Warten auf Anklage gegen Ex-Polizeichef

„Wochen bis Monate“ wird es laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Ried noch dauern, bis tatsächlich Anklage gegen den ehemaligen guatemaltekischen Polizeichef Javier Figueroa erhoben wird.

Die 9000 Seiten Material, die man von den guatemaltekischen Behörden erhalten habe, würden von sieben Dolmetschern übersetzt. Zusätzlich vernehme man per Video Zeugen aus Guatemala. „Obwohl die Distanz natürlich eine Herausforderung ist, verläuft die Zusammenarbeit mit den dortigen Behörden gut“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Ried, Alois Ebner, am Dienstag.

Mord an mindestens zehn Häftlingen vorgeworfen

Dem 40-jährigen Figueroa, der derzeit in Österreich in U-Haft sitzt, wird der Mord an mindestens zehn Häftlingen in seinem Heimatland vorgeworfen. 2007 war er nach Österreich geflüchtet und hatte Asyl beantragt, was ihm auch gestattet wurde. Einen Auslieferungsantrag Guatemalas hatte das Oberlandesgericht Linz vergangenen Dezember abgelehnt: Figueroa könne auf Grund der Menschenrechtssituation dort kein faires Verfahren erwarten. Stattdessen wird er wohl in Österreich angeklagt. Figueroa streitet die Vorwürfe gegen ihn ab. Mehr dazu in U-Haft für Ex-Polizeichef Guatemalas

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, teilt die Einschätzung der österreichischen Behörden nicht: „Wir schließen uns dem Urteil der UNO-Kommission an: Ein Fall wie dieser sollte in Guatemala aufgearbeitet werden.“ Vor allem in heiklen Fragen, in denen es um Gräueltaten der Vergangenheit ging, habe die guatemaltekische Justiz angemessene Urteile gefällt. Patzelt schränkt jedoch ein: Im Moment gebe es ein Moratorium für die in Guatemala immer noch erlaubte Todesstrafe. Der neue Präsident Otto Pérez Molina habe jedoch angekündigt, dieses aufzuheben. „Sollte es tatsächlich dazukommen, dürfte Figueroa nicht ausgeliefert werden“, so Patzelt.

Guatemala „teilweise frei“

Das US-amerikanische Forschungsinstitut Freedom House schätzt Guatemala als „teilweise frei“ ein. Vergleichbar sei die Situation mit jener in Ländern wie der Ukraine oder Bangladesch. Der Bertelsmann Transformationsindex, der die wirtschaftliche und politische Situation von Entwicklungs- und Schwellenländern erfasst, weist dem guatemaltekischen Rechtsstaat den gleichen Wert zu wie jenem in Russland oder dem Kosovo. Wie viele Länder Lateinamerikas ist Guatemala nach wie vor eine junge Demokratie: Erst 1996 wurden nach einem fast 40 Jahre dauernden Bürgerkrieg, der 200.000 Menschen das Leben kostete, wieder demokratische Institutionen aufgebaut.

Wie der guatemaltekische Menschenrechtsaktivist Ruiz Juan Ramon in der „Zeit im Bild 2“ des ORF-Fernsehens am Montag sagte, erwarte die guatemaltekische Bevölkerung vom Prozess in Ried vor allem Gerechtigkeit und die restlose Aufklärung des Falles.