Coronavirus: Intensivstation
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CoV: Volle Intensivstationen bis „weit über Weihnachten“

Der Linzer Intensivmediziner Jens Meier rechnet damit, dass die Intensivstationen in Oberösterreich „weit über Weihnachten“ im Ausnahmebereich sein werden, selbst wenn der Lockdown rasch zu einer Reduktion der Neuinfektionen führen sollte.

Covid-19-Patienten würden erst einige Zeit nach der Diagose auf die Intensivstation kommen und oft lange, „zwei, vier, sechs Wochen“, dort bleiben. Etwa 30 Prozent überleben demnach nicht.

„Die hohen Fallzahlen führen dazu, dass das System ganz leicht überlastet werden kann und auch schon überlastet ist“, so Meier, Vorstand der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin am Linzer Kepler Universitätsklinikum (KUK) im Rahmen eines Online-Symposiums der Johannes Kepler Universität am Dienstag. Seit März 2020 habe man im KUK mehr als 2.500 Patienten wegen Covid-19 behandelt, bilanzierte Lungen-Primar Bernd Lamprecht, das seien 20 bis 25 Prozent aller Corona-Spitalspatienten in Oberösterreich.

Impfung: Hospitalisierung auf zwei Prozent reduziert

Die Erfahrung habe gezeigt, dass man eine Sieben-Tage-Inzidenz von rund 500 auf den Intensivstationen ganz gut bewältigen könne, bei höherer Impfquote werde es leichter. Dass die Impfung wirke, sehe man allein daran, dass durch sie die Hospitalisierungsrate von sechs bis neun Prozent im Vorjahr auf mittlerweile nur mehr zwei Prozent reduziert worden sei. Auf den Intensivstationen seien nur rund 20 Prozent der Patienten geimpft. Bei den Geimpften handle es sich vor allem um Patienten mit Immunschwäche, in Chemotherapie oder nach Transplantationen – vor allem, wenn die letzte Impfung schon länger zurückliege.

„Vorsorgemedizin wirkungsvoller als Reparaturmedizin“

Ein Medikament, das der Impfung an Erfolg nahekommt, sieht Lamprecht derzeit nicht. Aktuell würden 1.600 Substanzen untersucht. Es gebe Arzneien für die Frühphase, die helfen können, das Risiko eines schweren Verlaufs zu reduzieren, aber alles in allem sei die „Vorsorgemedizin derzeit deutlich wirkungsvoller als die Reparaturmedizin“. Oberarzt Helmut Salzer führte aus, dass 13 Kandidaten positive Studienergebnisse mit Empfehlungen erreicht hätten, 39 positive Ergebnisse ohne Empfehlungen, etliche weitere seien in der klinischen oder präklinischen Phase.

„Das Virus wird nicht verschwinden“

Das Virus werde nicht verschwinden, so Lamprecht. Natürlich gebe es die Hoffnung, dass es sich abschwäche, aber vermutlich werde man über lange Zeit einen „substanziellen Teil der Bevölkerung“ schützen müssen. Bei der Delta-Variante sei eine Impfquote von 80 Prozent der „Mindestanspruch“.

Die Maske werde uns wohl weiter begleiten, so Lamprecht. Sie sei eine gute Maßnahme für sensible Bereiche. Auch habe man gesehen, dass durch Maskentragen und Abstandhalten Grippe und Atemwegsinfekte weniger geworden seien. Positiv: Eine Variante, die die Impfung unterläuft, sieht er derzeit nicht auf uns zukommen.

Wissenschaft habe viel gelernt

Tausende Covid-Patientinnen und Patienten sind im Kepler Universitätsklinikum in den vergangenen zwei Jahren versorgt worden. Die Wissenschaft habe in dieser Zeit viel gelernt, heißt es bei dem Corona-Symposium am Dienstag. Und es sei ihr innerhalb kürzester Zeit auch einer der größten Erfolge gelungen, die Entwicklung von Impfstoffen. Eines sei aber mittlerweile auch klar: „Das Virus wird von selbst nicht verschwinden“, sagt Bernd Lamprecht, Lungenheilkunde-Vorstand am Kepler Uniklinikum. Um nicht von einer in die nächste Welle zu stolpern, brauche es mehr als 80 Prozent Geschützte in der Bevölkerung. „85 Prozent sind noch besser, alles was darüber hinaus geht ideal“, so Lamprecht.

Vorbereitung auf Triage

Davon ist Oberösterreich aktuell noch weit entfernt und das wird sich auf den Intensivstationen auswirken, erwarten die Mediziner. „Wir bereiten uns auf die Triage vor, wir rechnen mit steigenden Zahlen auf unseren Intensivstationen“, so Karl-Heinz Stadlbauer, der ärztliche Direktor des Linzer Uniklinikums.

Stufe 4 wird vorbereitet

Die Erhöhung von Stufe 3a, die 127 Intensivbetten und 600 Normalbetten für Coronafälle vorsieht, auf Stufe 4 (157 Intensivbetten und 750 Normalbetten) sei in Vorbereitung, hieß es beim Krisenstab. Eine Verlegung von Patienten in andere Bundesländer erfolge derzeit aber nicht. Von Triage wollte man zunächst nicht sprechen, aber es müssen zahlreiche Operationen verschoben werden, „und auch das ist eine Art von Triage“, wie Stadlbauer am Rande des Corona-Symposiums sagte.

Impfen aus Solidarität

Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) appellierte am Dienstag, sich aus Solidarität mit dem überlasteten Spitalspersonal impfen zu lassen. „Denken Sie an alle Mitmenschen, die gerade auf der Intensivstation liegen, denken Sie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Spitälern, die bis zur Erschöpfung um Leben kämpfen. Denken Sie an all jene, die jetzt auf eine wichtige Operation warten. Denken Sie solidarisch und handeln Sie solidarisch“, redete Stelzer den Oberösterreichern ins Gewissen. „Gehen Sie bitte zur Impfung und helfen Sie mit, Leben zu retten – Jetzt!.“

Stelzer betonte, dass der Weg zur Impfung selbstverständlich auch im Lockdown möglich und von den bestehenden Ausgangsbeschränkungen ausgenommen sei. Auch die anmeldefreien Pop-Up-Impfungen in Einkaufszentren werden – trotz der Schließung der meisten Geschäfte dort – fortgesetzt. Zudem würden bis Ende Dezember mehr als 17.000 freie Termine an den Impfstraßen für eine Buchung zur Verfügung stehen.