Chronik

Roland K. wie vom Erdboden verschluckt

Drei Tage vor Weihnachten gibt es noch immer keine Spur vom 42-jährigen Roland K. aus Natternbach (Bezirk Grieskirchen). Der Mann ist seit eineinhalb Wochen nach einem Lokalbesuch in Linz abgängig.

Menschen, die plötzlich verschwinden, sind für Angehörigen eine Tragödie – für die Polizei aber leider Alltag, wie die Zahlen aus dem heurigen Jahr zeigen: 2022 sind bisher allein bei der Polizei in Oberösterreich 1.473 Abgängigkeitsanzeigen erstattet worden. In 280 Fällen betrafen die Anzeigen Erwachsene. In fast 1.200 Fällen Minderjährige – also Kinder und Jugendliche.

28 Fälle heuer ungeklärt

Von den knapp 1.500 Abgängigkeitsanzeigen konnten heuer bisher nur 28 Fälle nicht geklärt werden. Von den 14 Erwachsenen und 14 Kindern bzw. Jugendlichen fehlt jede Spur. Derzeit wird also nicht nur der aktuelle Fall von Roland K. bearbeitet, auch viele andere – oft Jahre zurückliegende Vermisstenfälle – bleiben rätselhaft.

Vielen in Erinnerung ist beispielsweise auch das Verschwinden der beiden Mühlviertler aus Zwettl an der Rodl im Jahr 2015. Auch die Suche nach Christine S. aus Linz, die nach einer Bergtour im Salzkammergut verschwunden ist, sorgte im Jahr 2017 für Schlagzeilen und ist bis heute nicht abgeschlossen.

Großteils werden Minderjährige vermisst

Die Gründe für das Verschwinden einer Person können vielfältig sein: „Bei 75 Prozent der abgängigen Personen handelt es sich um Minderjährige, die unerlaubt in Betreuungseinrichtungen abgängig sind. Sie kommen aber meist nach wenigen Tagen wieder dorthin zurück“, sagt Heinz Holub-Friedrich, Sprecher des Bundeskriminalamtes.

Die restlichen Anzeigen betreffen Unfälle, Personen, die aufgrund von Krankheiten abgängig sind – also etwa wegen Demenz, auch wegen Selbstmordes. Nicht zu vergessen sei laut Polizei aber auch, dass Personen ab 18 Jahren selbst bestimmen können, wo sie sein wollen. Sie können sich also etwa für ein neues Leben entscheiden und müssen den Erziehungsberechtigten nicht Bescheid geben, sagt der Experte.

Polizeifahrzeug
ORF.at/Sonja Ryzienski
Bei Minderjährigen läuft Suche sofort

Grundsätzlich beginnt die Polizei mit der Fahndung nach Personen, sobald ein Gewaltverbrechen oder ein Unfall nicht ausgeschlossen werden kann. Bei minderjährigen Vermissten wird die Suche sofort eingeleitet. Das Bundeskriminalamt hat für derartige Fälle ein Kompetenzzentrum für abgängige Personen eingerichtet. „Hier läuft alles zusammen: Anzeigen, alle Infos zu den abgängigen Personen, wir arbeiten hier mit den jeweiligen Landespolizeistationen zusammen und sind auch international vernetzt.“

Social Media: Fluch und Segen zugleich

Oft wird die Suche nach den Vermissten durch Medienaufrufe unterstützt. Und auch private Vereine ergreifen oft die Initiative und nutzen die sozialen Medien. „Dadurch erreicht man natürlich noch mehr Menschen, die helfen können. Auch auf die Gefahr hin, dass einem im Internet oft Kritik entgegenkommt. Nicht selten müssen sich die Angehörigen in sozialen Medien anhören ‚Warum habt ihr nicht besser auf euer Kind aufgepasst?!‘“, sagt Heinz Holub-Friedrich, Sprecher des Bundeskriminalamtes.

Jeder einzelne Vermisste hinterlässt Familien, Verwandtschaft und Freunde, die auch nach Jahren die Hoffnung, den Vermissten irgendwann wieder zu finden, nie aufgeben.