Chronologie des „Systems Kremsmünster“

Seit über fünf Jahren sind die Missbrauchsvorwürfe gegen Ordensmänner des Stiftes Kremsmünster in Oberösterreich öffentlich bekannt. Ein mittlerweile zu zwölf Jahren verurteilter Ex-Pater sitzt in der Strafvollzugsanstalt Stein ein.

Der heute 81-Jährige war der erste höhere Geistliche, der sich im Zuge der Missbrauchsaffäre in der römisch-katholischen Kirche vor einem weltlichen Richter verantworten musste. Im Folgenden eine Chronologie der Ereignisse:

1950er Jahre: Es kommt zu Missbrauchsfällen, die erst im Laufe der aktuellen Affäre an den jetzigen Abt herangetragen werden. Die Vorwürfe richten sich gegen drei bereits verstorbene Patres.

1962 bis 1998: Der Ex-Pater ist Lehrer bzw. Erzieher im Stiftsgymnasium in Kremsmünster, von 1970 bis 1996 sogar Internatsleiter, die Jahre 1973 bis 1993 waren für die Anklage relevant. Ex-Zöglinge beschrieben die Zeit als „System Kremsmünster“, in dem Gewalt und sexuelle Übergriffe alltäglich gewesen seien.

1970: Nach Missbrauchsvorwürfen wird ein (anderer) Geistlicher vom Schuldienst abgezogen.

1995: Der Ex-Pater droht einem ehemaligen Schüler mit Suizid, sollte dieser öffentlich Vorwürfe erheben. Er soll auch rund 300.000 Schilling (rund 21.802 Euro) „Schweigegeld“ bezahlt haben.

2005: Als erneut Vorwürfe auftauchen, wird ein weiterer Pater aus dem Schuldienst abgezogen.

26. März 2007: In Zusammenhang mit anderen Ermittlungen werden bei der Polizei erstmals auch Missbrauchsvorwürfe gegen den Ex-Pater laut. Laut Abt habe er das im Kloster verheimlicht.

18. April 2008: Das Ermittlungsverfahren wird wegen Verjährung eingestellt.

10. März 2010: Nachdem er offenbar durch Medienrecherchen mit Missbrauchsvorwürfen gegen Mitglieder seines Ordens konfrontiert worden ist, enthebt Abt Ambros Ebhart drei Patres ihrer Ämter.

11. März: In einem Artikel in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ berichtet ein Ex-Zögling, die drei Geistlichen hätten in den 1980er Jahren Schüler geschlagen und sexuell missbraucht. Der Abt gibt eine Pressekonferenz, in der er Aufarbeitung verspricht.

15. März: Einer der Patres übergibt der Staatsanwaltschaft Steyr eine schriftliche Sachverhaltsdarstellung. Zunächst wird gegen drei Beschuldigte ermittelt, zwei Verfahren werden später eingestellt. Vorwürfe gegen acht weitere Personen wegen körperlicher oder seelischer Gewalt werden als strafrechtlich nicht relevant oder verjährt eingestuft.

24. März: Abt Ambros Ebhart zeigt bei der Polizei an, dass der Hauptverdächtige eine nicht registrierte Pumpgun bei ihm abgegeben habe, die er seit 15 Jahren besessen habe.

22. Juni: Die BH Kirchdorf verhängt ein Waffenverbot über den Pater.

5. Juli: Das Landesgericht Steyr verfügt die Beschlagnahmung der Pumpgun. Sie wird vom Waffenamt als mögliche „Tatwaffe“ (Nötigung, Drohung) geführt.

2010: Das kirchenrechtliche Verfahren gegen einen Beschuldigten, gegen den die Justiz das Verfahren eingestellt hat, wird abgeschlossen. Er bekommt Auflagen und lebt seither zurückgezogen im Kloster.

4. März 2011: Knapp ein Jahr nach Bekanntwerden der Vorwürfe haben sich 45 mögliche Opfer bei der Diözesanenkommission gegen Missbrauch und Gewalt gemeldet.

15. März 2012: Der Hauptverdächtige tritt aus dem Kloster aus.

6. Dezember: Ex-Zöglinge des Stiftsinternats bringen Zivilklage gegen das Stift ein. Sie werfen dem Abt vor, versprochene Zusagen - unter anderem ein Eingeständnis der Mitwisserschaft - nicht eingehalten zu haben.

11. Februar 2013: Das Stift zieht in einer Pressekonferenz erneut Bilanz: 700.000 Euro wurden an Opfer bezahlt. 38 Fälle wurden bei der Klasnic-Kommission, eine Handvoll weiterer nur bei der Staatsanwaltschaft gemeldet.

9. April: Die Staatsanwaltschaft Steyr gibt bekannt, dass sie Anklage gegen den 79-jährigen Hauptverdächtigen erhebt.

1. Juli: Der Prozess gegen den ehemaligen Konviktsdirektor beginnt.

3. Juli: Der Ex-Pater wird zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Die Staatsanwältin wirft dem Mann vor, nur „vermeintlich“ Reue gezeigt zu haben. Das Urteil war zunächst nicht rechtskräftig.

26. März 2015: Der wegen sexuellen Missbrauchs an ehemaligen Zöglingen rechtskräftig zu zwölf Jahren Haft verurteilte 81-jährige Ex-Pater des Stiftes Kremsmünster sitzt aktuell in der Strafvollzugsanstalt Stein.

27. März 2015: Ein erschütterndes Bild zeichnet der Schlussbericht zu den Missbrauchsvorwürfen im Stift Kremsmünster: Mit dem Schluss, dass für die Schüler des Stiftsgymnasiums zu allen Zeiten die Gefahr bestanden habe, Opfer sexueller und psychischer Gewalt zu werden.

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