Gerichtsakten
KERSCHBAUMMAYR
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Chronik

Bedingte Haftstrafen für Zahnärzte

Wegen Körperverletzung und Betrugs sind am Donnerstag zwei Zahnärzte im Landesgericht Steyr nicht rechtskräftig zu bedingten Haft- und Geldstrafen verurteilt worden.

Laut einer Aussendung des Landesgerichts Steyr wurde der Erstangeklagte wegen des Vergehens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges und der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten und einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt. Sein Bruder wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und einer Geldstrafe von 3.600 Euro. Die Freiheitsstrafen wurden bei beiden Angeklagten bedingt ausgesprochen. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Provisorien als hochwertige Kronen verkauft

Der Hauptangeklagte, ein deutsch-syrischer Staatsangehöriger, hatte im Jahr 2013 als Wahlarzt eine Ordination eröffnet. Ab dann habe er laut Anklage mindestens 150 Patienten hochwertige Kronen zugesagt, die sich jedoch als Provisorien entpuppten. In 113 Fällen stellte er offenbar zudem Behandlungen in Rechnung, die er nie durchgeführt haben dürfte. Weiters soll es bei 14 von 25 unfachgemäß behandelten Patienten zu schweren Komplikationen gekommen sein. Der ebenfalls vor Gericht stehende Bruder, der ab 2016 in einer Kassenordination mit dem Hauptangeklagten arbeitete, soll in 16 Fällen Patienten gesundheitlich geschädigt haben.

Operation nach „gravierender Fehlbehandlung“

2018 war eine erste mutmaßliche Fehlbehandlung bekanntgeworden. Eine Patientin hatte in entzündetes Gewebe ein Zahnimplantat erhalten. Gesetzt wurde dieses vom Zweitangeklagten in der Privatordination des Bruders. Diese „gravierende Fehlbehandlung“ führte dazu, dass die Patientin in ein Linzer Krankenhaus operiert werden musste, so die Staatsanwältin. Es habe eine beginnende Sepsis vorgelegen. Die Patientin erlitt eine Nervenschädigung einer Gesichtshälfte – ein „bleibender Schaden.“ Ermittlungen der Polizei ergaben, dass besagte „Fehlbehandlung kein Einzelfall“ gewesen sei, unterstrich die Staatsanwaltschaft. Nach viereinhalb Jahren Ermittlungsarbeit war die Liste der mutmaßlichen Verfehlungen fertig.

„Nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“

Auch wenn beide Mandanten grundsätzlich die Verantwortung bezüglich der fahrlässigen Körperverletzung übernehmen, hätten sie „nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“, erklärte der Verteidiger. Den Vorwurf, er habe minderwertige Kronen eingesetzt, aber teurere in Rechnung gestellt, wollte der 46-jährige Hauptangeklagte so nicht stehen lassen. Er habe Langzeitprovisorien aus einem Kunststoff-Keramik-Gemisch, die besser seien als „spröde werdende Keramikkronen“, verarbeitet. Darüber habe er auch die Patienten mündlich aufgeklärt, versicherte er.

Zahnärzte vor Gericht
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Die beiden Angeklagten in Steyr vor Gericht

Der Angeklagte gab weiters zu, den Sozialversicherungen nicht erbrachte Leistungen verrechnet zu haben. Mit den beiden Ordinationen „habe ich über meine Verhältnisse gelebt, bin dann leider Gottes zu den Fehlberechnungen gekommen, ohne nachzudenken, dass dies auch meine eigene Zukunft ruinieren wird“, nannte er vor Gericht als Motiv. Er „bereue zutiefst, die Kassen betrogen“ zu haben. 2018 habe er beim „Finanzamt 140.000 Euro Schulden“ gehabt.

Schadenersatzforderungen im sechsstelligen Bereich

Auch sein zehn Jahre älterer Bruder bekannte sich schuldig – der „grob fahrlässigen Körperverletzung mit zum Teil schweren Folgen“. Auf die entsprechende Nachfrage des vorsitzenden Richters des Schöffensenats antwortete er kurz mit Ja. Auf Fragen der Staatsanwältin, Schöffen und Rechtsvertretern von Opfern, die sich als Privatbeteiligte mit Schadenersatzforderungen im sechsstelligen Bereich dem Verfahren angeschlossen haben, verweigerte er ebenso wie sein Bruder von vornherein eine Antwort.

Zahnarztpraxen geschlossen

Über die beiden Ordinationen war bereits im März 2019 am Landesgericht Steyr das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Passiva beliefen sich auf rund 500.000 Euro. Die Zahnarztpraxen wurden nach Bekanntwerden der Vorwürfe geschlossen. Die Brüder wollen sich laut eigenen Angaben im Ausland wieder als Zahnärzte etwas Neues aufzubauen. Wie der Richter aus sozialen Medien entnommen hat, versuche dies der Hauptangeklagte anscheinend in Dubai.