Im Bild: Michael Lindner geschäftsführenden Vorsitzender SPÖ OÖ bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung des  Landesparteivorstand der SPÖ Oberösterreich
APA/FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUMMAYR
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Politik

Michael Lindner ist neuer SPÖ OÖ Chef

Der Parteivorstand der SPÖ OÖ hat Michael Lindner am Montag einstimmig zum geschäftsführenden Landesparteivorsitzenden gewählt. Die bisherige Frontfrau Birgit Gerstorfer muss nach einer misslungenen Impfkampagne früher als geplant gehen, bleibt aber vorerst Landesrätin.

Offiziell gewählt werden soll Lindner, der Ende Februar seinen 39. Geburtstag feiern wird, erst bei einem Parteitag im September. Bis Ende Februar will Lindner ein Personalpaket vorlegen, unter anderem geht es um den Klubvorsitz und die Landesgeschäftsführung. Zudem wurde am Montag eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die ein Modell der Mitgliedermitbestimmung für die Vorsitzwahl ausarbeiten soll.

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Landesparteitagtag SPÖ OÖ
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Im Bild: Michael Lindner geschäftsführenden Vorsitzender SPÖ OÖ bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung des  Landesparteivorstand der SPÖ Oberösterreich
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Analyse: Die Hürden der SPÖ OÖ

Der Landesparteivorstand hat mit dieser Entscheidung am Montag eine personelle Neuaufstellung eingeleitet. Diese Wechsel erfolgen in einer Zeit veritabler struktureller Turbulenzen in der Partei und viele altgediente Mitglieder sehen dabei kein Ende in Sicht. ORF OÖ Redakteur Gernot Ecker analysiert mit dem Politikwissenschafter Peter Filzmaier die Lage der Sozialdemokratie in Oberösterreich.

Wahlergebnis im Herbst 2021

Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) gratulierte zum Wahlergebnis. Zum zweitschlechtesten in der Parteigeschichte der SPÖ in Oberösterreich. Birgit Gerstorfer (SPÖ) freute sich, dass nach Jahren der Verluste wieder ein Plus vor dem Ergebnis stehe. Es waren 0,2 Prozentpunkte. Das war am 26. September 2021 und es war der Anfang vom Ende.

Parteiinterne Analyse: „Zu viel Macht der Gewerkschafter“

An der Parteibasis war man entsetzt über die befremdende Interpretation eines Wahldebakels. Was folgte war eine Reihe handwerklicher Fehler, die in einer parteiinternen Analyse mündete, nach der unter anderem die Gewerkschaften zuviel Macht in der Partei hätten. Letztlich war es einer der Gewerkschafter, der dann als erster zum Sturm auf die eigene Vorsitzende blies.

Dabei lohnt ein genauer Blick. Denn die vermeintliche Macht der Gewerkschaft ist weitgehend überlieferte Parteifolklore. Die Arbeitnehmervertreter haben bei weitem nicht mehr das Potential der 70er, 80er oder auch noch der 90er Jahre, so der Politikwissenschafter Peter Filzmaier. „Die OÖ SPÖ-Gewerkschafter fühlen sich als Chefs. Sie sind es aber nur in ihrem kleinen Königreich und vielleicht sind sie die mächtigsten als Teilorganisation, aber nur weil andere noch unmächtiger sind“, so Politikwissenschafter Peter Filzmaier.

AK-Wahlen brachten Erfolg

Stimmt das? Da waren doch die AK-Wahlen mit einem Triumph der roten Gewerkschafer? Das überrascht in der traditionell tiefroten AK niemanden. Doch auch hier lohnt ein genauerer Blick. Denn Wähler mobilisieren konnten die Gewerkschafter selbst bei diesen Wahlen nicht mehr. Die Wahlbeteiligung betrug gerade einmal 41 Prozent. „Wirklich in die Breite mobilisieren kann man nicht, denn wenn das so wäre, hätte es ja ganz andere Landtagswahlergebnisse geben müssen“, so Filzmaier.

Neuer Blick auf die Gewerkschaften?

Braucht der Neue, braucht Michael Lindner also auch einen neuen Blick auf die Gewerkschaften? „Die Gewerkschaften wollen derzeit offenbar mächtig in der zweiten Reihe sein, aber selbst nicht die Führungsposition übernehmen und das ist dann auch für den neuen Parteichef schwierig“, so Filzmaier.

Macht des Linzer Bürgermeisters

Eine Gratwanderund also für Lindner, der noch jemand anderen im Nacken hat: Linz und seinen roten Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ). Der hat sich zuletzt als mächtiger Königsmacher positioniert, der über Gedeih und Verderb eines roten Parteichefs quasi im Alleingang entscheidet. Ganz vorne will sich Luger nicht hinstellen – auch er agiert, wie die Gewerkschaften lieber aus der zweiten Reihe. „Es ist persönlich verständlich, dass ihm das genügt. Strukturell ist es aber ein Problem, denn niemand in der Landespartei hat eine Chance, wenn jemand anderes in einer Stadt Daumen rauf oder Daumen runter machen kann, wer Parteichef oder Parteichefin ist oder wird. Das ist letztlich ein Machtungleichgewicht, bei dem die Landespartei nie wirklich wettbewerbsfähig wird“, so Filzmaier.

Rolle von Peter Binder

Mit Peter Binder (SPÖ), dem Dritten Landtagspräsidenten und Gesundheitssprecher hat Luger seinen Mann fürs Grobe mitten in die Landtagsfraktion gesetzt. Jenen Peter Binder, der gemeinsam mit den nun abtretenden Akteuren Birgit Gerstorfer und Landesgeschäftsführer Georg Brockmeyer die umstrittene Impf-Plakatkampagne zwar mitpräsentiert hat, der aber nach laut gewordener Kritik am Plakatsujet meinte, er habe ohnehin immer seine Zweifel daran gehabt. Für jeden anderen würde diese Ausrede wohl nicht reichen, über Binder hält aber Luger seine schützende Hand. Schließlich soll Binder ja auch möglicher Spitzenkandidat der Roten in knapp sechs Jahren sein – und nicht der neue Parteichef Michael Lindner.

Inhaltliche Neuorientierung

Mit der Wahl von Michael Lindner als neuen Parteivorsitzenden am Montagvormittag im Rahmen eines Parteivorstandes leitet die SPÖ in Oberösterreich eine personelle Neuaufstellung ein. Mit ihr einher muss aber wohl auch eine inhaltliche Neuorientierung stattfinden – eine parteiinterne Analyse bescheinigt der SPÖ OÖ Themenverfehlung bei den Wählern.

Gewerkschafter sind Hausmacht

Die Gewerkschaften sind eine Hausmacht in der SPÖ, wenn auch eine ambivalente Hausmacht. „Die Rolle der Gewerkschafter in der SPÖ OÖ ist vor allem eines: Unklar. Es geht mit ihr nicht – man hatte zwei Mal Spitzenkandidaten aus dem Arbeitnehmerlager bei Landtagswahlen, das ging schief – es geht aber offenbar auch nicht ohne ihr. Wenn sich eine Parteichefin tendenziell gegen die Gewerkschaft stellt, dann ist sie politisch nicht überlebensfähig“, so Filzmaier.

Lindner: keine Hausmacht

Eine Hausmacht hat der Neue, Michael Lindner, nicht hinter sich. Das könnte ihn recht schnell zwischen die innerparteilichen Mühlräder bringen. „Und er hat auf der anderen Seite – und das ist noch schlimmer – nichts zu verteilen. Denn die einst stolze SPÖ OÖ hatte Anfang der 2000er Jahre fast 40 Prozent der Stimmen. Das hat damals bedeutet, mehr Mandate, aber auch mehr Posten und mehr Geld. Da waren Parteichefs, auch wenn man sie nicht mehr mochte als die heutigen, leicht in einer starken Position. Sie konnten was verteilen. Jetzt ist man unter 20 Prozent und der neue Parteichef Lindner wird genauso das Problem haben, Mängelverwaltung betreiben zu müssen“, so Filzmaier.

Inhalte: „Nicht mehr bei den Menschen“

Posten sind das eine, Inhalte das andere. Da sei die SPÖ nicht mehr bei den Menschen, hat die parteiinterne Analyse ergeben. Das Narrativ von den vielen Reichen, die endlich mehr von ihrem Geld hergeben sollen, damit man alle möglichen roten Ideen der letzten Jahre damit finanzieren kann – dieses Narrativ zieht bei den Wählern offenbar nicht, zeigen die Wahlergebnisse. Und sehr viel darüber hinaus habe die Sozialdemokratie derzeit auch nicht zu bieten, meint Peter Filzmaier.

„Das ist beim Thema Arbeit in OÖ schon deshalb nachweisbar nicht der Fall, weil die Parteiführung mit der Gewerkschaft offenbar in Klinsch lag. Beim Thema Bildung, ein ganz traditionelles Thema für die Sozialdemokratie in ihrer Geschichte, ist man irgendwo zwischen ferner liefen und noch weiter dahinter. Und beim Thema Gesundheit, das in Coronazeiten bis hin zur Facette Pflege, natürlich im Mittelpunkt steht, auch da hat man keinerlei Themenführerschaft, wo man den logischen Akteur bzw. die logische Akteurin für dieses Thema Gesundheitspolitik gar nicht so hat“, so Filzmaier.

Neue Wählerschichten gewinnen

Dann ist da noch das Problem, neue Wählerschichten zurück oder überhaupt neu zu gewinnen, dem sich Michael Lindner stellen wird müssen. Vielleicht nicht so wie der bisherige rote Landesgeschäftsführer, der einen Monat vor der Landtagswahl noch gemeint hat, jene, die zur FPÖ gewechselt seien, seien keine Zielgruppe mehr, die seien ohnehin für die SPÖ verloren. Eine Selbstaufgabe ersten Ranges. „Die SPÖ-Wähler, die man über viele Jahre verloren hat, die könnte man schon ansprechen, sie sind ja auf Wanderschaft. Zur Zeiten der Kurz-ÖVP sind sie teilweise zur ÖVP gegangen, jetzt aber teilweise wieder im Wartesaal. Nur was genau ist die SPÖ-Botschaft an diese Gruppe, außer wir sind beleidigt, dass ihr uns verlassen habt“, so Filzmaier.

Viele Aufgaben für Lindner

Von der Gewerkschaft über Linz bis hin zur richtigen Themensetzung und der Wählerrekrutierung: der neue SPÖ Chef Michael Lindner wird in der nächsten Zeit alle Hände voll zu tun haben. Der dritte Landtagspräsident Peter Binder betont heute, er stehe voll hinter Lindner. Ein Antreten als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2027 schloss Binder am Montag kategorisch aus. Er werde sich aber wieder um ein Landtagsmandat bewerben.