Rudolf Anschober
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Politik

Reaktionen zu Anschober-Rücktritt

Der erkrankte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Dienstag seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen bekanntgegeben. Wolfgang Mückstein folgt Anschober und wird Gesundheits- und Sozialminister. Alle Landesparteien wünschen Anschober alles Gute. Mit Kritik sparen SPÖ und FPÖ aber keineswegs.

Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) verwies darauf, dass Rudi Anschober seine Aufgaben als Gesundheitsminister und davor als Mitglied der Landesregierung immer mit großem Einsatz erfüllt habe. Die Zusammenarbeit sei stets von großer Sachlichkeit und gegenseitiger Wertschätzung geprägt gewesen. Jetzt fordert er eine rasche und reibungslose Nachfolge ein, da der Rücktritt in einer heiklen Phase erfolge. Die Handlungsfähigkeit im Gesundheitsministerium müsse gerade im Kampf gegen die Coronavirus-Krankheit immer gegeben sein, so Stelzer.

SPÖ: „Nachvollziehbar, aber auch überfällig“

Als nachvollziehbar, aber auch überfällig kommentiert SPÖ-Geschäftsführer Georg Brockmeyer den Rücktritt von Rudi Anschober. Er nimmt diesen Schritt auch zum Anlass, um an Bundeskanzler Sebastian Kurz Kritik zu üben. So stellt er der Bundesregierung für die Pandemiebekämpfung kein gutes Zeugnis aus und meint, dass der Kanzler seinen Kontrahenten sabotiert habe, nachdem Anschober Kurz bei den Beliebtheitswerten überflügelt habe, so Brockmeyer.

FPÖ: „Zeitpunkt für Wende im CoV-Management“

Für die FPÖ Oberösterreich sei dies der Zeitpunkt, um auf politischer Ebene eine Wende im CoV-Management einzuleiten. Landesparteisekretär Erwin Schreiner verweist auf internationale Expertenmeinungen und Studien, die den Wert mancher CoV-Maßnahmen in Fragen stellen. Diese Ergebnisse würden jedoch von der Politik ignoriert, so Schreiner. Als Beispiel nennt er die Durchführbarkeit von Kulturveranstaltungen mit entsprechenden Hygienekonzepten. Die FPÖ hoffe, dass mit dem Wechsel an der Spitze des Gesundheitsministeriums auch ein breiterer wissenschaftlicher Diskurs Einzug halte.

Grüne: „Grenzenloser Einsatz“

Die Grünen stärken hingegen ihrem Parteikollegen den Rücken. Der Landessprecher der Grünen Stefan Kaineder verweist auf Anschobers grenzenlosen Einsatz. Dieser tägliche Einsatz, teils gegen erhebliche Widerstände, habe aber seinen Tribut gefordert. Er wisse, dass Anschober diese Entscheidung immens schwer gefallen sei. Klubobmann Gottfried Hirz spricht davon, dass Anschober Optimismus, Solidarität und Zusammenhalt in den Vordergrund gestellt habe und unterschiedliche Meinungen gehört und auf ehrliche transparente Informationsarbeit gesetzt habe, so Hirz und weiter: Anschobers Markenzeichen seien Sachlichkeit als Gegenpol zu Populismus gewesen und ein Politikstil ohne Fouls.

NEOS: „Respekt für Entscheidung“

Felix Eypeltauer von NEOS zollte der Entscheidung Anschobers Respekt: „Dieses Amt fordert viel Kraft, einmal mehr im Pandemie-Management des Corona-Jahres. Achtung sich selbst gegenüber ist enorm wichtig, Achtung gegenüber dem Amt, das mit so hoher Verantwortlichkeit verbunden ist, genauso." Dem Rücktritt müsse nun ein großer Schritt vorausgehen: "Die Arbeit eines Gesundheitsministers kann nur so gut sein, wie sie sich in den Ländern umsetzen lässt.“ Solange Oberösterreicher für eine Strecke knapp 30 Kilometer zur Impfstraße fahren müssen, könne die Landesregierung nicht von einem geglückten Coronavirus-Management sprechen, so Eypeltauer.

30 Jahre Politik auf Landes- und Bundesebene

Mit Anschober zieht sich jemand aus der Politik zurück, der sie in den letzten 30 Jahren auf Landes- und Bundesebene nachhaltig mitgeprägt hat. Er stammt aus Schwanenstadt und wurde dort grün sozialisiert – zu seinen frühesten Weggefährten zählten der spätere Grüne Klubobmann Gottfried Hirz oder der Unternehmer Heini Staudinger, der die Waldviertler Schuhfabrik begründete.

Von 1986 bis 1990 war der ausgebildete Volksschullehrer Anschober Sprecher der Grünen Alternative Österreich – sein erstes politisches Amt. 1990 betrat er dann erstmals das politische Parkett in Wien als Nationalratsabgeordneter und wurde Verkehrs-, Sicherheits- und Atomsprecher der Grünen.

Umweltaktivist der ersten Stunde

Anschober war Umweltaktivist der ersten Stunde, 1984 war er bei der Besetzung der Hainburger Au genauso mit dabei wie 1996, als Nationalratsabgeordneter beim Protest gegen das Kraftwerk Lambach. Sein politisches Gegenüber in Lambach war ein gewisser Josef Pühringer, damals junger ÖVP-Landeshauptmann und späterer Koalitionspartner Anschobers. 1994 wurde Anschober Chef der oberösterreichischen Grünen und kehrte 1997 als Landtagsabgeordneter und Klubobmann nach Oberösterreich zurück. Diese Jahre standen unter anderem ganz im Zeichen des Kampfes gegen das Atomkraftwerk Temelin mit den umstrittenen wochenlangen Grenzblockaden.

Grüne 2003 erstmals in Landesregierung geführt

Nach der Landtagswahl 2003 führte er die Grünen erstmals in eine Landesregierung und wurde Landesrat für Umwelt, Energie und Konsumentenschutz – der erste Grüne überhaupt in Österreich. Die Koalition mit Josef Pühringers ÖVP wurde nach der Wahl 2009 verlängert. Anschober zog die von ihm ausgerufene Energiewende und die damit verbundenen „green jobs“ konsequent durch, bekam aber auch den Druck der politischen Arbeit zu spüren. Im Herbst 2012 musste er wegen eines Burn-outs drei Monate pausieren – auch das eine Premiere in Österreichs Innenpolitik.

Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“ gestartet

Als die ÖVP 2015 eine Zusammenarbeit mit der FPÖ im Land einging, bekam Anschober neben den Umweltagenden auch die Integration zugeteilt – und war sofort mit dem Höhepunkt der großen Flüchtlingskrise konfrontiert. Er startete die Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“, um als Lehrlinge arbeitende Asylwerber im Land zu halten.

Anfeindungen und Morddrohungen

Den Spekulationen, ob er 2021 noch einmal als Grüner Spitzenkandidat in Oberösterreich antreten wird, kam die Nationalratswahl 2019 zuvor. Die Grünen bildeten mit der ÖVP eine Koalition. Anschober wechselte als Gesundheits- und Sozialminister nach Wien – und sah sich nach wenigen Wochen der Coronavirus-Pandemie gegenüber. Ein Jahr lang galt seine politische Arbeit fast ausschließlich diesem Thema und der Bewältigung einer Gesundheitskrise, wie es sie in den letzten 100 Jahren nicht mehr gegeben hat.

Anschober sah sich dabei nicht nur breiter Anerkennung, sondern auch zunehmender Anfeindungen in sozialen Netzen und offenen Morddrohungen gegenüber. Unter dem Arbeitsdruck und den Drohungen litt seine Gesundheit zusehends. Am Dienstag zog Rudi Anschober die Reißleine und trat zurück.