JKU Campus West: Computerbild von Gebäude innen, lichtdurchflutet mit verschiedenen Ebenen
querkraft/patricia bagienski
querkraft/patricia bagienski
Politik

TU Linz: „Nachschärfungen“ gefordert

Am heutigen Dienstag endet die Begutachtungsfrist für das Gründungsgesetz zur neuen Linzer Technischen Universität. Es gab heftige Kritik. Auch JKU-Rektor Meinhard Lukas fordert „Nachschärfungen“. LH Thomas Stelzer (ÖVP) sieht nach wie vor eine „riesen Chance“.

Mehrere äußerst kritische Stellungnahmen vor allem aus dem universitären Bereich sind zum Gründungsgesetz der Linzer TU eingegangen. Man hat Bedenken hinsichtlich des wissenschaftlichen Anspruchs, des Zeitplans sowie der Finanzierung und befürchtet, die Freiheit der Wissenschaft werde ausgehebelt. „Das vorliegende Konzept zeigt eine extrem einseitige Orientierung an den Bedürfnissen der oberösterreichischen Industrie“, schreibt die Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko), Sabine Seidler, an die Mitglieder des Wissenschaftsausschusses im Parlament.

JKU-Rektor Lukas: Nachschärfungen nötig

Es gebe zwei Kritikpunkte, die sich durch beinahe alle Stellungnahmen ziehen würden, so JKU-Rektor Meinhard Lukas. Die Universität führe den Namen „Technische Universität“. „Nach dem vorliegenden Konzept sei es aber eine Themenuniversität“, so Lukas. „Der zweite Kritikpunkt ist, dass zu wenig bisher darüber nachgedacht wurde, wie diese Universität in den Standort passt, wie sie sich einfügt.“ Man habe in Linz an der JKU eine sehr gute Informatik, eine sehr gute Mechatronik sowie den Schwerpunkt auf das Thema digitaler Wandel. Damit gehe es nun um das Verhältnis der neuen Universität zur JKU sowie zu den anderen Universitäten in Österreich. „Hier muss nachgeschärft werden“, so Lukas.

Beim Bund reagierte man am Dienstag noch abwartend. Man werde die Stellungnahmen sichten und kritisch prüfen, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium auf Anfrage von Radio OÖ. Man sei sich bewusst, dass mit der interdisziplinären, technischen Uni ein neuer Weg beschritten wird, heißt es weiter. Bislang seien 12 Stellungnahmen zur TU eingelangt, so das Ministerium.

Finanzierung: „Politisch verantwortungslos“

Die uniko bemängelt in ihrer Stellungnahme, dass der Gesetzesentwurf in maßgeblichen Bereichen sehr vage bleibe – etwa, was Struktur, rechtliche Basis, die Rahmenbedingungen für den Betrieb und die Aufgaben der geplanten Ges.m.b.H. zur Organisation und Verwaltung angehe. Massive Bedenken haben die Universitäten hinsichtlich der Finanzierung: Zum einen halte man es für „zweckwidrig und rechtswidrig“ sowie „politisch verantwortungslos“, dass die Aufwendungen der Gründungsphase aus den Mitteln der „Ministerreserve“ erfolgen soll.

Zum anderen will die uniko vor Gesetzesbeschluss die 15a-Vereinbarung mit dem Land Oberösterreich unter Dach und Fach wissen – da der Bund versichert hat, dass die Finanzierung der neuen TU nicht zulasten der bestehenden Unis gehen soll, zweifelt man am Zustandekommen dieser Vereinbarung. Hier setzt auch der Oö. Landesrechnungshof (LRH) an, der sich wundert, dass der Bund „entgegen seiner verfassungsrechtlich verankerten Verantwortung und Zuständigkeit“ die Realisierung von der finanziellen Beteiligung eines Landes abhängig mache. Die Höhe der Beteiligung sei völlig unklar, es seien dem LRH „auch keinerlei (mittelfristige) Finanzplanungen des Landes Oberösterreich bekannt, die darüber Auskunft geben würden“.

Massive Zweifel an Zeitplan

Der Plan, im Wintersemester 2023/24 zu starten und gleich ein Bachelorstudium sowie ein PhD-Doktoratsstudium anzubieten, sei unter den gegebenen Qualitätsanforderungen „kaum durchführbar“, schreibt die uniko in ihrer Stellungnahme weiter. Es sei nicht nachvollziehbar, „wie in einer Einrichtung, deren Forschungspersonal und -infrastruktur noch nicht aufgebaut sind, die Durchführung eines PhD-Doktoratsstudiums gemäß universitärer Qualitätsstandards geleistet werden kann“. Den Senat der Linzer Johannes Kepler Uni (JKU) erfüllt „die im Konzeptpapier dargestellte Ausrichtung der neuen Universität und der auf dieser Basis illusionäre Anspruch an wissenschaftliche Exzellenz mit großer Sorge“.

Und: „Es wird bezweifelt, dass es sich bei der neuen Universität tatsächlich um eine Technische Universität handelt, wie sie im internationalen Kontext als Marke existiert“, heißt es in der Stellungnahme. Denn „der von der Konzeptgruppe ausgearbeitete Vorschlag sieht eine Universität vor, die nicht-technikaffine Studierende anziehen soll und in ihrer Ausrichtung eher auf Interdisziplinarität und Entrepreneurship abzielt als auf ingenieurwissenschaftliche Grundlagen.“ Zudem gebe es große Überschneidungen mit bestehenden Unis, insbesondere mit der JKU, wo Digitalisierung seit Jahren ein Kernthema sei. Die Aufnahme des Regelbetriebs im Wintersemester 2023/24 sei „illusorisch“, meint auch der Senat.

Betriebsrat: Untaugliches Konzept

Geradezu vernichtend ist die Stellungnahme des Betriebsrats für das wissenschaftliche Personal der JKU, die 328 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterzeichnet haben. Man sei „grundsätzlich bestürzt, dass es auf Basis des vorliegenden Konzeptpapiers überhaupt zu einem Gesetzesentwurf kommen konnte“, heißt es gleich einleitend. „Digitalisierung und die Digitale Transformation sind keine eigenständigen wissenschaftlichen Fächer. Demnach ist eine rein auf dieses Thema fokussierte Universität entweder eine substanzlose Hülle oder eine Duplizierung von bestehenden Teilkompetenzen der JKU, aber auch anderer Universitäten“, wobei das vorgelegte Konzept der ersten Variante zuzurechnen und „somit insbesondere keine Technische Universität“ sei. Das Konzept sei „untauglich“.

Wissenschaftsfreiheit „in Gefahr“

Man befürchtet darüber hinaus, dass das TU-Gesetz Modellcharakter für eine zukünftige Universitätslandschaft haben soll. „Es zeichnet sich darin die Tendenz zu einer weiteren Rückbildung der Autonomie und einer Öffnung gegenüber politischem Einfluss ab, der zu einer unmittelbaren Indienstnahme für die Wirtschaft führt und der mit der Wissenschaftsfreiheit kaum vereinbar ist.“ Besonders kritisiert wird, dass im Gründungskonvent Vertreter der Politik und des Landes eine Zweidrittelmehrheit haben. „Das Gesetz lässt Berufungsverfahren und Selbstbestimmungsagenden gänzlich ungeregelt, und setzt ihre Regelung so – via Gründungskonvent – dem Zugriff der Politik aus. Insgesamt atmet das Gesetz ein unzeitgemäßes Misstrauen gegenüber Wissenschaft und Wissenschafterinnen und Wissenschaftern“, schreibt der Senat.

Die Unterzeichnenden kritisieren auch, dass die geplante „Universität“ – das Wort ist in der Stellungnahme unter Anführungszeichen gesetzt – außerhalb des Universitätsgesetzes organisiert sei: „Im jetzigen Entwurf zeichnet sich ab, dass man auf Freiheit in Forschung und Lehre und akademische Selbstverwaltung bzw. wissenschaftliche Strategieentwicklung wenig Wert legt. Dafür öffnet man systematischer politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme Tür und Tor.“ Die TU könnte so „politisch als Probelauf für eine Umgestaltung der österreichischen Universitäten genutzt werden“, ist auch hier die Befürchtung.

SPÖ: Leuchtturmprojekt

Aus Sicht der SPÖ ist die TU Linz nach wie vor ein Leuchtturmprojekt, das zur strategischen Positionierung Oberösterreichs als Industrieland der Zukunft beitrage. Misstöne aus anderen Bundesländern seien erwartbar gewesen, sagt der Landesparteivorsitzende Michael Lindner am Dienstag. Er spricht sich gegenüber dem ORF dafür aus, die Kritik der JKU ernst zu nehmen und das TU-Konzept gegebenenfalls zu verbessern. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sei laut SPÖ gefordert, das Land bei diesem Projekt zu einen und Kritiker „durch Offenheit und Zusammenarbeit“ an Bord zu holen. Lindner sieht jetzt aktive Einbindung und kritische Auseinandersetzung gefragt.

Neos fordert Transparenz

Wesentliche Experten und Expertinnen sowie Stakeholder seien bei der Planung ausgegrenzt worden, kritisiert Neos-Klubobmann Felix Eypeltauer. Das würden die Begutachtungen zeigen. „Provienzielles Getue“ gefährde den Erfolg des Projekts. Eypeltauer fordert die Einbindung einer breiten wissenschaftlichen und unternehmerischen Öffentlichkeit sowie Transparenz. Vor allem da mittlerweile klar sei, dass das Land sich direkt an der Finanzierung beteiligen werde, müsse „der Landeshauptmann auch mit der Geheimniskrämerei dem Landtag gegenüber aufhören“.

Studierende: Bedarf nicht gegeben

Die Hochschulvertretungen der Technischen Universitäten fürchten, dass an der TU Linz erworbener Titel international nicht anerkannt werden könnte. Auch sie setzen die Bezeichnung „Universität“ im Zusammenhang mit der TU Linz unter Anführungszeichen. Wenn die neue Technische Universität das Universitätengesetz nicht als Grundlage habe, sei die Anerkennung der Titel fraglich. Zudem sehen die Studierendenvertreter den Bedarf einer solchen TU nicht ausreichend erhoben und auch nicht gegeben.

Man sehe die Daseinsberechtigung dieser Uni nicht und sorge sich um die Studierenden, die die Folgen dieses „überhasteten Projekts“ ausbaden müssten. Die Österreichische Hochschülerschaft plädiert dafür, den Start nach hinten zu verschieben und spricht von einem Wahlzuckerl von Sebastian Kurz an Oberösterreichs ÖVP, das jetzt umgesetzt werden soll. Das Gründungsgesetz sei schnell zusammengezimmert worden und weise viele Fehler und Unzulänglichkeiten auf.

LH Stelzer: „Jahrhundertprojekt“ und Chance

„Es ist verständlich, dass bei solch einem Jahrhundertprojekt, wo so viel Neues entsteht, es zahlreiche Stellungnahmen mit unterschiedlichen Ansichten gibt“, reagierte Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) auf die kritischen Bewertungen. Aber, so meinte er weiter, diese habe es auch sowohl bei der Gründung der JKU als auch bei der Medizin-Fakultät gegeben. Beide würden inzwischen „Erfolgsgeschichten schreiben“. Stelzer geht davon aus, dass das zuständige Ministerium die Stellungnahmen „ordentlich aufarbeitet“. Für den Landeshauptmann ist die neue TU jedenfalls „eine riesen Chance nicht nur für Oberösterreich, sondern für die gesamte Republik“. Man sollte daher „Mut und Weitblick aufbringen, um Neues zu wagen“.

FPÖ: Budgetmittel zu wenig

Der Linzer FPÖ-Obmann und Gesundheitsstadtrat Michael Raml übt Kritik: "Die geplanten Budgetmittel, die noch dazu in anderen universitären Bereichen fehlen werden, wären deutlich zu wenig, um im internationalen Vergleich bestehen oder gar eine Vorreiterrolle einnehmen zu können. Technische Top-Universitäten wie die TU München oder die RWTH Aachen haben pro Jahr eine Milliarde Euro und mehr zur Verfügung, da sind wir weit davon entfernt.“