Pflegeheim
ORF
ORF
coronavirus

Pflegepersonal sieht sich am Limit

Der Kranken- und Pflegebereich nähert sich der Belastungsgrenze. Personalvertreter haben am Donnerstag einen Hilferuf gestartet und gefordert, den Beschäftigten unter die Arme zu greifen. Auch die Lebenshilfe ist aufrund der Pandemie stark gefordert.

Ihre Liste an Forderungen reicht von Parkplätzen und Verpflegung über fixe Vorgaben für Schutzausrüstung bis hin zu Hilfspersonal und schnelleren Tests. Auch sei nicht einzusehen, dass Leute nach Kontakt mit Infizierten zwar zur Arbeit, in ihrer Freizeit aber nicht einmal spazieren gehen dürfen.

Nach Schnelltest in die Arbeit

Denn: Schlüsselarbeitskräfte, die mit Infizierten ungeschützten Kontakt hatten, erhalten keinen Absonderungs-, sondern einen Verkehrsbeschränkungsbescheid. Sie dürfen dann arbeiten gehen – dort wird meist ein Schnelltest gemacht, um die Sicherheit für den jeweiligen Tag zu garantieren –, ansonsten dürfen sie aber ihre Wohnung nicht verlassen, erklärte Stefan Bauer, Zentralbetriebsratsvorsitzender des Sozialhilfeverbandes Linz-Land, in einer Pressekonferenz am Donnerstag. „Es kann nicht sein, dass uns das im Dienst zugetraut wir, privat aber nicht“, so Bauer. Es würde wohl niemand shoppen gehen, „aber spazieren gehen oder joggen muss drinnen sein“, damit sich die Leute erholen können.

Lage in Heimen spitzt sich zu

Besonders zugespitzt hat sich die CoV-Situation in Oberösterreich in den Heimen: Über 400 Bewohner und knapp 400 Mitarbeiter sind derzeit infiziert. Die Senioren würden nun oft länger im Heim bleiben bevor sie ins Krankenhaus kommen bzw. früher wieder von dort zurückgeschickt – wohl um Spitalkapazitäten zu sparen, vermutet Bauer. Das mache die Arbeit in den Heimen herausfordernder, etwa wenn Leute in Zweibettzimmern untergebracht sind. Und angesichts dessen sei es nötig, das Fachpersonal durch Hilfskräfte – etwa für die Fieberkontrollen am Eingang oder für Hauswirtschaftstätigkeiten – zu entlasten.

ältere Frau geht mit Pflegerin spazieren
Caritas
In den Alten- und Pflegeheimen sind in OÖ über 400 Bewohner und knapp 400 Mitarbeiter infiziert.

Welche Schutzausrüstung empfohlen wird, sei in den Heimen sehr unterschiedlich, schilderte Bauer. Er befürchtet, dass sich das danach richte, was vorhanden sei und fordert einheitliche Regeln dafür. Besonders gefährdet in ihrer Arbeit sind die mobilen Pflegekräfte. Für sie brauche es „keinen Applaus, sondern oft nur kleine Verbesserungen“, so Leyla Özkan, Betriebsratsvorsitzende in der Volkshilfe Oberösterreich. Statt sie mit dem Titel „Helden der Nation“ zu versehen, solle man sie mit Schutzausrüstung, mehr Personal und mehr Lohn unterstützen.

Lage in Spitälern angespannt

In den Spitälern hat sich die Lage zuletzt ebenfalls zugespitzt: Derzeit sind 112 Covid-19-Patienten auf oberösterreichischen Intensivstationen. „Das können wir bewältigen. Aber in 14 Tagen haben wir ein Riesenproblem“, so Branko Novakovic, Vorsitzender der ÖGB-Fachgruppe Gesundheits- und Sozialberufe und Zentralbetriebsratsvorsitzender im Kepler Universitätsklinikum (KUK). „Wir werden an die Grenzen der Intensivbetten, aber davor auch an die Belastungsgrenze des Personals kommen.“ Er betonte jedoch: „Wir werden aber niemanden im Stich lassen.“ Damit das Personal das alles schaffe, brauche es Unterstützung.

Pflegepersonal geht am Gang eines Krankenhauses
ORF
Derzeit sind 112 CoV-Patienten auf oberösterreichischen Intensivstationen.

Man könnte den Beschäftigten mit vielen, oft kleinen Maßnahmen unter die Arme greifen: Bei manchen Häusern sei das Parken ein großen Problem. Er appellierte, die Straßen um die betroffenen Spitäler für die Autos der Mitarbeiter zu reservieren. Manche müssten auch einfach „durchschnaufen“ und brauchen nach einiger Zeit mit FFP-Maske und Schutzausrüstung eine Pause, während andere länger durchhalten. Viele haben angesichts des Arbeitspensums oft keine Zeit, sich um ihre Verpflegung zu kümmern. „Es wäre unendlich hilfreich und sicher machbar, dass den Kolleginnen und Kollegen das Mittagessen mit den Patientenessen auf die Abteilungen gebracht wird“, meint Novakovic. Einen Hilferuf gibt es auch hinsichtlich der Kinderbetreuung: Wenn schon die Sonderbetreuungszeit für Schlüsselarbeitskräfte nicht gelte, so müsse wenigsten sichergestellt sein, dass deren Kinder gut betreut werden – auch im Fall von Schulschließungen.

Heimisches Pflegepersonal am Limit

Das Pflegepersonal in Oberösterreich arbeite am Limit, nicht zuletzt weil die jahrelangen Forderungen nach mehr Personal ungehört blieben, kritisiert man beim ÖGB. Das falle den Beschäftigten nun auf den Kopf. Ein wichtiger Punkt ist den Personalvertretern daher auch: „Hoffnung geben auf eine bessere Zeit“. Es müsse künftig mehr Personal geben. Um- und Quereinsteiger seien übrigens höchst willkommen, so der KUK-Betriebsrat. Denn: Wer sich als Erwachsener für den Beruf entscheide, bleibe meist, während jüngere oft wieder aussteigen würden, sagte Novakovic, der früher selbst Nachrichtentechniker war.

Auch Lebenshilfe stark gefordert

Die Coronavirus-Pandemie belastet auch die Behindertenbetreuung zunehmend. In 19 der 70 Einrichtungen der Lebenshilfe OÖ sind derzeit Covid-19-Fälle zu verzeichnen. Besonders gefordert sind die Mitarbeiter – einerseits aufgrund der Schutzausrüstung, andererseits weil sie bei der Schließung von Werkstätten vorübergehend in Wohnhäusern eingesetzt werden.

Die Lebenshilfe OÖ betreibt als größter Träger im Bundesland rund 70 Einrichtungen. Dabei handelt es sich um Wohnhäuser und Werkstätten, in denen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung leben bzw. arbeiten. Rund 1.500 Mitarbeiter betreuen dort knapp 2.000 Personen.

Infektionen in Einrichtungen steigen

Im Frühling habe es nur eine Handvoll Infektionen unter den Mitarbeitern und keine einzige unter den zu Betreuenden gegeben, schilderte Geschäftsführer Gerhard Scheinast. Im Oktober traten dann aber die ersten positiven Fälle in einzelnen Einrichtungen auf. Derzeit sind in 19 Einrichtungen 39 Klienten und 41 Mitarbeiter infiziert. Ein Bewohner liegt auf der Intensivstation, der Großteil habe aber glücklicherweise eher leichte Verläufe und müsse nicht im Spital behandelt werden.

Frau desinfiziert ihre Hände
ORF
Derzeit sind in 19 Einrichtungen 39 Klienten und 41 Mitarbeiter infiziert, heißt es von der Lebenshilfe.

„Die Mitarbeiter sind aktuell in der Betreuung einer großen Belastung ausgesetzt“, sagte Scheinast. Beim Kontakt mit positiv Getesteten werde natürlich in voller Schutzausrüstung gearbeitet: „Das An- und Ausziehen ist eine aufwendige Prozedur und man kommt in den Anzügen ordentlich ins Schwitzen.“ Zudem tragen die Mitarbeiter seit Montag durchgehend FFP2-Masken im Wohnhaus. Mit Schutzausrüstung sei man derzeit aber gut versorgt.

Lebenshilfe: Sicherheitskonzept

Tritt ein Fall in einer Werkstatt auf, so werde der Beschäftigte zu Hause oder in einem Wohnhaus betreut und in den Werkstätten könne nach Abklärung aller Kontakte wieder relativ rasch der normale Betrieb aufgenommen werden. In den Wohnhäusern sei die Betreuung aber eine Herausforderung. Wenn nötig, werden auch Mitarbeiter aus den Werkstätten – die ebenfalls ausgebildete Behindertenfachbetreuer sind – in den Wohnhäusern eingesetzt. Man verlange ihnen viel Flexibilität ab, ist sich Scheinast bewusst, „das ist alles nur möglich, weil die regionale Zusammenarbeit so gut funktioniert und die Mitarbeiter das engagiert mittragen.“ Mit organisatorischem Aufwand verbunden sei auch, dass bei einzelnen Einrichtungen teilweise mehrere Bezirkshauptmannschaften kontaktiert werden müssen – je nachdem woher die Betroffenen stammen.