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APA/Barbara Gindl
APA/Barbara Gindl
Coronavirus

Ab Montag Lockdown für Ungeimpfte

Ab Montag soll es, sofern der Bund die rechtlichen Grundlagen auf Schiene bringt, nun doch einen Lockdown für Ungeimpfte geben. „Die Situation ist dramatisch, daher lösen wir die fünfte Stufe des Stufenplans des Bundes aus“, so Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) am Donnerstagnachmittag.

Ab Montag gebe es daher einen Lockdown für Ungeimpfte, „sofern es rechtlich ein grünes Licht vom Bund gibt bzw. der Bund die Rechtsgrundlage schafft“, so Stelzer. Am Mittwochabend, nach einem Krisengipfel mit Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), hatte Stelzer einen Lockdown noch abgelehnt und auf weitere Gespräche mit Experten verwiesen.

Am Freitag wird es erneut eine Videokonferenz mit Mückstein geben. Nach diesem Termin sollen auch Details wie die rechtliche Umsetzung bekanntgegeben werden, hieß es aus Mücksteins Büro zur APA.

Weitere Verschärfungen geplant

Fakt ist: Für einen Lockdown nur für Ungeimpfte braucht es eine verfassungsgesetzlich gültige Verordnung. Damit schiebt man den Ball zurück an den Bund und wartet einmal, ob der das in so kurzer Zeit zustande bringt. Außerdem soll in Oberösterreich die FFP2-Masken-Pflicht auf alle Bereiche des öffentlichen Lebens für alle ausgeweitet werden – also etwa auch wieder für das Personal im Handel und für alle Gäste und Beschäftigte in der Gastronomie.

Keine Veranstaltungen in nächsten Wochen

Veranstaltungen soll es in den kommenden drei, vier Wochen gar keine mehr geben. Die Christkindlmärkte will man irgendwie retten – dort soll man kaufen und schauen können, nicht aber Getränke oder Speisen konsumieren, so der Plan. Außerdem laufen in Oberösterreich erneut die Vorbereitungen, Notquartiere mit Spitalsbetten einzurichten. Diese Notquartiere soll es in Rehaeinrichtungen und Sonderkrankenanstalten geben. Experten rechnen damit, dass die kritische Grenze der Auslastung von Intensivbetten in zwei Wochen erreicht werden könnte.

Warten auf Empfehlung des Impfgremiums

Und man wartet auf die Empfehlung des Nationalen Impfgremiums, ob man die Drittimpfungen zeitlich vorziehen soll. Derzeit gibt es die Empfehlung, sie zwischen sechs und neun Monate nach der zweiten Teilimpfung vorzunehmen. Wie lange der Lockdown für Ungeimpfte gelten soll, ist derzeit noch völlig offen.

„Covid-19-Gesetz sieht keine Differenzierung vor“

Wie schwierig ist es, eine noch immer große Gruppe an Menschen mit einer Verordnung und einem nachfolgenden Lockdown weitgehend aus dem öffentlichen Leben auszuschließen – dazu sagte Andreas Janko, Verfassungsrechtsprofessor an der Johannes Kepler Universität gegenüber dem ORF Oberösterreich: „Die entscheidende Frage ist zunächst einmal, ob das geltende Covid-19-Maßnahmengesetz eine solch differenzierte Lockdown-Regelung hergibt. Es gibt zwar den Paragraf 6 Covid-19-Maßnahmengesetz, auf denen auch die früheren Lockdowns gestützt wurden, der sieht ausdrücklich allerdings keine Differenzierung zwischen Geimpften und Ungeimpften vor. Das heißt, man müsste jetzt mit dem Erforderlichkeitsgrundsatz und anderen Bestimmungen des Covid-19-Maßnahmengesetzes die Zulässigkeit einer solchen Differenzierung in den Paragraf 6 hineinlesen. Ich denke, dass dies möglich ist, auch in einer grundrechtskonformen Interpretation, aber darüber kann sicher diskutiert werden.“

Handelsverband kritisch, ÖHV zuversichtlich

Hinsichtlich der Umsetzbarkeit eines Lockdowns für Ungeimpfte äußerte sich auch der Handelsverband kritisch. „Wir nehmen den Lockdown für Ungeimpfte in Oberösterreich zwar zur Kenntnis, sagen aber auch ganz klar, dass es keine Eingangskontrollen in den Geschäften geben kann. Wir können keinesfalls 300.000 Kundinnen und Kunden pro Tag kontrollieren“, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will laut einer Aussendung. Strengere Covid-Restriktionen seien zwar in Anbetracht des Infektionsgeschehens sinnvoll, müssten jedoch auch umsetzbar sein.

Positiver reagierte dagegen die Hotellerie. „Es ist gut und richtig, dass der Lockdown schnell in Kraft tritt und die Infektionszahlen so rasch wie möglich sinken“, so die Vizepräsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung, Sophie Schick. Allerdings müsse die Verordnung nun rasch veröffentlicht werden, denn die Branche brauche „Informationen darüber, was geht und wie, und was nicht“.

Lockdown von Medizinern empfohlen

Die Entscheidung für den regionalen Lockdown war von Medizinern schon vorab empfohlen worden. Der Lungenspezialist an der Kepler Uniklinik, Bernd Lamprecht, meinte kurz vor Beginn des Expertentreffens: „Wir haben nicht mehr wahnsinnig viel Zeit“, denn „ein Normalbetrieb in den Spitälern ist nicht mehr möglich“. Aus medizinischer Sicht hielt er eine „Kontaktreduktion für sinnvoll“.

Peter Niedermoser, Präsident der oberösterreichischen Ärztekammer, plädierte für einen „Teil-Lockdown für Ungeimpfte“ und forderte von der Politik „rasches Handeln“. „Aus den Krankenhäusern ist der laute Hilferuf des Personals zu hören, dass den Intensivstationen bei gleichbleibender Entwicklung der Kollaps drohe. Daher sind weitere Maßnahmen unumgänglich“, so Niedermoser.

Grüne, SPÖ und NEOS: Stelzer für Situation verantwortlich

Grüne, SPÖ und NEOS, die Donnerstagmittag eine gemeinsame Erklärung zur aktuellen Krisenlage abgaben, machten Stelzer für die prekäre Situation verantwortlich. Landesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) hatte schon einen Namen für den kommenden harten Einschnitt: „Stelzer-Lockdown“. NEOS-Klubobmann Felix Eypeltauer sieht in der schwarz-blauen Landesregierung „Verantwortungsflüchtlinge“. Die „bewusste Untätigkeit im Sommer“ des LH werde nun auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen.

Und Grünen-Landesrat Stefan Kaineder vermisst bei Stelzer die „Dringlichkeit“ für einen Impfaufruf, und daher „schlittert das Land teils ungeimpft in einen Corona-Winter“. Mit der gemeinsamen Erklärung würden die drei Oppositionsparteien eigentlich das tun, was man sich vom Landeshauptmann und seiner Stellvertreterin Christine Haberlander und dem blauen Stellvertreter Manfred Haimbuchner erwarten würden, sagte Gerstorfer. Ein geeinter Aufruf in der „sehr, sehr ernsten Lage“ zum Impfen.

SPÖ stellt Maßnahmenplan vor

SPÖ-Landesvorsitzende Landesrätin Brigit Gerstorfer, die Stelzer und Gesundheitsreferentin Christine Haberlander (beide ÖVP) vorwirft, die aktuelle Entwicklung verschlafen zu haben, stellte am Donnerstag selbst einen Maßnahmenplan zur Bekämpfung der Coronavirus-Krise vor.

Sie appellierte jetzt vor allem an die Geschlossenheit der Gesellschaft: „Das Wichtigste ist, dass wirklich alle in Oberösterreich eine gemeinsame Kraftanstrengung machen, damit man einen Lockdown noch hintanhalten kann. Da geht es um flächendeckende PCR-Test-Angebote, vergleichbar mit ‚Alles gurgelt‘ in Wien, mehr als fünf Impfstraßen pro Bezirk, die rund um die Uhr geöffnet sind, Impf- und Teststationen an den Schulen, PCR-Tests in den Schulen, damit es keinen Lockdown mehr in den Schulen gibt.“

Wenn es nicht anders möglich sei, müsse man sich auch intensiv und ernsthaft mit der Einführung einer Impfpflicht in den kritischen Infrastrukturen, also dem Gesundheitssystem, auseinandersetzen, so Gerstorfer. Aber das müsste immer gepaart sein mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie einer besseren Entlohnung und mehr Personal, so Gerstorfer: „Die schaffen das einfach nicht mehr unter den bestehenden Arbeitsbedingungen.“

Haimbuchner skeptisch

Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) äußerte sich zu dem vom Regierungspartner angekündigten Lockdown für Ungeimpfte skeptisch. Er befürchtet eine Spaltung der Gesellschaft, wie die „Krone“ online berichtete. „Wenn der Herr Landeshauptmann Stelzer mit einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage des Bundes ausgestattet ist, kann er den Lockdown für Ungeimpfte natürlich verordnen. Wir müssen aber schon schön langsam wieder anfangen, staatspolitisch sauber zu arbeiten. Das heißt natürlich auch, dass die Dinge, die da verordnet werden, verfassungskonform sein müssen“, wird er zitiert.

Eine Spaltung der schwarz-blauen Koalition sieht Haimbuchner trotz gegensätzlicher Meinungen zur Lage nicht. Stattdessen macht er sich Sorgen um „einen sozialen Graben“ in der Bevölkerung. „Egal, wie die Pandemie sich entwickelt: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht Schaden an unserer Gesellschaft anrichten, der auch nach Ende der Pandemie noch nachwirkt. Im Sinne von einer Spaltung.“

Von den getroffenen und geplanten Maßnahmen hält er nicht viel: „Wenn wir jetzt wieder Maßnahmen verschärfen, muss man auch die Frage stellen: Mit welchem Ziel? Was wollen wir erreichen?“ Um das Coronavirus einzudämmen, sei ein Lockdown für Ungeimpfte nicht zielführend. „1-G, und zwar in Form einer PCR-Testpflicht für alle, wäre die einzige Möglichkeit. Weil wir heute wissen, dass auch Geimpfte das Virus weitertragen können.“ Auf APA-Nachfrage präzisierte sein Büro, das heiße aber nicht, dass er für eine Testpflicht eintrete.