Auktion, Versteigerungshammer
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Chronik

Richter schauen in Linz intensiv in den Spiegel

Österreichs Richterinnen und Richter schauen bei der diesjährigen Tagung ihrer Vereinigung ab Donnerstag intensiv in den Spiegel. Die zweitägige Veranstaltung steht unter dem Motto „Selbstbild/Fremdbild/Wunschbild“. In den Eröffnungsreden ging es immer wieder um die zuletzt infrage gestellte Unabhängigkeit der Justiz.

Auch vor der Versammlung der Richter machte Corona nicht halt: Alle Teilnehmer mussten 2-G nachweisen, obendrein waren sie um eine Testung gebeten worden. Die Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde in seiner Abwesenheit von der früheren Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes und Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein verlesen: Natürlich sei die Richterschaft auch Kritik ausgesetzt. Sich dieser zu stellen und gegebenenfalls Verbesserungen einzuleiten, gehöre wesentlich zur liberalen Demokratie. „Die Unterstellung eines Generalverdachtes der Parteilichkeit gegenüber der Justiz aber ist eine unzulässige Grenzüberschreitung. Die Justiz muss ungestört arbeiten können, damit sie fokussiert und zügig Klarheit herstellen kann“, stellte er fest.

„Vertrauen in Rechtsprechung wesentlicher Faktor“

Ähnlich äußerte sich die per Livestream zugeschaltete Justizministerin Alma Zadic (Grüne): Das Vertrauen der Bevölkerung in eine objektive und faire Rechtsprechung sei ein wesentlicher Faktor. „Allerdings haben die politisch motivierten Angriffe der vergangenen Wochen und Monate nicht dazu beitragen, das Vertrauen in die Justiz zu stärken, ebenso wenig wie justizinterne Reibereien und Streitigkeiten“. Die Justiz müsse sich sachliche Kritik an ihrer Arbeit gefallen lassen, das sei ein wichtiges Kriterium der Qualitätssicherung. Aber sie warne ausdrücklich davor und stelle sich gegen ein „unsubstantiiertes, auf Einzelinteressen beruhendes Infragestellen der richterlichen und staatsanwaltlichen Arbeit, das einzig und allein das Ziel verfolge, unliebsame Entscheidungen und Maßnahmen öffentlich zu politisieren und delegitimieren“. Wer die „unabdingbare Konsequenz“ – Vertrauensverlust in die österreichische Justiz und Schwächung des Rechtsstaates und all seiner Institutionen und Gewalten – missachte, „destabilisiert unser staatliches Gefüge fahrlässig, wer sie wissentlich in Kauf nimmt, tut dies vorsätzlich.“

Verständliche Sprache, Erklärungen, Professionalität

Die Ministerin ging aber auch auf die Außenwirkung richterlichen Handelns ein: Es müsse sicherstellen, dass es verstanden wird. Das Ziel müsse sein: „Ich finde die Entscheidung nicht richtig, aber ich fühle mich zumindest angehört und den Vorgang insgesamt fair.“ Maßgebliche Faktoren seien verständliche Sprache, Erklärungen, Professionalität und Souveränität sowie soziale Kompetenz. Den Richtern müsse für ihre Arbeit der notwendige Freiraum gewährleistet werden. Sie müssten sich der Bedeutung ihres Fremdbildes bewusst sein und sich damit selbstkritisch auseinandersetzen.

Unmut über Vorwürfe gegen die Gerichtsbarkeit

Die nach vier Jahren im Amt frisch wiedergewählte Präsidentin der Richtervereinigung Sabine Matejka beklagte ebenfalls vertrauensschädigende Äußerungen und Vorwürfe gegen die Gerichtsbarkeit. Dennoch sei sie überzeugt, dass es in Österreich nach wie vor ein solides Grundverständnis für eine unabhängige Gerichtsbarkeit und das notwendige System der Gewaltenteilung gebe. Die diesjährige Veranstaltung widme sich aber der Selbstreflexion. Ein von Richtern aller Gerichtsbarkeiten erstelltes Leitbild soll vorgestellt werden. Außerdem soll in einem Blick auf die Zukunft angesichts der heranrückenden Pensionierungswelle über Nachbesetzungen mit hoch qualifizierten Juristen beraten werden.

Die Justiz stehe dabei in Konkurrenz mit anderen Arbeitgebern. Neben den die Gerichte beschäftigenden Nachwehen der Coronavirus-Krise dürften neue Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Klimakrise und ihre Auswirkungen herangetragen werden, unter anderem in immer aufwendigeren Genehmigungsverfahren, im Umweltstrafrecht oder auch im Zivilrecht, wenn es um Haftungsfragen, Schadenersatz- oder Unterlassungsansprüche geht.