Angeklagte Männer auf Sesseln werden von Sicherheitsbeamten teilweise verdeckt
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Chronik

Start für Schlepperprozess in Linz

13 Männer stehen als mutmaßliche Schlepper seit Montagfrüh in Linz vor Gericht. Sie sollen rund 100 illegale Flüchtlinge von Österreich nach Deutschland gebracht haben. Die Staatsanwaltschaft stützt sich unter anderem auf Telefonüberwachungsprotolle und Peilsenderdaten der Ermittler.

Der Großteil der Angeklagten wurde aus der Untersuchungshaft vorgeführt, ein kleinerer Teil ist auf freiem Fuß. Die Männer im Alter von 23 bis 46 Jahren sind alle im Irak geboren und lebten zuletzt in Oberösterreich bzw. in Wien.

Mit einer Ausnahme sind sie irakische Staatsbürger, entweder Asylberechtigte bzw. subsidiär Geschützte oder Asylwerber. Einige sind strafrechtlich in Österreich bereits in Erscheinung getreten, andere sind unbescholten. Ein 35-Jähriger hat die britische Staatsbürgerschaft, betrieb in Wien ein Lebensmittelgeschäft und soll die Geldtransfers erledigt haben.

Ermittler wurden im April 2019 aufmerksam

Die Ermittler wurden aufgrund anonymer Hinweise – der erste im April 2019 – auf die Schleppungen aufmerksam. Es kristallisierten sich drei Gruppen heraus, die Flüchtlinge transportierten. Mit Peilsendern wurden Bewegungsprofile erstellt, die sehr typisch waren, so die Staatsanwaltschaft: Die Fahrzeuge fuhren ins Grenzgebiet und sofort wieder zurück, oft fuhr vor dem eigentlichen Schlepperwagen noch ein weiteres Auto, um Kontrollen auszukundschaften.

Bürowagen mit Stapeln von Akten
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Für die zahlreichen Akten wurde im Schwurgerichtssaal ein eigenes Regal aufgestellt.

Die Ermittlungen gestalteten sich kompliziert, denn u.a. wurden die Fahrzeuge immer wieder umgemeldet und verkauft. Als die Verdächtigen merkten, dass sie aufgeflogen sein dürften, beendeten sie ihre Social-Media-Aktivitäten und löschten ihre Chats. In einigen Fällen geht es u.a. auch um die Ausstellung falscher griechischer Pässe sowie um Vergehen gegen des Waffengesetz.

Ein Brite aus Wien soll zentrale Rolle spielen

Der „Banker“ der Gruppe soll der 35-jährige in Wien lebende Brite sein. Bei ihm wurden rund 97.000 Euro – laut seinem Anwalt „betriebliches Kapital“ seines Supermarkts – in einem Tresor sichergestellt. Ihm wird zur Last gelegt, eine fünfstellige Summe mittels des sogenannten Kafala-Systems an einen möglichen Hintermann verschoben zu haben. Beim Kafala-System handelt es sich um ein im arabischen Raum übliches Zahlungssystem, das keinerlei Regularien unterliegt und sich daher auch nur schlecht nachvollziehen lässt.

Für Polizei nachvollziehbare Methode

Im Wesentlichen funktioniere das so, erklärte der Staatsanwalt: Der Flüchtling hinterlege im Irak oder in der Türkei bei einem Mittelsmann eine größere Summe, beispielsweise 10.000 Euro, für die gesamte Flucht. Wenn er in Deutschland angekommen sei, bestätige er das und die Schlepper bekommen von einem anderen Kafala-Banker – in diesem Fall in Österreich – ihren Lohn. Es gebe kaum Transaktionen, sondern einmal im Jahr werde unter den Beteiligten ein Saldo gebildet und via Kurier ausgeglichen. Für die Behörden ist das extrem schwer nachvollziehbar.

18 Verhandlungstage sind anberaumt, der Prozess findet unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Ein Urteil wird am 24. Juni erwartet. Knackpunkt wird sein, ob es gelingt, den Angeklagten nachzuweisen, dass sie als kriminelle Vereinigung zusammengearbeitet haben – die Staatsanwaltschaft geht aufgrund von Telefonprotokollen davon aus.

Verteidiger kündigten Geständnisse an

Bei Schuldsprüchen im Sinne der Anklage drohen den Männern Strafen zwischen einem und zehn Jahren. Mehrere Verteidiger haben bereits angekündigt, dass sich ihre Mandanten – auch im Sinne des Anklagepunkts der kriminellen Vereinigung – geständig zeigen werden. Der mutmaßliche „Kafala-Banker“ ist allerdings nicht darunter. Die Ermittler gehen jedenfalls davon aus, dass es noch weitere Hintermänner gibt.

18 Verhandlungstage anberaumt

In Summe sind 18 Verhandlungstage geplant. Ein Urteil wird am 24. Juni erwartet. Für die Staatsanwaltschaft Linz haben die Männer als kriminelle Vereinigung gehandelt. Ihnen das Nachzuweisen wird der Knackpunkt der Verhandlung sein, denn das dürfte Auswirkungen auf das Strafausmaß haben. Das liegt bei – laut derzeitiger Anklage – ein bis zehn Jahre Haft.