Die karge Zeit des Fastens, in denen Fleischspeisen, Milchprodukte und Eier verboten waren, wurde durch die Sonntage unterbrochen, die niemals als Fasttage galten. Vor allem der Mittfastensonntag, der 4. Fastensonntag, steht im Zeichen heiliger Vorfreude. Er wird „Laetare“ genannt. Die Mönche in den Klöstern erhielten an diesem Tag bei ihrem Mahl ein zusätzliches Gebäck. In Gmunden wird dieser Fastensonntag auf besondere Weise begangen: als „Liebstattsonntag“, an dem man spruchgezierte Lebkuchenherzen austauscht und somit „Liebe abstattet“.

Der Passauer Bischof hat im Jahr 1641 die „Corporis-Christi-Bruderschaft“ bestätigt, die im Sinne der Gegenreformation eine Vertiefung des religiösen Lebens in der Stadt bewirken sollte. Diese Bruderschaft wählte als Tag ihrer Jahreshauptversammlung den 4. Fastensonntag und begann den Tag mit einem Kirchgang und einem festlichen Mahl.
Brüderliche Liebe für die Armen
Zu diesem Mahl sollen auch die Armen der Stadt geladen gewesen sein – als Zeichen brüderlicher Liebe zu den Mitmenschen. In historischen Dokumenten ist diese Bruderschaft zwar belegt, aber es steht nichts von einem „Liebe abstatten“ geschrieben. Der Begriff „Liebs-Bestattungs-Sonntag“ scheint zum ersten Mal im Jahr 1768 auf. Damals beschwerte sich die Kirche über den Sittenverfall in der Stadt Gmunden.

In den Dokumenten ist von gröbsten Ausschweifungen zu lesen, die nicht mit der Bußzeit vereinbar sind. Ledige Burschen trafen eben an diesem Tag „in schlüpfriger Sache“ öffentlich ledige Mädchen. Quellen aus dem Jahr 1856 sprechen am Mittfastensonntag von einer Art Heiratsmarkt, an dem sich junge Mädchen besonders fein herausputzten, sich am Hauptplatz einfanden und hofften, von den Burschen ins Lebzelterhaus zu Met eingeladen zu werden. Dieser Tag galt damals als jener Tag, an dem man Liebesverhältnisse begann, bestätigte oder auflöste. Von Lebkuchenherzen ist aber noch nicht die Rede.
Zuckerguss aufs Herz
Erst zu Beginn der 1930er-Jahre lassen sich verzierte Lebkuchenherzen von Gmundner Konditoren nachweisen. Heutzutage backen und verzieren sie rund 20.000 Herzen. Auch die Mitglieder der Trachtenvereine und Goldhaubengruppen backen alljährlich tausende Herzen und beschenken die Menschen beim „Herzerlverteilen“ am Stadtplatz.

Der Liebstattsonntag in der heutigen Form ist also ein Ergebnis der Folklorisierung, die mit der Gründung der Trachtenvereine zu Beginn des 20. Jahrhunderts einherging. Alsbald luden Trachtenvereine zu Liebstattfeiern und Liebstatttanz. Schon bald wurde der Liebstattsonntag zu einem der wichtigsten Fremdenverkehrstage der Stadt Gmunden. Schon im Jahr 1963 war die Kurverwaltung im Sinne des Tourismus darauf bedacht und spendete Lebkuchenherzen zum Zwecke der Werbung.
Gmundens liebster Brauch als UNESCO-Kulturerbe
Mittlerweile haben auch andere Orte in Oberösterreich diesen zuckersüßen lebkuchenduftenden Brauch zum vierten Fastensonntag übernommen, das Original in Gmunden wurde im Jahr 2014 in die Liste der Immateriellen Kulturgüter der UNESCO aufgenommen. Im Ursprungsort ist der Laetare-Sonntag, der Sonntag der Freude, heutzutage ein fröhliches Fest mit bunt verzierten Lebkuchenherzen, die ihre Besitzer wechseln, und damit auch vielen ein Lächeln ins Gesicht zaubern.