Wolfgang Ziegler, Peter Niedermoser, Petra Apfalter, Franz Allerberger, Rainer Gattringer, Martin Sprenger, Günther Weiss
Ärztekammer OÖ
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Coronavirus

Ärzte kritisieren „unreflektierte“ Tests

Mediziner haben am Freitag in Linz die derzeitige Teststrategie in Österreich kritisiert: Es werde zu viel und zu „unreflektiert“ getestet, etwa bei den Gastro- und Tourismusscreenings. Zudem appellierten sie im Rahmen einer Pressekonferenz der Ärztekammer OÖ, die Tests wieder in die Hände von Ärzten zu legen.

Die Mediziner drängten bei der Pressekonferenz in Linz auf eine Rückkehr zu einem normalen Betrieb in den Ordinationen. „Die Hoffnung, dass wir das Virus mit strengen Maßnahmen ausrotten können, können wir abhaken“, so Franz Allerberger, Leiter des Geschäftsfeldes Öffentliche Gesundheit der AGES.

Keine Scheu vor Arztpraxen

SARS-CoV-2 werde sich künftig „dazugesellen zu den anderen Winterinfekten. Darauf muss man sich einstellen.“ Ein Kind, das 39 Grad Fieber habe, gehöre aber in jedem Fall zum Arzt, rief er alle auf, nicht wegen Corona einen Bogen um die Arztpraxen zu machen.

Nebenwirkungen des Lockdowns beachten

Gesundheitswissenschafter Martin Sprenger betonte, dass in der Medizin immer das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gelte. Der Nutzen müsse größer sein als die Nebenwirkung – und verwies auf die „Nebenwirkungen“ des Lockdowns: „Arbeitslosigkeit verdoppelt das Sterberisiko“, meinte er und wies darauf hin, dass viele Leute wegen anderer Beschwerden – von Herz-Kreislauf- bis hin zu psychischen Problemen – nicht zum Arzt gegangen seien.

Ordination PVZ St. Pölten
ORF/Novak
Viele Kranke hatten sich während des Lockdowns nicht in Ordinationen oder Spitäler getraut.

Anderer Umgang mit Infektionskrankheiten gefordert

„Wenn wir jetzt wieder Ängste schüren, wird die Unterversorgung wieder zunehmen“, warnte er davor, dass sich dann erneut viele scheuen könnten, in die Ordinationen zu gehen, aus Angst sich anzustecken. Die am Donnerstag von der Bundesregierung angekündigten Einschränkungen bei Feiern, hält er auch nicht für verhältnismäßig: „Verbieten wir Partys wegen anderer Gesundheitsrisiken? Nein.“ Es müsse sich eben ein anderer Umgang mit Infektionskrankheiten etablieren, so Sprenger, der auch eine Impfung „nicht für ein Exit-Szenario“ hält.

Entscheidung über Tests müsse bei Ärzten liegen

Kritik übten die Ärzte auch an der derzeitigen Teststrategie in Österreich: Petra Apfalter, Leiterin des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Ordensklinikum Linz, sprach sich gegen die derzeitige Praxis aus, „kreuz und quer“ durch diverse Branchen asymptomatische Personen zu testen. „Derzeit messen wir ein Merkmal, das aber nicht zwingend bedeutet, dass jemand krank ist“, sagte sie, schließlich würden 90 Prozent der Infektionen „absolut keinen schweren Verlauf nehmen“. Auch Wolfgang Ziegler, Obmann der Sektion Allgemeinmedizin in der Ärztekammer OÖ meint: „Es wird zu viel getestet“. Die Entscheidung, ob jemand getestet werde, müsse wieder bei den Ärzten liegen und nicht bei der Hotline 1450, meinen beide.

Andere Krankheiten nicht übersehen

Darüber hinaus befürchten die Mediziner, dass andere – auch schwere – Krankheiten durch Corona in den Hintergrund geraten. Vor allem in der ersten Phase hätten viele vor dem Spital Angst gehabt, sagte Rainer Gattringer, Facharzt für Innere Medizin, Klinische Mikrobiologie und Hygiene am Klinikum Wels-Grieskirchen. Aber die Krankenhaushygiene in Österreich zähle zu den besten. „Trauen Sie sich in die Krankenhäuser“, appellierte er.

Botschaft an Politik: „Kein Grund zur Panik!“

Auch die Hausärzte hätten viel in Sachen Ordinationsmanagement und im Umgang mit möglicherweise infektiösen Patienten gelernt, so Ziegler, mittlerweile gebe es ein räumliches und zeitliches Abstandmanagement etc. „Wir können das managen“, meinte auch Sprenger. „Liebe Politik, kein Grund zur Panik, kommt’s wieder runter!“.

Gratistests durch Hausärzte?

Im Ö1 Morgenjournal forderte am Freitag die Ärztin Susanne Rabady, Mitglied des Expertenrats des Gesundheitsministers, dass Tests durch Hausärztinnen und -ärzte durchgeführt oder vermittelt werden sollten, und zwar gratis. Mehr dazu in: „Forderung nach besserem Testsystem“ news.ORF.at

Niedermoser: Thema aus der Politik

Die CoV-Diskussion müsse sachlicher werden, so auch Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser in der Sendung Oberösterreich heute am Freitag. Das Thema müsse aus der Politik wieder zurück in die Hände der Mediziner gelegt werden.

OÖ-Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser im ORF-Interview

Es gelte vor diesem Virus Respekt zu haben, aber er sieht aber keinen Grund zur Panik.

Es gehe darum, nicht einen Laborwert zu beurteilen, sondern den Menschen in seiner Gesamtheit zu sehen. Daher sei eine neue Professionalität gefordert, denn das Virus könne nicht ausgerottet werden. „Wir müssen Respekt haben vor diesem Virus, aber müssen keine Angst davor haben“.