Erwachsene Frau hilft Mädchen beim Lernen
APA/Erwin Scheriau
APA/Erwin Scheriau

Pandemie könnte Gleichstellung schwächen

Seit drei Jahren arbeitet die Landespolitik daran, die Gleichstellung von Frau und Mann in der Gesellschaft zu verankern. Vieles sei schon deutlich besser geworden, wie auch eine Umfrage untermauert. Die Coronavirus-Krise könnte aber Rückschläge mit sich bringen.

62 Prozent der vom Marktforschungsinstitutes IMAS online befragten 300 Frauen geben an, mit ihrer Lebenssituation sehr zufrieden zu sein. Daran, dass dieser Wert seit 2017 stabil geblieben ist, hat auch die Pandemie nichts geändert. Die Coronavirus-Krise schlägt sich aber in den Details nieder. So gelten flexible Kinderbetreuungszeiten und Arbeitszeitmodelle in der aktuellen Umfrage stärker als noch vor zwei Jahren als zentrale Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damals plädierten 75 Prozent der Frauen für flexiblere Arbeitszeitmodelle, nun sind es schon 83 Prozent. Der Ruf nach einer besseren Kinderbetreuung für Unter-Dreijährige wurde ebenfalls deutlich lauter, diese Forderung erhoben 2017 nur 38 Prozent, nun sind es 49 Prozent.

Große Unterschiede in der Einschätzung

Männer sehen die Situation der Frauen offenbar anders. 38 Prozent der Frauen, aber nur 29 Prozent der Männer gehen davon aus, dass sich die Coronavirus-Krise negativ auf die Situation der Frauen auswirken wird. 43 Prozent der Frauen sehen sich für ihre eigene Pension finanziell kaum abgesichert – von den Männern denken das 72 Prozent über die meisten Frauen. 59 Prozent der Frauen sind überzeugt, dass sie weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. In der Kontrollgruppe der Männer gaben hingegen etwa 77 Prozent an, dass die meisten Frauen ihrer Ansicht nach weniger verdienen würden.

Interessen beeinflussen Wahrnehmung

Besonders auffällige Ergebnisse lieferte die Frage, wo man verstärkt Frauen in Führungspositionen wahrnehme: Dass Frauen wie Männer den Gesundheitsbereich (jeweils 89 Prozent), den Bildungsbereich (74 bzw. 78 Prozent) und den Gesundheitssektor (69 bzw. 74 Prozent) am häufigsten nannten, überraschte nicht. Bemerkenswert ist allerdings, dass 60 Prozent der Männer einen steigenden Frauenanteil in der Politik wahrnahmen, aber nur 49 Prozent der Frauen. Ein ähnliches Bild bot sich in der Wissenschaft (33 versus 45 Prozent) sowie im Bereich Wirtschaft und Industrie (22 versus 34 Prozent). IMAS-Forschungsleiter Paul Eiselsberg erklärt das damit, dass Männer sich mehr für Politik, Wissenschaft und Industrie interessieren und etwa die entsprechende Berichterstattung verfolgen würden.

Mehr Unterstützung von der Politik gewünscht

Von der Politik wünschen sich die Frauen mehr Unterstützung für jene, die es am Arbeitsmarkt besonders schwer haben. 96 Prozent der weiblichen Befragten finden, dass man Frauen mit Beeinträchtigung stärker unterstützen solle, 94 Prozent berufstätige Alleinerzieherinnen. 90 Prozent wollen mehr Anreize für die Beschäftigung von Frauen über 50 sehen.

Haberlander: Noch nicht dort, wo wir hinwollen

Die Frauenreferentin in der Landesregierung, Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP) sieht insgesamt „positive Entwicklungen in der Frauenpolitik“, dennoch sei man „noch nicht dort angelangt, wo wir letztendlich hinwollen. Mehr Transparenz beim Einkommen von Frauen und Männern, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit muss selbstverständlich sein und ebenso die finanzielle Absicherung von Frauen, besonders auch in der Pension“, so Haberlander.

Gerstorfer: „Es ist Zeit, dass etwas getan wird“

Soziallandesrätin und SPÖ-Landesparteivorsitzende Birgit Gerstorfer liest aus den Ergebnissen jedenfalls eine Verschlechterung der Situation für die Frauen heraus. Oberösterreich sei im Einkommensbericht hinter Vorarlberg Vorletzter und Schlusslicht bei der Betreuung der Unter-Dreijährigen. „Es ist Zeit, dass etwas getan wird“, pocht sie unter anderem auf einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, gleiches Einkommen für Männer und Frauen sowie einen Mindestlohn von 1.700 Euro. „Frauenpolitik ist nicht, Studien zu machen, sondern daraus etwas anzuleiten“, so Gestorfer.