Nachdem die Zahlen der CoV-Infektionen auf den höchsten Wert seit dem Ende des „Lock-downs“ gestiegen sind, zieht das Land Oberösterreich die Notbremse. „Es liegt nicht hinter uns“, so Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) in einer Pressekonferenz. Es sei das eingetreten, was prophezeit worden sei – „dass die Lockerungen auch dazu geführt haben, dass es eine Steigerung der Erkrankungen gibt“, so Stelzer. In Oberösterreich seien die Zahlen besonders gestiegen, da wolle und könne man nicht zusehen. Die Reproduktionszahl liege in Österreich bei 1,37, in Oberösterreich bei 2 – „zu viel“, so Stelzer.
Interview mit Landeshauptmann Stelzer (ÖVP)
Insgesamt lag die Zahl der Erkrankten in Oberösterreich Dienstagmittag – kurz vor der Pressekonferenz – bei 427, das seien „auch abzüglich des Freikirchen-Clusters zu viele“, so Stelzer. Besagtes Cluster sei mittlerweile auf 173 Fälle angewachsen. Zudem gebe es beispielsweise im Innviertel einen Cluster rund um eine Großfamilie vom Westbalkan, der 24 Fälle umfasse. Generell würden immer wieder Reiserückkehrer aus Westbalkanländern für Infektionen sorgen, die weitere Kreise ziehen.
Maskenpflicht in öffentlichen Räumen
Ab Donnerstag gilt daher für ganz Oberösterreich Maskenpflicht in öffentlichen Räumen – „das Tragen von Nasen-Mund-Schutz, so wie es ganz Österreich schon gewohnt war.“ In Geschäften und im Dienstleistungsbereich sei wieder eine Maske zu tragen, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Kundinnen und Kunden. Auch in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen sollen ab Donnerstag wieder jene Regeln gelten, die bereits vor der Lockerung in Kraft waren, so Gesundheits- und Bildungsreferentin Christine Haberlander (ÖVP). Das heißt, ab Donnerstag herrscht im Schulgebäude Maskenpflicht, der Schutz darf erst am Sitzplatz abgenommen werden. In Kindergärten gelte, dass beim Bringen und Holen des Kindes die jeweilige Person einen Schutz aufhaben muss.
Strengere Regeln in der Gastronomie
Auch in der Gastronomie kehre man zu den bereits bekannten Regeln zurück. Gäste müssen wieder am Weg vom und zum Tisch Maske tragen. Am Tisch, wo bis zu zehn Personen sitzen dürfen, ist das nicht obligatorisch. Das Personal muss ebenfalls Mund-Nasen-Schutz anlegen – und das immer.Es soll auch eine „freiwilliges Registriersystem“ in der Gastronomie geben. Nach dem Vorbild Bayern sollen Wirte an den Eingängen Listen auslegen, in die die Gäste ihre Kontaktdaten eintragen können. Im Freien soll man den Sicherheitsabstand einhalten. Wo das nicht möglich sei, müsse ebenfalls eine Maske verwendet werden. Zudem appellierten Stelzer und Haberlander an die Bevölkerung, sich auch bei privaten Treffen an die Abstandsregeln zu halten.
Ohne zeitliche Befristung
Betroffen sind auch Ämter, Spitäler sowie Alten- und Pflegeheime. Man habe sich das nicht leicht gemacht, so Stelzer. Vorerst treten die Regeln zeitlich unbefristet in Kraft. Eine weitere Verschärfung könne er nicht ausschließen, so Stelzer. Er hoffe aber, die neuen Maßnahmen reichen aus. Das Land habe die Polizei gebeten, „proaktiv“ das Einhalten der Vorschriften zu kontrollieren, so Haberlander.
Ehrlichkeit für Kontaktpersonenmanagement wesentlich
Es sei wesentlich, dass jeder und jede ehrlich sei, wenn er oder sie im Rahmen des Kontaktpersonenmanagements befragt werde – wenn es etwa um Auslandsaufenthalte gehe. Nur so könne man die Fälle verfolgen und Maßnahmen setzen. „Abschließend noch einmal der Appell: Abstand halten und Mund-Nasen-Schutz tragen“, so Haberlander.
Lamprecht: „Zumutbare Bremse“
Lungenfacharzt Bernd Lamprecht vom Kepler Universitätsklinikum hält den Mund-Nasen-Schutz für eine „zumutbare Bremse“ beim Fahren auf Sicht angesichts des Coronavirus – deutlich zumutbarer als ein eventueller neuerlicher „Lock-down“. „Mund und Nase zu bedecken und sonst alle möglichst offen halten zu können, ist, denke ich, ein gangbarer Kompromiss“, so Lamprecht. Medizinisch stehe es mittlerweile völlig außer Streit, dass ein Mund-Nasen-Schutz die nach außen abgegebene Viruskonzentration reduziere. „Daneben ist die Maske ein äußerliches Zeichen, das uns zu Achtsamkeit und Sorgfalt mahnt.“ Er betonte, dass man im Kampf gegen das Coronavirus noch „einen langen Atem“ brauche.
Stelzer betonte, die Maßnahme sei mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sowie den oberösterreichischen Regierung- und den Sozialpartnern abgestimmt. Anschober begrüßte die regionale Wiedereinführung des Mund-Nasen-Schutzes. „Regionale Cluster und Hotspots brauchen starke regionale Antworten. Dort, wo sich lokale Ausbrüche manifestieren, sind zielgerichtete, auf die Erfordernisse vor Ort ausgerichtete Maßnahmen zu setzen“, so Anschober in einer Aussendung.
451 aktuell an Covid-19 erkrankt
451 Personen waren am Dienstag (Stand 17.00 Uhr) an Covid-19 erkrankt. 3.033 Menschen befanden sich in Quarantäne, 19 mussten in Krankenhäusern behandelt werden.
Bereits seit Dienstag muss man in Amtsgebäuden des Landes bzw. einiger Städte und Gemeinden verpflichtend Mund-Nasen-Schutz tragen. Der Grund sind die stark steigenden Fallzahlen, die auch Schulschließungen in fünf Bezirken nach sich zogen. Am Montag wurde zudem der Assistenzeinsatz des Bundesheeres angefordert, um das Kontaktpersonenmanagement trotz steigender Infektionszahlen weiter effektiv betreiben zu können.
Strengere Vorkehrungen bei Gottesdiensten
Diözesanbischof Manfred Scheuer hielt in seinem Erlass an alle Pfarren und pastoralen Orte im Gebiet der Diözese Linz Präventionsmaßnahmen fest, die ab sofort und bis auf Weiteres – zusätzlich zu den Vorgaben der Rahmenordnung der österreichischen Bischofskonferenz zur Feier öffentlicher Gottesdienste – verpflichtend einzuhalten sind. Demnach müssen unter anderem alle Mitfeiernden der Gottesdienste beim Betreten und Verlassen der Kirchen einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Dieser darf während des Sitzens in der Bankreihe abgenommen werden. Der gemeinsame Gesang im Gottesdienst ist auf ein Minimum zu reduzieren und soll vor allem während des Kommuniongangs oder bei anderen Bewegungen im Raum unterbleiben. Die Austeilenden der Kommunion müssen neben der vorgeschriebenen Desinfektion der Hände zusätzlich wieder einen Mund-Nasen-Schutz verwenden.
Mauthausen sperrt Freibad, Spielplätze, Grünflächen
Nach der behördlichen Schließung des Kindergartens in Mauthausen (Bezirk Perg) wegen positiv Covid-19-Getesteten sperrte die Gemeinde das Freibad, Spielplätze sowie öffentliche Grünanlagen. Dienstagvormittag waren laut Amtsleitung aus dem Kindergarten acht Infektionen gemeldet. Die restriktiven Maßnahmen sollen helfen, den Cluster möglichst klein zu halten. Die autonom von der Gemeinde verordneten Schließungen gelten für die kommenden Tage, um zu verhindern, dass sich die Kinder anstatt im Kindergarten nun auf den Spielplätzen oder im Freibad treffen. Sollten bis zum Wochenende keine „wesentlichen Neuerkrankungen“ vorliegen, werde eventuell wieder aufgesperrt, teilte die Gemeinde weiter mit. Außerdem empfahl Bürgermeister Thomas Punkenhofer (SPÖ) „allen Vereinen und Institutionen in den kommenden Tagen von Veranstaltungen in Mauthausen abzusehen“.
NEOS: Bundesweite Strategie nötig
Als Reaktion auf die erneute Maskenpflicht in Oberösterreich forderte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker am Dienstag eine bundesweite Strategie des Gesundheitsministers. Loacker kritisierte, es fehle die Gesamtstrategie des Gesundheitsministers mit strukturierten Vorgaben, wie Länder mit regionalen Clustern umgehen sollen. Dieser könne seine Verantwortung nicht auf die Länder abschieben. „Es braucht endlich einen Plan und dazu muss man testen, testen, testen. Und nicht nach Gutdünken – und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich – irgendwas zusperren, irgendwas offen lassen.“ Noch immer würden Kontaktpersonen ersten Grades oft nicht getestet. Ohne fundierte Teststrategie sei Österreich im Moment völlig im „Blindflug“ unterwegs. Der oberösterreichische NEOS-Nationalratsbgeordnete und -Landessprecher Felix Eypeltauer bezeichnete die Schulschließungen in Oberösterreich als „kurzsichtigen Schnellschuss“. Der Landeshauptmann habe Kinderbetreuung und Bildung ins Private verschoben und zwar ohne Evidenz, ohne Grund und mit der vollen Belastung vor allem vieler Frauen in Oberösterreich, so die Kritik.
Lukas: Schließungen mit unabsehbaren Folgen
Der Rektor der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU), Meinhard Lukas, unterstützt die Maßnahmen in Oberösterreich und appellierte an alle, Verantwortung für sich selbst, ihre Familien und die Mitbürger zu übernehmen. Lukas stellte fest, als Wissenschafter wisse man, wie ernst die Lage in Oberösterreich sei. Die möglichen Folgen für den Bildungsstandort, die Wirtschaft und vor allem sozial benachteiligte Menschen seien fatal. Abermals notwendige Schließungen hätten unabsehbare soziale und wirtschaftliche Konsequenzen. Als ein Beispiel möglicher Folgen nannte er im Bereich der Universität: „Wenn sich die Situation weiter verschärft, ist der Medizinaufnahmetest im August mit mehr als 1.800 Anmeldungen junger Menschen akut gefährdet.“