Landesgericht und Staatsanwaltschaft Wels
laumat.at/Matthias Lauber
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Chronik

Erinnerungslücken bei Angeklagtem

In Wels ist am Montag ein 22-jähriger Mann wegen Mordversuchs an seiner Ex-Freundin vor Gericht gestanden. Der Angeklagte berief sich bei seiner Einvernahme immer wieder auf Erinnerungslücken beziehungsweise machte er von seinem Recht Gebrauch, Fragen nicht beantworten zu müssen.

Am 17. August 2020 – damals war er noch 21 Jahre alt – soll der Mann seine ehemalige Freundin in den frühen Morgenstunden im Stiegenhaus ihres Wohnhauses abgepasst haben. Im Keller versetzte er ihr mit einem Klappmesser einen Stich in den Hals. Als das Opfer zu schreien begann, flüchtete der Verdächtige.

Cobra-Beamte nahmen ihn wenig später in der Wohnung des Vaters fest. Das Messer lag – entsorgt vom Vater des Angeklagten – in der Traun. Motiv der Attacke dürfte die Trennung des Paares – es gibt ein gemeinsames Kind, die Frau war mit einem zweiten schwanger – gewesen sein. Zudem hatte sie eine neue Beziehung. Auch ein Vergewaltigungsvorwurf war erhoben worden, das Verfahren wurde eingestellt. Dem nunmehr 22-Jährigen drohen bis zu 20 Jahre oder lebenslange Haft.

Angeklagter änderte mehrmals seine Aussagen

Die Staatsanwaltschaft hatte anfangs nur wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung ermittelt. Nachdem der Verdächtige in einer Einvernahme erklärt haben soll, der Tod der Ex wäre ihm egal gewesen, wurde er wegen Mordversuchs angeklagt. Er änderte mehrmals seine Aussagen. Anfangs leugnete er überhaupt die Tat, dann legte er ein Geständnis ab, später verübte er in der U-Haft einen Selbstmordversuch, danach konnte er sich an nichts mehr erinnern.

Bei einer späteren Tat-Rekonstruktion machte er detaillierte Angaben über den Vorfall, sprach allerdings davon, dass er dem Opfer mit seinem Messer nur einen „Piekser“ versetzt habe. Der Verteidiger stellte fest, sein Mandant werde sich zu einem versuchten Totschlag aber nicht zu einem Mordversuch bekennen.

„Drei bis vier Bier getrunken“

In der Verhandlung schilderte der Angeklagte, dass er vor der Tat zuerst sein Mobiltelefon vom Opfer geholt habe. Daheim sei er draufgekommen, dass die SIM-Karte nicht dabei war. Er holte sich auch diese und ging. Nachdem er sich bei seinem Vater ein Fußballspiel angeschaut und „drei bis vier Bier“ konsumiert hatte, habe er das Klappmesser aus seiner Wohnung geholt, sei erneut zum Mehrparteienhaus der Frau gegangen und habe dort im Stiegenhaus auf sie gewartet.

Zu einer Aussprache über die Chancen einer Wiederaufnahme der Beziehung und wie es mit dem gemeinsamen Kind weitergehen solle, seien beide in den Keller gegangen. Plötzlich habe er das Messer in der Hand gehabt. Der Stich sei aus Wut, Trauer und Frustration erfolgt. Als das Opfer schrie, habe er ihm kurz den Mund zugehalten. Dann sei er zu seinen Eltern geflüchtet und habe ihnen erzählt, was passiert sei. Die beiden seien schlafen gegangen. Er habe gewartet bis die Polizei zur Festnahme kam.

Gutachten: „Gezieltes Zustechen mit Kraft“

Das Gerichtsmedizinische Gutachten ergab, dass der Stich in den linken Hals etwa acht Zentimeter tief und bis zu den Knochen der Halswirbelsäule erfolgte. „Das geht nur mit gewolltem, gezielten Zustechen mit Kraft“, schilderte der Experte. Dabei sei ein Nervenbündel durchtrennt worden, was zu einer Beeinträchtigung des linken Armes geführt habe. Ob daraus ein dauerhafter Schaden entstanden sei, könne nicht vorhergesagt werden, dazu sei eine neurologische Untersuchung nach ein bis zwei Jahren notwendig. Jedenfalls habe die Frau „unglaubliches Glück“ gehabt, dass nicht eine Halsschlagader durchtrennt wurde, denn das wäre mit potenzieller Lebensgefahr verbunden.

Weitere Zeugen geladen

Das Geschworenengericht hatte Montagnachmittag auf dem Plan, ein etwa eineinhalb Stunden langes Video von der Rekonstruktion der Vorfälle am Tatort anzusehen, weiters auch ein zweieinhalb Stunden langes Video von der kontradiktorischen Einvernahme des Opfers, das nicht persönlich vor Gericht aussagen will. Am Dienstag sind als Zeugen ihr neuer Freund, ihre Nachbarin, der Vater des Angeklagten und ein Ermittler der Polizei geladen.

Nach den üblichen formalen Schritten ist dann die Beratung der Geschworenen über Unschuld oder Schuld und die Strafbemessung vorgesehen. Bei einer Verurteilung wegen Mordversuchs drohen bis zu 20 Jahre oder lebenslange Haft. Für versuchten Totschlag sieht das Gesetz fünf bis zehn Jahre vor. Ein Urteil soll am Dienstag fallen, hieß es.