Einfahrt MAN Werk Steyr
Thomas Riha
Thomas Riha
Wirtschaft

MAN kündigt Verträge der Leasingarbeiter

Die MAN-Zentrale in München hat Schritte zur Schließung des Werks in Steyreingeleitet: „Als eine der ersten Maßnahmen werden wir die Anzahl der Leiharbeitnehmer am Standort von 278 in den nächsten Wochen um zunächst rund die Hälfte reduzieren“.

In einem weiteren Schritt werden wir uns auch von den übrigen Leiharbeitnehmern trennen", teilte München der APA mit.

Konzern: „Plan C“ gibt es nicht

Ziel sei gewesen, das Werk unter einem neuen Eigentümer mit einer neuen Perspektive zu erhalten. Nachdem dieser „Plan A“ abgelehnt worden sei, „setzen wir jetzt den angekündigten ‚Plan B‘ der Schließung konsequent um. Einen ‚Plan C‘ gibt es nicht“, stellte der Konzern klar. Zudem beginnen Verhandlungen über den Sozialplan, da der bisherige an eine Übernahme durch Wolf geknüpft war. Eine entsprechende Einladung wurde der Arbeitnehmervertretung überstellt.

Arbeiterbetriebsrat Helmut Emler hat bisher nur inoffiziell gehört, dass die Zentrale an die 125 Leasingarbeiter nicht mehr weiter beschäftigen wolle. Und das obwohl die Auftragsbücher voll seien. Wenn nach wie vor 86 Lkw in 4,5 Produktionstagen pro Woche vom Band gehen müssen und dieses Volumen mit der Stammbelegschaft aufrechterhalten werde soll, könnte dies laut Emler nur bedeuten: Zwei Sonderschichten, durch das Streichen der Freischicht Freitagnachmittag und das Einführen einer zusätzlichen am Samstag. Und damit stehe auch eine Überstundenverpflichtung im Raum. Die gleiche Stückzahl mit Überstunden zu produzieren, bezeichnet er als „wirtschaftlichen Wahnsinn“. Aber offensichtlich „spielt Geld bei der aktuellen MAN-Führung keine Rolle“.

Rechtsexperte: Schließung könnte Milliarden kosten

Die geplante Schließung des MAN-Werks in Steyr in Oberösterreich könnte die deutsche Konzernmutter VW Milliarden kosten, glaubt der Linzer Zivilrechtsexperte und Rektor der Johannes Kepler Universität (JKU), Meinhard Lukas. Weil es für das Werk nicht nur einen Standortsicherungsvertrag gebe, sondern einen Kündigungsverzicht seitens des Unternehmens, würden im Falle einer Schließung Kündigungsentschädigungen bis zum Jahr 2030 fällig werden, sagte Lukas auf Anfrage der APA.

„Entscheidend ist, dass diese Vereinbarung, die im Dezember 2019 geschlossen wurde, nach meinen Informationen mehr enthält als eine übliche Standortsicherung“, sagte Lukas. „Sie enthält, so ist mein Informationsstand, einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum 31.12.2030 für alle Beschäftigten.“ In diesem Fall handle es sich um einen Kündigungsverzicht und nicht bloß um eine Standortgarantie.

Urabstimmung bei MAN
FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR

In Österreich sehe das Arbeitsverfassungsgericht einen Katalog zulässiger Vereinbarungen in Betriebsvereinbarungen vor, erklärte Lukas. „Irgendwelche Standortsicherungen abstrakter Natur können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, ein Kündigungsverzicht aber schon“, so der Jurist. „Aber selbst, wenn das keine gültige Betriebsvereinbarung ist, kann das Inhalt der einzelnen Verträge der Arbeitnehmer geworden sein.“ Dazu gebe es eine Judikatur des OGH.

Für den Kündigungsverzicht hätten ja die Arbeitnehmer auch eine Gegenleistung erbringen und ihrerseits auf Rechte verzichten müssen. „Dann spricht viel dafür, dass diese Regelung, selbst wenn die Betriebsvereinbarung nicht gültig wäre, über das Invollzugsetzen zwischen Arbeitgeber und individuellem Arbeitnehmer auf diesem Weg Inhalt des Vertrages geworden ist.“

Kündigungsentschädigungen für entgangene Löhne

Die praktische Konsequenz einer Werksschließung und Kündigungen wären Kündigungsentschädigungen für die entgangenen Löhne, „da sprechen wir aufsummiert über die Jahre über Milliardenbeträge“, so Lukas. Für die Höhe der Entschädigungen wären auch Einkommen aus neuen Jobs zu berücksichtigen.

Geklärt werden könnte der Rechtsstreit arbeitsgerichtlich, wenn der erste Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt wird, es wäre aber auch jetzt schon eine Feststellungsklage möglich, so der Zivilrechtsexperte.

Uni-Professor: Vereinbarungen aufgehoben

Die Rechtsmeinung des Uni-Professor Wolfgang Mazal, der im Auftrag von MAN ein Gutachten erstellte, teilt Lukas nicht. Mazal hatte darauf hingewiesen, dass die österreichische Vereinbarung an eine deutsche Rahmenvereinbarung gebunden sei. Da diese aufgehoben wurde, sei auch die in Österreich ausgesetzt, so Mazals Argument. Lukas sieht das anders: „Wenn diese Vereinbarung in Vollzug gesetzt worden ist und damit auch MAN diese Regelung in Anspruch genommen hat und die Abgeltungsregeln zu Lasten der Mitarbeiter gegenüber der Vergangenheit bereits umgesetzt wurden, dann ist auch dieser Kündigungsverzicht in Wirkung gelangt und kann durch die Aufhebung des Rahmenvertrages nicht verloren gehen.“

Verhandlungen über neuen Sozialplan

MAN-Belegschaft und Konzern verhandeln ab Montag einen neuen Sozialplan. Man sei für alle Lösungen offen, Hauptsache das Werk werde nicht geschlossen, betont Arbeiterbetriebsrat Helmut Emler am Donnerstag einmal mehr. Und schließt nicht aus, auch weiter mit Investor Sigfried Wolf zu verhandeln. Das alles allerdings Stunden bevor die Ankündigung aus München eingetroffen ist, die Verträge der Leiharbeiter zu kündigen.

Noch vor gut einer Woche haben fast zwei Drittel der Belegschaft das Übernahmeangebot von Investor Sigfried Wolf abgelehnt. SPÖ-Landeschefin Birgit Gerstorfer stellt sich am Donnerstag einmal mehr hinter die Belegschaft. „Es braucht jetzt einen Schulterschluss und ehrlicherweise einen Kraftakt.“ Sie verwies über die gefährdeten Arbeitsplätze und Schicksale der Betroffenen hinaus auch auf die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Werkes und dessen Zulieferer. Wenn in der Krise der Markt nicht alles regeln könne, müsse der Staat einspringen und Verantwortung übernehmen. Deshalb müsse die Politik aufhören zu moderieren, sie sollte mit dem Gestalten beginnen.

Gerstorfer für Beteiligung von Bund und Land

Sie sprach sich für eine Beteiligung des Landes und des Bundes aus und machte aufmerksam, dass in Deutschland das Bundesland Niedersachsen an der Konzernmutter VW beteiligt sei. Die öffentliche Hand könnte sich kurzfristig, vorübergehend und unterstützend für die Entwicklung einer grünen, serientauglichen und bezahlbaren Mobilität beteiligen. Die Politik könne sich das leisten, immerhin entstehe dabei auch ein Wert für die Republik. Der SPÖ-Klubvorsitzende im Landtag, Michael Lindner, kündigte in Sachen Bemühungen um den Standort MAN eine Anfrage an Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) in der kommenden Sitzung an -„nicht als politische Abrechnung“, sondern als „Karten auf den Tisch“.

Luger: Verstaatlichungsdebatte „fehl am Platz“

Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) hingegen widersprach am Donnerstag in einer Aussendung seiner Landespartei. Eine Verstaatlichungsdebatte findet er „fehl am Platz“, da es neben dem Investor Siegfried Wolf mindestens zwei weitere private und potente Interessenten mit zukunftsfähigen Konzepten für den MAN-Standort in Steyr gebe.

Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) warnte davor, die Zukunft des Werks in Steyr und der Mitarbeiter für parteipolitische Zwecke zu verwenden. Das wäre alles andere als förderlich. Man sei laufend in Kontakt mit den Spitzen des Aufsichtsrats und Vorstands von VW sowie MAN-Vorstandsvorsitzenden Andreas Tostmann. Es gebe ebenso Gespräche mit dem MAN-Betriebsrat sowie der Stadtpolitik in Steyr und den an Investitionen interessierten Siegfried Wolf und Karl Egger, eng abgestimmt mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und den zuständigen Ministern sowie mit Vertretern der Sozialpartner.