Landesgericht Wels
APA/Barbara Gindl
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Chronik

Siebeneinhalb Jahre Haft für Bürgermeister

Ein ÖVP-Bürgermeister, der bei den Kommunalwahlen am Sonntag der Vorwoche als Ortschef wiedergewählt wurde, ist am Montag zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er soll eine ehemalige Mitarbeiterin sexuell belästigt, mehrmals vergewaltigt und verleumdet haben.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Sollte es das werden, ist damit ein Amtsverlust verbunden. Sein Landtagsmandat hat der Angeklagte im Zuge des seit Jahresbeginn laufenden Verfahrens zurückgelegt, und er war bei der Landtagswahl auch nicht mehr aufgestellt worden. Als Ortschef ist er aber weiter im Amt.

Angeklagter leugnete und ortete Intrige

Ihm wird vorgeworfen, eine Mitarbeiterin in der Zeit von 2014 bis 2016 zweimal sexuell belästigt, dreimal vergewaltigt und – als sie ihr Schweigen schließlich brach – verleumdet zu haben. Die Anklage stützt sich u. a. auf ein vom mutmaßlichen Opfer vorgelegtes Taschentuch, auf dem Scheidensekret der Frau und Sperma des Angeklagten nachgewiesen wurden.

Der Bürgermeister leugnet alle Vorwürfe vehement und ortet eine Intrige, das Beweisstück müsse manipuliert sein. Er hatte die Mitarbeiterin, nachdem sie Vorwürfe gegen ihn erhoben hatte, wegen Verleumdung angezeigt und eine Unterlassungsklage eingebracht. „Ohne diese Unterlassungsklage würden wir hier nicht sitzen“, sagte die Anklagevertreterin im Prozess. Denn die Staatsanwaltschaft stellte letztlich ihre Ermittlungen gegen die Frau ein und erhob gegen den Politiker Anklage.

Frau sprach von Mobbing

Kollegen vom Gemeindeamt berichteten sinngemäß, dass das mutmaßliche Opfer die Nähe des Angeklagten gesucht habe, aber auch, dass die Frau im Umgang schwierig gewesen sei. Die Geschädigte wiederum meint, dass der Bürgermeister einige Mitarbeiter auf sie angesetzt habe, sie sei gemobbt worden. Für Aufregung sorgte, als herauskam, dass sich mehrere Zeugen zuvor im Büro des Verteidigers getroffen hatten.

Richter ließ Google-Konto auswerten

Laut Verteidigung sei der Bürgermeister zu einem der angeblichen Tatzeitpunkte auf Urlaub gewesen. Das ausrangierte Handy des Ortschefs, dessen Geodaten dieses mögliche Alibi beweisen sollten, war aber nicht mehr auffindbar. Daher ließ der Richter das Google-Konto des Politikers auswerten. Der Gutachter fand zu den mutmaßlichen Tatzeitpunkten keine GPS-Daten. Ungewöhnlich sei, dass am Handy insgesamt mehr Geodaten gespeichert gewesen seien als in der Cloud des Google-Kontos, berichtete er. Das lege nahe, dass „in der Cloud nachgeputzt wurde“, eindeutig nachweisen könne man Löschungen aber nicht.

Einige Suchanfragen des Angeklagten zwischen Prozessstart und Arbeitsbeginn des Gutachters hätten sich aber mit Fragen von Löschung und Speicherungen von Google- bzw. Geodaten befasst, berichtete der Experte. Andererseits wurde auch eine Chat-Nachricht gefunden, die auf einen Italien-Urlaub hindeutet – der Angeklagte will zu einem der Tatzeitpunkte am Gardasee gewesen sein.

Frau berief sich auf Aussageverweigerungsrecht

Während des Abspielens der kontradiktorischen Opfereinvernahme wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Eine ergänzende Videoeinvernahme der Frau scheiterte dann daran, dass sie keine Fragen des Verteidigers beantworten wollte und sich schließlich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berief.

Die Staatsanwältin sah in ihrem Schlussplädoyer die Schuld des Angeklagten als erwiesen an. Der Angeklagte habe seine Rechtfertigungen immer wieder geändert, mehrere Zeugen haben sich nach Ansicht der Anklagevertreterin hingegen in manchen Details nach Jahren zu genau erinnern können. Einen „Racheplan“ der ehemaligen Mitarbeiterin gegen den Politiker hält sie nicht für glaubwürdig. Wenn die Frau das geplant hätte, hätte sie viel mehr vorgelegt als das eine Taschentuch. Der Verteidiger präsentierte in seinem Schlussvortrag u. a. etliche Fotos, die zeigen sollen, dass die Frau bei Veranstaltungen meist recht fröhlich und mit dem Bürgermeister vertraut gewirkt habe – sie hatte das in ihrer Einvernahme mit „ich habe gute Miene zum bösen Spiel gemacht“ erklärt.

7.000 Euro Zahlung an Opfer

Das Taschentuch lasse nur einen Schluss zu, so das Gericht in der Urteilsbegründung: Es habe Geschlechtsverkehr gegeben. Da einvernehmlicher Sex immer bestritten wurde, wurde der Politiker schuldig gesprochen. Er wurde bei einem Strafrahmen von fünf bis 15 Jahren zu siebeneinhalb Jahren verurteilt und muss dem Opfer 7.000 Euro bezahlen. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, muss er sein Amt abgeben.

Als mildernd wurde die Unbescholtenheit gewertet, als erschwerend u. a. der lange Tatzeitraum, die mehrfache Wiederholung und die Ausnutzung eines Autoritätsverhältnisses. Die Verteidigung meldete Nichtigkeitsbeschwerde, Strafberufung und Berufung gegen die Privatbeteiligtenansprüche an, die Staatsanwältin ebenfalls Berufung, der Opfervertreter gab keine Erklärung ab. Der Politiker zeigte sich im Gerichtssaal fassungslos und sagte immer wieder: „Ich habe keine einzige dieser Taten begangen.“