Präsidiumssitzung der SPÖ-Oberösterreich am Dienstag, 01. Februar 2022, in Linz. –
APA/FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUMMAYR
APA/FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUMMAYR
Politik

SPÖ: Gerstorfer soll Platz für Lindner räumen

Ein Wechsel an der Spitze der oberösterreichischen SPÖ steht bevor: Landesparteichefin Birgit Gerstorfer und Landesgeschäftsführer Georg Brockmeyer müssen gehen, den Parteivorsitz soll Klubobmann Michael Lindner übernehmen. Dienstagabend tagte das Präsidium, doch gab es unmittelbar danach noch keine weiteren Informationen.

In den vergangenen Monaten war immer öfter von Unzufriedenheit in der Landespartei zu hören, eine am Montag vorgestellte Impfkampagne dürfte jetzt bei einigen Parteigranden das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Der konkrete Anlass soll das Plakat zur Impfaktion gewesen sein, auf dem ein weinendes Kind zu sehen ist. Dienstagfrüh forderte der Nationalratsabgeordnete Dietmar Keck (SPÖ) den „sofortigen“ Rücktritt der Landesparteichefin und des Landesgeschäftsführers.

Lindner: „Bin bereit, sollte mich Partei brauchen“

Im Anschluss soll in vielen Telefonaten ein neuer Weg gesucht worden sein. Als Nachfolger Gerstorfers wurde der jetzige Klubobmann Michael Lindner (SPÖ) genannt. Lindner selbst meint, dass er gerne bereit sei, als geschäftsführender Landesparteivorsitzender zu übernehmen, sollte die Partei ihn brauchen. „Klar ist jedoch, dass die SPÖ-Oberösterreich ihre personalpolitischen Entscheidungen nicht über die Medien kommuniziert, sondern in den zuständigen Gremien fällt“, so Lindner Dienstagnachmittag in einer Aussendung.

Präsidiumssitzung der SPÖ-Oberösterreich am Dienstag, 01. Februar 2022, in Linz. –
APA/FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUMMAYR
Präsidiumssitzung der SPÖ-Oberösterreich am Dienstagabend in Linz.

Gerstorfer soll auch als Landesrätin Lindner Platz machen

In Folge steht wohl dann auch der Wechsel in der Regierung an. Landesrätin Birgit Gerstorfer soll ihren Platz vermutlich im Sommer auch in der Regierung für Lindner räumen, so der Linzer Bürgermeister Klaus Luger. Er kündigte auch an, dass es einen Wechsel in der Landesparteizentrale geben wird. Es werde eine neue Landesgeschäftsführerin oder Landesgeschäftsführer geben, so Luger. Im Juni soll ein vorgezogener Parteitag der SPÖ Oberösterreich stattfinden.

Dass sich Lindner bereit erklärt habe, die Verantwortung zu übernehmen, solle zeigen, dass die SPÖ OÖ mit jüngeren Leuten in Zukunft geht, so der Linzer Bürgermeister. Lindner habe als Klubobmann hervorragende Arbeit geleistet, er, Luger, habe absolutes Vertrauen zu Lindner.

Lindner begann Karriere in Sozialistischer Jugend

Lindner, der Ende Februar seinen 39. Geburtstag feiert, ist in der Partei schon lange aktiv. Er startete seine politische Karriere in der Sozialistischen Jugend Oberösterreich, deren Vorsitzender er während seines Studiums der Soziologie von 2005 bis 2011 war. Von 2015 bis 2018 saß er im Bundesrat, danach war er Abgeordneter zum oberösterreichischen Landtag. In seiner Wohngemeinde Kefermarkt im Mühlviertel ist der verheiratete Vater zweier Kinder seit 2015 Gemeinderat.

„Ich will dich nicht verlieren“

Die Emotionen hatten zum Nachteil der Parteispitze hatten sich auch an einer aktuellen Impfkampagne entzündet. Plakate zeigen ein trauriges Kind, darunter ist zu lesen: „Ich will dich nicht verlieren. Lass dich impfen. Jetzt.“ Ein SPÖ-Logo ist nicht zu sehen. In ganz Oberösterreich sollen in den kommenden Tagen rund 1.000 Plakate affichiert werden, dazu wird die Kampagne auf Social Media und im Radio gefahren. Man wolle Verantwortung übernehmen, so die Begründung für die Aktion.

Skandal um Impfplakat mit Kindern
laumat.at/Matthias Lauber
Impfkampagne der SPÖ OÖ schlägt hohe Wellen

FPÖ: „Kampagne muss umgehend eingestellt werden“

Bereits am Montag hatte es Kritik der FPÖ an der Kampagne gegeben. Am Dienstag meinte FPÖ-Klubobmann Herwig Mahr in einer Aussendung, dass die „skandalöse SPÖ-Impfkampagne mit weinenden Kindern“ umgehend eingestellt werden müsse. Selbst ranghohe Sozialdemokraten hätten erkannt, dass man damit den Bogen eindeutig überspannt habe. Nun zu glauben, unangemessene Plakate aufzustellen, würde Menschen urplötzlich von der Impfung überzeugen, sei schlichtweg eine Beleidigung Tausender Bürger, so Mahr.

„Kinder und Tod verknüpft: Grenze überschritten“

Am Dienstag drohte der roten Landespartei aber noch mehr Ungemach: Nicht nur ließ der Linzer Bürgermeister Luger via „Heute“ wissen, dass er die Plakate für „nicht gelungen“ halte, in einer Stellungnahme an die APA fand Keck wesentlich schärfere Worte: „Wenn man Kinder und den Tod verknüpft, ist eine Grenze überschritten worden“, sagte er, „das geht gar nicht“. Abgesehen vom Sujet sei es auch nicht Aufgabe der SPÖ eine Impfkampagne zu machen, das sei Angelegenheit der zuständigen Regierungsmitglieder.

Unmut in den Reihen der Gewerkschaft

Eine Rolle spielen dürfte in dem Disput auch eine Analyse, die die Partei nach dem mageren Abschneiden bei der Landtagswahl im Herbst in Auftrag gegeben hatte. Darin legen die Politikberaterin Jana Faus, der Journalist Horand Knaup und der ehemalige SPD-Politiker Michael Rüter der Partei nahe, ihr Verhältnis zu den Gewerkschaften neu zu überdenken. Diese seien zweifelsfrei wichtig für die Sozialdemokratie, aber immer „einer bestimmten Klientel verpflichtet“, oft wenig kompromissorientiert und mit „Hang zur Besitzstandswahrung“ ausgestattet, heißt es in dem Papier.

Dass immer bestimmte Listenplätze Gewerkschaftern vorbehalten sind, müsse zumindest einer Diskussion unterzogen werden, so der Rat, der für Unmut in den Reihen der Gewerkschaft sorgte. Auch Keck ist langjähriger voestalpine-Personalvertreter.

Gerstorfer und Brockmeyer waren bis Dienstagmittag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen – die SPÖ-Chefin soll am Dienstagnachmittag auf dem Rückweg aus dem Ausland gewesen sein. Sie erklärte bereits vor einiger Zeit, dass sie sich mittelfristig zurückziehen werde. Der Zeitpunkt war aber noch offen. Lindner wurde immer wieder als ihr Nachfolger gehandelt. Die Partei hatte bei der Landtagswahl im Herbst nur ein mageres Ergebnis erzielt und war in ihren Regierungskompetenzen beschnitten worden.