werden, der für das Leid verantwortlich ist.“

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Der Wiener Rechtsanwalt Johannes Öhlböck im Gespräch mit ORF-Redakteur Johannes Reitter

Angebliche „GeStiPo“

Neben zahlreichen sexuellen und gewalttätigen Übergriffen, die teilweise auch Gegenstand des Strafverfahrens sind, enthält das Schriftstück weitere bisher nicht bekannte Vorwürfe gegen das „System Kremsmünster“. So soll es eine „GeStiPo“ aus älteren Schülern gegeben haben. Diese habe der Ex-Pater eingesetzt und später bewusst geduldet.

Einmal sei dem Kläger beispielsweise von mehreren Mitgliedern ein Plastiksack über den Kopf gezogen worden. Dann hätten sie ihn zusammengeschlagen, bis er die Besinnung verlor. Ein anderes Mal sei ihm ein Skistock mit der Spitze an den Hals gesetzt und erklärt worden: „Jetzt ist es aus mit dir.“ Der Betroffene habe derartige Aktionen als „Mordversuch“ und „Scheinexekution“ erlebt, ist in der Klagsschrift zu lesen.

Von Geheimbünden und Auserwählten erzählt

Immer wieder werden auch NS-Relikte erwähnt: So soll der angeklagte Ex-Pater seinem Zögling von Geheimbünden und Auserwählten erzählt und ihm dabei einen Dolch mit der Inschrift „Meine Ehre heißt Treue“ (Wahlspruch der SS, Anm.) gezeigt haben. Auch ist die Rede davon, dass in den 1980er Jahren im Stift noch von Tellern mit Hakenkreuzen auf der Rückseite gegessen worden sei. Diese faschistische Ideologie habe vor allem der Ex-Pater vertreten. Begriffe wie „minderwertiges Leben“ seien Teil der Diktion im Internat gewesen, der Kläger denke bis heute, er dürfe sich nicht fortpflanzen.

Gewaltätige Übergriffe durch Lehrer und Erzieher

Die Klagsschrift schildert zudem zahlreiche gewalttätige Übergriffe durch Lehrer und Erzieher sowie sexuellen Missbrauch durch den 79-Jährigen. Dieser habe Zöglinge per Fingerzeig für vogelfrei erklärt. Die Schüler hätten das in „vögelfrei“ umbenannt, denn der Betroffene habe dann von allen ausgegriffen werden dürfen.

Der Kläger sieht darin eine befohlene Gruppenvergewaltigung. Er geht davon aus, dass er wegen seiner familiären Probleme bereits von vornherein als Opferkind ausgesucht worden sei. So habe der Ex-Pater den Vater des Klägers vor Besuchen „scharfgemacht“, damit dieser seinem Sohn, der sich angeblich nicht gut benahm, bereits mit Wut gegenübertrat. Dem Buben sei es dadurch nicht möglich gewesen, sich ihm anzuvertrauen.

Verhandlung vertagt

Die Verhandlung wurde nach der ersten Tagsatzung auf unbestimmte Zeit vertagt. Nun ist erst einmal ein Gutachter am Wort, um die Frage der Verjährung zu klären. Das ist ein zentraler Punkt in der Klage. Ein Psychiater soll den Kläger nun begutachten und feststellen, ob eine dissoziative Störung vorliegt, die ihn gehindert hat, die Sache früher anzuzeigen, so der Anwalt.

Er argumentiert unter anderem mit einem Spruch des Oberlandesgerichts Innsbruck im Fall Mehrerau, in dem eine Haftung des Klosters bejaht wird. Zudem zitiert er eine Aussage von Abt Ambros Ebhart in den Medien, wonach es „Verjährung für uns nicht gibt“.

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