Ein Intensivbett im Landeskrankenhaus Feldkirch
Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsges.m.b.H. / Lisa Mathis
Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsges.m.b.H. / Lisa Mathis
Coronavirus

Angespannte Lage in Krankenhäusern

Die steigenden CoV-Infektionszahlen wirken sich massiv auf den Krankenhausbetrieb aus. So musste in den vergangenen Tagen fast jede dritte geplante Operation in den oberösterreichischen Spitälern verschoben werden, weil auf den Intensivstationen derzeit so viele Covid-Patienten behandelt werden müssen. Weitere OP-Verschiebungen stehen bevor.

Es wird eng auf den Intensivstationen. Insgesamt stehen im Land 250 Intensivbetten mit entsprechendem Personal zur Verfügung, 97 davon waren am Dienstag mit Covid 19 Patienten belegt. Am vergangenen Freitag lagen bereits 89 Covid 19 Patienten auf den Intensivstationen – das heißt aber nicht, dass seither nur acht neue Intensiv-Patienten dazugekommen sind.

59 Todesfälle seit Freitag

Nach Auskunft der Gesundheitsholding sind vielmehr zwischendurch auf tragische Weise Betten freigeworden, weil seit Freitag auch 59 neue Todesfälle mit oder durch Covid-19 zu verzeichnen waren. Bereits jetzt hat diese starke Belegung mit Covid-Patienten Auswirkungen auf alle anderen Krankenhausbereiche, sagt die Sprecherin der Gesundheitsholding Jutta Oberweger. „Also in den Kliniken der oberösterreichischen Gesundheitsholding und im Kepler-Universitätsklinikum mussten wir in etwa 30 Prozent unserer Operationen, die jetzt im November geplant waren absagen, aufgrund der Situation auf der Intensivstation“, so Oberweger.

Und schon bald könnten noch mehr Verschiebungen anstehen, denn aktuell gelte noch die Stufe „drei“ des Intensivbetten-Stufenplanes des Landes, der vorsieht, dass 103 aller Intensivbetten für Covid-Patienten reserviert sind. Diese Marke dürfte bald erreicht sein, dann kommt Stufe „vier“, bei der 125 Betten reserviert werden müssen. Für viele Patienten vor allem aus den Bereichen der Orthopädie, Gynäkologie oder auch der plastischen Chirurgie heißt es dann weiter: „Bitte warten!“

Stelzer appelliert: Vertrauen Sie der Wissenschaft

Der oberösterreichische LH Thomas Stelzer (ÖVP) hat sich am Dienstag an alle Impfskeptiker gewandt und an sie appelliert: „Vertrauen Sie der Wissenschaft und den Experten.“ Auch müssten „jetzt all jene einen Beitrag leisten, die sich noch nicht impfen haben lassen, indem sie ihre Sozialkontakte reduzieren und die Ausgangsbeschränkungen einhalten“.

Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP)
ORF

„Seit Ausbruch des Coronavirus wird viel über Grundrechte und Freiheit gesprochen. Das ist gut und richtig. Genauso müssen wir aber auch wieder mehr über die Verantwortung eines jeden Einzelnen für die Mitmenschen und für den Staat als Ganzes reden“, so Stelzer. Die Staatsbürgerpflicht ende nicht mit dem Zahlen von Steuern, man müsse auch an andere denken, „an Kinder, Kranke, an jene im Gesundheitswesen, die bis zur Erschöpfung gegen CoV kämpfen“.

„Die CoV-Lage ist in Oberösterreich weiterhin sehr besorgniserregend“, bilanzierte Stelzer. Wer noch immer glaube, das Virus auf die leichte Schulter nehmen zu können „und wer noch immer glaubt, die Corona-Vorschriften als unverbindliche Empfehlung leben zu können, dem sei gesagt: Das Virus ist unberechenbar.“ Stelzer verwies auf die Schwerpunktkontrollen der Exekutive, die hohe Geldstrafen nach sich ziehen könnten.

36 Anzeigen nach Kontrollen

Die oberösterreichische Polizei hat am Montag im ganzen Land 5.400 Menschen kontrolliert – obwohl die nötige App zeitweise nicht funktioniert habe. 36 Anzeigen habe es gegeben, teilte Pressesprecher David Furtner auf APA-Anfrage mit. Die Überprüfungen wurden „sehr niederschwellig“ vorgenommen, etwa bei Verkehrskontrollen oder in Einkaufszentren. Die Rückmeldungen seien gut, es gebe eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Manche seien froh, dass sie etwas herzeigen können.

Ärger bei Ärzten über unnötig volle Intensivstationen

Angesichts erster Meldungen über Triage-Vorbereitungen in Salzburg steigt auch in Oberösterreich der Druck auf das Spitalspersonal: „Zwei Winter haben wir gekämpft und gekämpft“, so der oö. Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser. „Jetzt wird die psychische Belastung aber umso größer, weil Menschen auf Intensiv liegen, die dort nicht liegen müssten. Menschen, die nicht willens waren“, sich impfen zu lassen. „Das macht zornig, das enttäuscht und das ist das Schlimme für die Kollegen“.

Es sei das „tägliche Brot“ von Behandlungsteams, zu entscheiden, ob eine Behandlung noch Aussicht auf Erfolg habe. „Aber wenn das geballt auftritt, ist das schlimm.“ Es sei ein fließender Übergang, wo Triage wirklich beginne. „Die schlimmste Triage, die jetzt schon passiert, ist, dass Operationen abgesagt werden für jene, die sie brauchen“, so Niedermoser. Es sei auch bereits Triage, wenn man Dinge nicht mehr anbieten könne, weil zu wenig Platz sei für geplante Eingriffe „auf die die Menschen schon seit Monaten gewartet haben“. Während man in Salzburg bereits offiziell ein Triageteam vorbereitet, geistern auch in Oberösterreich zunehmend unbestätigte Meldungen über mögliche Triage herum.

„Zum jetzigen Zeitpunkt können wir Covid- und andere Patienten auf Normal- und Akutstationen versorgen“, sagte Franz Harnoncourt, Geschäftsführer des Kepler-Universitätsklinikums (KUK) im APA-Gespräch. „Aber wir beobachten die Entwicklung in ganz Österreich mit großer Besorgnis.“ Harnoncourt sprach für das KUK und die Häuser der OÖ. Gesundheitsholding.

„Triage kann nicht ausgeschlossen werden“

Triage in dem Sinn, dass zwischen zwei Patienten, die akut einer intensivmedizinischen Behandlung bedürfen, abgewogen werden müsse, gebe es nicht. Wenn die Entwicklung ungebremst so weitergehe, wäre es „inkorrekt, das für die Zukunft auszuschließen“, meinte Harnoncourt. Es werde freilich mitbedacht, dass man in den letzten eineinhalb Jahren gelernt habe, dass Covid-Patienten mit bestimmten Parametern gute Heilungschancen hätten, jene mit anderen keine.

Die vierte Welle treffe auf in Dauerbelastung stehendes Personal, „das ist Personal, das seit mehr als eineinhalb Jahren, mit einer kurzen Unterbrechung im Sommer, unter Höchstbelastung steht, das leert die Batterien“, betonte Harnoncourt. Er könne sich nicht erinnern, dass eine Erkrankung die Behandlung auf den Intensivstationen so dominiert hätte. Großen therapeutischen Durchbruch gebe es bisher keinen, bewährt hätten sich Behandlungen mit Antikörpern.

Die Situation sei angespannt. In den Salzkammergutkliniken würden gar keine planbaren, nicht lebensnotwendigen Eingriffe mehr stattfinden, im KUK noch in einigen Abteilungen. Normalstationen seien geschlossen, um genug Ressourcen für Covid- und Covid-Intensivpatienten zu haben. Von den 50 bis 55 für andere Patienten – etwa mit Schlaganfällen, Herzinfarkten oder Unfällen – reservierten Intensivbetten im KUK seien 35 belegt.

Harnoncourt: Wichtig ist der dritte Stich

Für Harnoncourt ist Impfen entscheidend. „Wichtig ist der dritte Stich“, hob der Mediziner hervor, der seine Wirkung schon nach einer Woche entfalte. Die Immunisierung trage dazu bei, dass die Pandemie im nächsten Jahr eingrenzbar werde. Akut helfen Maske tragen, Abstand halten, Hygiene und Kontaktreduktion – zusätzlich zur Impfung, nicht stattdessen.

Intensivmediziner für generellen Lockdown

Als „sehr, sehr angespannt“ und „besonders schlimm“ hat Walter Hasibeder, Präsident der Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), die Lage auf den Intensivstationen in einzelnen Bundesländern in Österreich bezeichnet. Er forderte für die Hochinzidenz-Bundesländer Oberösterreich und Salzburg kurzzeitig einen „generellen Lockdown“. Besonders Salzburg befinde sich bereits „am Rande der Dekompensation“. Hier müssten die Mediziner bereits überlegen, „wie sie Patienten triagieren müssen“. Schon jetzt werden Intensivpatienten in Aufwachräumen behandelt, in letzter Konsequenz könnten noch leere Operationssäle herhalten, allerdings sei dies „nicht die Qualität, die man gewohnt ist“, sagte Hasibeder. In Oberösterreich sind laut dem Mediziner bereits knapp über 50 Prozent der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten ausgelastet, weitere Schwerkranke seien „in der Warteschleife“.

„Maskenpflicht im öffentlichen Raum nötig“

Was bereits „früher gehört hätte“ und dringend erforderlich sei, ist eine „Maskenpflicht im öffentlichen Raum“. Denn diese ist „ein Wellenbrecher“. Wird die Maske korrekt getragen, liege die Übertragung praktisch bei null. Die Politik müsse damit anfangen, Maßnahmen zu treffen, „die unangenehm sind“, forderte Hasibeder. „Wir müssen jetzt endlich aus der Vollkaskomentalität, die man über Jahre den Leuten anerzogen hat, herauskommen“, konstatierte der ärztliche Leiter der Anästhesie und Operativen Intensivmedizin am Tiroler Krankenhaus St. Vinzenz in Zams. Der derzeit gültige Lockdown für Ungeimpfte ist „als Maßnahme alleine zu spät“. Vielmehr müssten Salzburg und Oberösterreich in einen „Voll-Lockdown für eine gewissen Zeit“, verlangte Hasibeder.

Kliniken in Salzburg am Limit

Indessen haben die Salzburger Landeskliniken am Dienstag mit einer „Überlastungsanzeige“ einen dramatischen Hilferuf an die Landespolitik gesendet. Es drohe eine absolute Notsituation und man habe bereits ein Triagierungsteam zusammengestellt, dass entscheiden müsse, welche Patienten intensivmedizinisch noch versorgt werden können. Lesen Sie mehr in Landeskliniken warnen vor Überlastung (salzburg.ORF.at).